Wenn ich jetzt noch einmal auf die
Stadtratsitzung vom Mittwoch eingehe, dann geschieht das wiederum
aus einem ganz persönlichen Eindruck aus dem Zuhörerbereich des
Sitzungssaales:
der Feststellung nämlich, dass ich
sichtlich der älteste Zuhörer im ganzen Bürgersaal war. Und das
lässt mich überlegen, warum das so ist. Einfach deshalb, weil doch
viel, sehr viel und immer wieder über den demografischen Wandel
berichtet wird und die Zunahme alternder Menschen in unserer
Gesellschaft. Dass das so ist, zeigt sich meines Erachtens schon optisch bei
Anlässen wie etwa dem Rolandfest und überall dort, wo es um
Unterhaltung und Kurzweil geht, denn dort sind sie präsent. Nicht
aber auch bei Vorgängen, die geistige Aufgeschlossenheit und Konzentration erfordern. Wie eben als Zuhörer bei Stadtratsitzungen,
also dort, wo Politik für die Bürger gemacht wird. Und wo man doch
durch seine Präsenz zeigen könnte, dass man sich zu positionieren
bereit ist. Richtig scheint demgegenüber zu sein, dass die Politik
ins Begegnungszentrum, also zu den Senioren gehen muss, um von ihnen wirklich wahrgenommen zu werden.
Ich muss da freilich selbstkritisch
einräumen, dass ich ja selber über lange Zeit bei keiner dieser
Sitzungen mehr unmittelbarer Zuhörer war. Weil ich meinte, die
Zeitungen berichten ausführlich, objektiv und zuverlässig. Dass
dies ein trügerischer Glaube war und ist, wurde mir allerdings in
jüngerer Zeit zunehmend bewusst. Und bestätigte sich aktuell und
konkret eben in der jüngsten Stadtratsitzung: man verlässt die
Sitzung mitten in ihrem Ablauf, schreibt Kommentare über Vorgänge,
die man gar nicht mehr selbst erlebte und weckt damit auch noch die
(widerlegbare) Vermutung, man sei Lobbyst für eine bestimmte
Interessengruppe. Abgesehen davon aber kann ich mit Fug behaupten,
recht aufgeschlossen zu sein für gesellschaftliche, kulturelle und
politische Vorgänge.
Nun ist mir hinsichtlich des
allgemeinen Engagements der Gesellschaft an öffentlichen Vorgängen
noch immer die Podiumsdiskussion anlässlich des Katholikentages Ende
Mai in Regensburg in Erinnerung, an der unter anderen Bundespräsident
Joachim Gauck teilnahm. Und dabei eine „grassierende
Gleichgültigkeit“ dieser Gesellschaft beklagte. Es sei aber eine
Illusion, Gesellschaft ohne Engagement genießen zu können. Viele
Menschen verzichteten darauf, Verantwortung zu übernehmen und den
großen Schatz der individuellen Möglichkeiten zu heben, sagte der
Bundespräsident. „Wenn es dann aber nicht nach dem eigenen Willen
läuft, bin ich ein bisschen maulig, und wenn ich temperamentvoller
bin, heule ich den Mond an.“
„Wenn uns das Leben und der Wohlstand in den Schoß fallen, denken wir nicht mehr daran, dass wir es gestalten müssen“, sagte Gauck. So gebe es Menschen, „die gelebt werden, und jene, die selbst leben“. Und dazu fällt mir eine Einsicht ein, die mal der Volksschauspieler Willy Millowitsch äußerte: „Es ist nicht schwierig zu altern, wenn man seit Jahren nichts anderes tut.“
Aber ganz so ist es ja wohl auch wieder nicht, wenn ich mir allein den jüngsten Demografiebericht für Thüringen ansehe. Dem zu entnehmen ist, dass zum Beispiel das ehrenamtliche Engagement der Bürger in ihrer Vielfalt und Zahl ganz beachtlich ist. Auch die Ehrenamtswürdigungen der Kommunen beweisen es. Das alles aber spielt sich im Rahmen der Möglichkeiten ab, die ihnen von der Politik zugewiesen sind oder ermöglicht werden. Also in Begegnungszentren, Mehrgenerationenhäusern, Vereinen etc. Das Bedauern des Bundespräsidenten am Mangel an der Gestaltungsbereitschaft der Bürger ist damit freilich nicht gegenstandslos. Es könnte sich lohnen, darüber nachzudenken. Irgendwer hat allerdings mal gemeint: „Manche Menschen würden eher sterben als nachdenken. Und sie tun es auch.“
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