Freitag, 6. April 2012

Zum Umgang mit der Demokratie

Es ist seit der Gedenkveranstaltung am 3. April in Nordhausen viel von den Vorgängen um den Verlauf dieses Gedenkens in der lokalen und überregionalen Presse geschrieben und kommentiert worden. Wobei vor allem die Zivilcourage der Nordhäuser Oberbürgermeisterin Barbara Rinke ob ihres Handelns gegenüber den Rechtsextremen hervorgehoben wurde. Und das scheint mir doch einiger Überlegungen wert. Umso mehr als in einzelnen Beiträgen und Kommentaren – zum Beispiel in der nnz – die Demokratie bemüht wird, unter deren Aspekt sich diese Vorgänge verstehen würden.

Soweit sich dieser Aspekt mit der Gedenkveranstaltung an sich verbindet, halte ich Abläufe wie diesen für eine Entwürdigung dieses Gedenkens, die die Opfer der Bombardements Nordhausens am 3. und 4. April 1945 nicht verdienen. Dass diesmal ganz im Gegensatz zu früheren Gedenken so viele Medienvertreter anreisten, ein so großes Polizeiaufgebot zur Absicherung der Veranstaltung aufgeboten wurde, und so viele sonstige Teilnehmer die Kulisse bildeten, lässt vermuten (obwohl ich sonst nichts von Vermutungen halte), dass mit Problemen mit Rechtsextremen gerechnet wurde. (Und man dabeisein wollte!?)

Die ja nicht verbotener Weise erschienen und einen Kranz (oder Gebinde) niederlegten. Wenn man sich auf den Hinweis beschränkt, dass eine ganze Gruppe Rechtsextremer an diesem Gedenken teilnahm und der Kreisvorsitzende der NPD einen Kranz niederlegte, dann sollte man fairerweise auch konstatieren, dass hinter dieser Erscheinung Wähler in Nordhausen stehen, die diese Teilnehmer – auch im Stadtrat und Kreistag – legitimieren. Und solange das so ist und die NPD nicht verboten wird/werden kann, wird man mit ihren Vertretern rechnen und sich mit ihnen auseinandersetzen müssen. Ob die Art, wie das am Dienstag geschah – und auch die wurde ja (mit Regenschirmen und Pfeifkonzerten) wohl geplant, die richtige oder geeignete ist, mag ich bezweifeln. Man sollte also eine andere Art oder Form des Gedenkens finden, über die ja auch nachgedacht wird, wie zu hören ist. Totengedenken sollten ganz allgemein der Vermutung entzogen sein, es könne sich um wie auch immer geartete Inszenierungen oder Provokationen handeln.

Und was nun dieser vorerwähnte Aspekt der Demokratie ganz grundsätzlich betrifft, halte ich für aufschlussreich, dass man zur praktizierten Demokratie inzwischen und offenbar auch in zunehmenden Maße die persönliche Anonymität zählt und aus dieser heraus argumentiert. Und in diesem Fall der Oberbürgermeisterin ob ihres Mutes und ihrer Zivilcourage Hochachtung zollt. Die man selbst nicht besitzt und aufbringt. Trotz aller Demokratie und Freiheit des persönlichen Bekenntnisses. Von Verantwortung ganz zu schweigen.Davon sprach übrigens wiederholt schon der nunmehrige Bundespräsident Joachim Gauck. Die Resonanz ist, wie auch in diesem Fall leicht festzustellen ist, kläglich. Mut, Bereitschaft zur Verantwortung und zum persönlichen offenen Bekenntnis ist offensichtlich auch heute noch ein besonderer Vorzug Einzelner mit dem Anspruch auf Anerkennung.

Wobei sich mir in diesem Falle nicht erschließt, warum man dem Vertreter der NPD erst einen Kranz (oder Gebinde) niederlegen lässt, und es dann der Oberbürgermeisterin vorbehalten war, diesen aufzunehmen, um ihn dem Vertreter dieser Partei wieder anzudienen. Warum ließ man es überhaupt dazu kommen? Aufgespannte Regenschirme als Abschirmung zeugten da wohl eher von Verharmlosung. Oder Hilflosigkeit.

Nun galt dieses Gedenken diesmal ja auch dem Widerstand gegen die Nazi-Diktatur in der Zeit des Dritten Reiches. Die Frage läge nahe, wie verbreitet dieser Widerstand denn in Nordhausen war? Mir ist eine Ansprache der Oberbürgermeisterin in Erinnerung, die sie vor einigen Jahren vor dem jüdischen Gedenkstein am Pferdemarkt hielt. Und darin beklagte, dass man in Nordhausen im Nazi-Deutschland angesichts des KZ's Mittelbau Dora mehrheitlich die Augen verschloss. Dieser Überlegung weiter nachzugehen versage ich mir, es gehörte damals jedenfalls wirklich Mut und Zivilcourage (und Todesbereitschaft) dazu, Widerstand in irgendeiner Form zu leisten. Die Geschwister Scholl in München und die Mitglieder der „Weißen Rose“ hatten sie. Und bezahlten mit ihren Leben. Ihnen galten demzufolge die an der Stele niedergelegten weißen Rosen. Dass Mut und Courage aber auch heute noch außerordentliche Beachtung finden, ist jedenfalls kein Zeichen gereiften und überzeugten Demokratieverständnisses. Und das kann traurig stimmen.

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