Donnerstag, 30. April 2015

Oskar Gröning: Vom „Buchhalter von Auschwitz“ zum Mörder-Monster?

Nachdem ich in meinen voraufgegangenen Eintrag das Thema der KZ-Befreiungen streifte, liegt es zumindest für mich nahe, auch einen Blick auf den derzeit in Lüneburg laufenden Prozess gegen Oskar Gröning zu werfen, einem früheren SS-Mann, der im KZ-Auschwitz offenbar den ankommenden Häftlingen ihre Wertsachen abnahm und verwaltete. Wie das unter den damals gegebenen Umständen offenbar üblich war. Deshalb wird er auch als „Buchhalter von Auschwitz“ bezeichnet. Folgt man dem Tenor der Medienberichte, dann begleitete Gröning damit gleichzeitig die Vernichtung von 300 000 Häftlingen auf die unterschiedlichste Weise.

Im Resumee der kürzlichen Talkshow von Günter Jauch zum Thema heißt es, die Bestialität des Holocausts war so gewaltig, dass er auch 70 Jahre später in den Überlebenden und ihren Angehörigen nachwirkt. Ihr Leid nicht zu vergessen und aus ihrem Schicksal zu lernen, das ist die Aufgabe der Nachgeborenen. Und das wird nun quasi am Beispiel Oskar Gröning angemahnt.

Und das muss man wohl auch, denn Gröning dürfte einer der Letzten sein – wenn nicht der Letzte überhaupt – der sich im Zusammenhang mit den schrecklichen Vorgängen in den KZ's vor Gericht verantworten muss. Und schon deshalb passt es nicht in dieses Bild, wenn da eine Überlebende von Auschwitz (die Jüdin Eva Kor) den Angeklagten Gröning öffentlich verzeiht. Was sie ganz allgemein schon vor zwanzig Jahren gegenüber denen getan hat, die sie in Auschwitz drangsalierten.

Es ist nicht meine Absicht, hier einen Beitrag zu diesen Prozess und seine Hintergründe zu formulieren, die problematisch genug sind. Mir wird mit Oskar Gröning aber bewusst, dass ich lediglich einige Jahre jünger bin als der Angeklagte und damit zur gleichen Generation gehöre. Und mich noch recht gut erinnere an die allgemeine Begeisterung, die damals mit dem Nationalsozialismus verbunden war, in die junge Menschen hinein wuchsen, erzogen wurden und bereit waren, die Ideologie der Nazis zu leben. Ich gehörte dazu, soweit das in meinen damaligen jugendlichen Alter möglich war. Das mich immerhin davor bewahrte, in irgendeiner Weise in dieser Ideologie aktiv zu werden. Und die mir nach dem Zusammenbruch des Hitlerreiches mit der Kenntnis von KZ's und Holocoust bewusst werden ließ, welche mögliche persönliche oder auch politische Entwicklung mir erspart blieb. Ich kann aber schon deshalb verstehen, wenn Menschen - wie Oskar Gröning – unter den damaligen Verhältnissen willig dem Trend folgten. Dass er sich heute als „moralisch“ schuldig bekennt, halte ich zwar für eine schwache Entschuldigung. Es könnte immerhin sein, dass ihm sein Einsatz im KZ sicherer schien als das Risiko, an der Front zu fallen. Wer aber weiß das schon oder würde es zugeben?

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