Nachdem ich in meinen
voraufgegangenen Eintrag das Thema der KZ-Befreiungen streifte, liegt
es zumindest für mich nahe, auch einen Blick auf den derzeit in
Lüneburg laufenden Prozess gegen Oskar Gröning zu werfen, einem
früheren SS-Mann, der im KZ-Auschwitz offenbar den ankommenden
Häftlingen ihre Wertsachen abnahm und verwaltete. Wie das
unter den damals gegebenen Umständen offenbar üblich war. Deshalb wird er
auch als „Buchhalter von Auschwitz“ bezeichnet. Folgt man dem
Tenor der Medienberichte, dann begleitete Gröning damit gleichzeitig
die Vernichtung von 300 000 Häftlingen auf die unterschiedlichste
Weise.
Im Resumee der kürzlichen
Talkshow von Günter Jauch zum Thema heißt es, die Bestialität des
Holocausts war so gewaltig, dass er auch 70 Jahre später in den
Überlebenden und ihren Angehörigen nachwirkt. Ihr Leid nicht zu
vergessen und aus ihrem Schicksal zu lernen, das ist die Aufgabe der
Nachgeborenen. Und das wird nun quasi am Beispiel Oskar Gröning
angemahnt.
Und das muss man wohl auch,
denn Gröning dürfte einer der Letzten sein – wenn nicht der
Letzte überhaupt – der sich im Zusammenhang mit den schrecklichen
Vorgängen in den KZ's vor Gericht verantworten muss. Und schon
deshalb passt es nicht in dieses Bild, wenn da eine Überlebende von
Auschwitz (die Jüdin Eva Kor) den Angeklagten Gröning öffentlich
verzeiht. Was sie ganz allgemein schon vor zwanzig Jahren gegenüber
denen getan hat, die sie in Auschwitz drangsalierten.
Es ist nicht meine Absicht,
hier einen Beitrag zu diesen Prozess und seine Hintergründe zu
formulieren, die problematisch genug sind. Mir wird mit Oskar Gröning
aber bewusst, dass ich lediglich einige Jahre jünger bin als der
Angeklagte und damit zur gleichen Generation gehöre. Und mich noch
recht gut erinnere an die allgemeine Begeisterung, die damals mit dem
Nationalsozialismus verbunden war, in die junge Menschen hinein
wuchsen, erzogen wurden und bereit waren, die Ideologie der Nazis zu
leben. Ich gehörte dazu, soweit das in meinen damaligen jugendlichen
Alter möglich war. Das mich immerhin davor bewahrte, in irgendeiner
Weise in dieser Ideologie aktiv zu werden. Und die mir nach dem
Zusammenbruch des Hitlerreiches mit der Kenntnis von KZ's und
Holocoust bewusst werden ließ, welche mögliche persönliche oder
auch politische Entwicklung mir erspart blieb. Ich kann aber schon
deshalb verstehen, wenn Menschen - wie Oskar Gröning – unter den
damaligen Verhältnissen willig dem Trend folgten. Dass er sich heute
als „moralisch“ schuldig bekennt, halte ich zwar für eine
schwache Entschuldigung. Es könnte immerhin sein, dass ihm sein
Einsatz im KZ sicherer schien als das Risiko, an der Front zu fallen.
Wer aber weiß das schon oder würde es zugeben?
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