Erklärung von Kardinal Marx zum Tod von Władysław Bartoszewski
Zum Tod von Prof. Dr. Władysław Bartoszewski erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx:
„Ich
hatte das Glück, Władysław Bartoszewski im Laufe der vergangenen Jahre
einige Male zu begegnen. Zuletzt sind wir am 1. September 2014, am 75.
Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, zu einem längeren Gespräch
zusammengekommen. Bartoszewski war an diesem Abend geistig präsent wie
eh und je – ein großer Erzähler europäischer Geschichte, die er am
eigenen Leib erfahren hatte. Das Lager Auschwitz hat er überlebt und den
Warschauer Aufstand, ohne zum hasserfüllten Feind aller Deutschen zu
werden. Die nach dem Weltkrieg in Polen herrschenden Kommunisten warfen
ihn jahrelang ins Gefängnis und doch konnten sie ihn, den
intellektuellen Oppositionellen auch gegen die zweite Gewaltherrschaft,
nicht brechen. In allen extremen Widrigkeiten seines Lebens blieb er
seinem katholischen Glauben treu – ein Mann des Glaubens, der Hoffnung
und der Liebe.
In
den letzten 25 Jahren seines Jahrhundertlebens durfte er dann erfahren,
dass die Geschichte Europas auch für ihn und sein polnisches Vaterland
mehr zu bieten hatte als die Abfolge ungerechter Herrschaften.
Bartoszewski gehörte zu den Gründungsvätern der polnischen Demokratie,
wurde Außenminister und war bis zuletzt – 93-jährig! – außenpolitischer
Berater des Ministerpräsidenten. Viele internationale Ehrungen wurden
ihm nun zuteil, vor allem für sein unermüdliches Bemühen um die
Versöhnung zwischen Deutschen und Polen und um ein geeintes
freiheitliches Europa, dessen geistige Grundlagen er nie aus dem Blick
verlor. Einem neuen Verhältnis zwischen der Kirche in beiden Ländern
galt dabei sein besonderes Interesse. So wird der Geist von Władysław
Bartoszewski unter uns sein, wenn am kommenden Mittwoch viele polnische
Gläubige, unter ihnen eine große Gruppe polnischer Bischöfe und
Priester, anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des KZ Dachau in
Deutschland zu Gast sein werden. Mit dem Verstorbenen verlieren wir alle
nicht nur einen großen Baumeister und Zeugen der Versöhnung, sondern
die deutschen Bischöfe auch einen wunderbaren, stets anregenden und
unterhaltsamen Gesprächspartner, dem wir zahlreiche Anregungen für die
Gestaltung unserer Beziehungen zu den östlichen Nachbarn verdanken.“
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