In der „Tagespost“ stieß ich
jüngst auf einen Kommentar, der mich beeindruckte. Auszug: „Wir
leben in einer Informationsgesellschaft. Angeblich. Tatsächlich
werden wir überflutet von Informationen und Desinformationen, von
mit Fakten getarnten Meinungen und Manipulationen. Aus welcher Küche
welches Gerücht stammt, lässt sich rasch nicht mehr nachvollziehen:
von Nachrichtenagenturen oder Nachrichtendiensten, Publizisten oder
Politikern, Spin-Docs oder Spinnern? Wir leben in der Blütezeit der
Verschwörungstheorien: weil wir wissen wollen, möglichst alles
sofort – und weil wir zu wissen glauben wollen.“ (Ende des
Auszugs) Die „Tagespost“ nennt Beispiele, zu denen die Schüsse
von Sarajevo, die vor hundert Jahren den ersten Weltkrieg auslösten
ebenso gehören wie das „Hochfest“ aller Verschwörungstheorien,
nämlich der 11. September 2001. „Ähnliches spielt sich an der
Internet-Front des Nahost-Konflikts ab: Jede Seite findet da ihre
lückenlosen Beweisketten, die die ultimative Bosheit der jeweils
anderen Seite belegen. Unversöhnlich wie im Gaza-Streifen prallen
auf Facebook & Co kontroverse Positionen aufeinander“, heißt
es da weiter, womit ich zum eigentlichen Thema komme.
Es gibt kaum eine Zeitung, die
öffentliche Verantwortung versichert, die in den vergangenen Tagen
nicht aktuell zu diesem Konfliktthema Israel vs. Palästina Stellung
nahm. Und im Zusammenhang damit zu den Demonstration in zahlreichen
deutschen Städten gegen die israelische Militäroffensive im
Gazastreifen. Viele davon kamen aus dem Kreis von türkisch- oder
arabisch-stämmigen Einwanderern. Dort ist die Empörung angesichts
schon mehrerer hundert getöteter Palästinenser besonders groß. Und
die Polizei scheint sich dabei einer Situation gegenüber zu sehen,
die nicht viel weniger problematisch ist. Dazu der
Antisemitismusbeauftragte des American Jewish Committee, Stephan
Kramer in einem Interview der „Welt“ am 22.07. (Auszug):
„Vielleicht sind die Polizisten
im Umgang mit islamistischen Gewalttätern schlicht nicht genügend
geschult. Ich sehe da aber auch eine gewisse Naivität. Wenn man, wie
in Frankfurt geschehen, zur Deeskalation den Demonstranten die
Polizei-Lautsprecher zur Verfügung stellt und dann nicht
einschreitet, wenn diese damit antisemitische Sprüche skandieren,
dann ist das entweder naiv, oder es wird mit zweierlei Maß gemessen.
Denn umgekehrt wurden proisraelische Demonstranten aufgefordert, den
Platz zu verlassen, anstatt dass sie geschützt wurden.“(Ende des
Auszugs)
Und auch Bundespräsident Joachim Gauck
meldet sich angesichts der bei diesen Demonstrationen gehörten
antisemitischen Parolen gegen Israel zu Wort und verlangt mehr
Zivilcourage: „Ich möchte alle Deutschen und alle Menschen, die
hier leben, auffordern, immer dann ihre Stimme zu erheben, wenn es
einen neuen Antisemitismus gibt, der sich auf den Straßen brüstet“,
sagte Gauck. Auch der Bundespräsident ging darauf ein, dass
judenfeindliche Parolen vielfach von Einwanderern angestimmt wurden.
„Antisemitismus, auch wenn er neu ist, wenn er aus ausländischen
Gesellschaften hier importiert wird, der wird genau so wenig geduldet
wie ein alter autochthoner Antisemitismus, den es in einigen
rechtsradikalen oder linksradikalen Milieus gibt. Wir nehmen alles
ernst.“Sagt das Staatsoberhaupt. Doch auch das ist meines Erachtens
nicht leicht zu verstehen, wenn doch der Bundespräsident noch am
30.06 laut „Frankfurter Rundschau“ meinte (Auszug): „Es müsse
überlegt werden, wie man mehr legale Zugangswege für Flüchtlinge
schaffe. Denn wer einmal vergeblich um Asyl gebeten habe, werde
hierzulande kaum durch ein anderes Tor Einlass finden, äußerte er
und wies auf den Widerspruch hin, dass Flüchtlinge, die hier
abgewiesen würden, in vielen Fällen leistungsorientiert seien sowie
gute und gefragte Qualifikationen mitbrächten.“ Angesichts der
jüngsten Demonstrationen liegt die Vermutung nahe, dass die
Flüchtlinge dann aber auch den Judenhass mitbringen, den sie nach
ihrer Aufnahme sogar in die Öffentlichkeit tragen. Und dadurch
überhaupt erst rechts- und linksradikalen Anhängern die Möglichkeit
eröffnen, ihre antijüdischen Aggressionen offen zu artikulieren.
Nun ist es für
unsereinen allerdings auch nicht leicht, die Medienberichte zu dieser
Problematik nach Objektivität und Sachlichkeit einzuschätzen (siehe
weiter oben) Und angesichts der Propalästinensischen Kundgebungen,
wie am Montag vor der Israelischen Botschaft in Berlin, wird
zunehmend auch Kritik an der Berichterstattung in den deutschen
Medien laut. Folgt man den Stimmen dieser Kritiker, werden nicht nur
bei Demonstrationen "rote Linien überschritten", wie
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag in Bezug
auf antijüdische Vorfälle bei Kundgebungen gegen Israels Politik
feststellte (Berliner Morgenpost am 22.07.14). Nicht nur anonym und
im Internet wird Stimmung gemacht – der Zentralrat der Juden
beispielsweise muss viele Kommentare von seiner Facebook-Seite
tilgen. Auch an bekannten Erzeugnissen der deutschen Publizistik gibt
es heftige Kritik. „Artikelüberschriften sind oft propagandistisch
– gegen Israel ausgerichtet." Das sei einer der Gründe,
„warum es zu antijüdischen Aggressionen auf deutschen Straßen
gekommen ist", kritisiert eine Kölner Initiative, die jetzt
sogar zu einer Demonstration gegen den WDR aufrief.
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