In meinen vorherigen Eintrag hatte ich einführend geschrieben, dass die Karwoche ganz wesentlich von dem Gedenken an die verheerenden Luftangriffe auf Nordhausen am 03. und 04. April 1945 bestimmt war. Das galt und gilt natürlich nur für das lokale Geschehen, denn ansonsten wurde ja das halbe Weltgeschehen von dem Gedicht des deutschen Nobelpreisträgers (und einstigen Mitglieds der Waffen-SS) Günter Grass bestimmt. Sogar (Internet-)Zeitungen beschäftigen sich damit und offerierten sein Gedicht, die sich sonst im wesentlichen nur mit lokalen und höchstens regionalen Themen und Problemen befassen.
Als für (welt-)politische Themen durchaus aufgeschlossen, hatte mich die mit dem Inhalt dieses Gedichtes angesprochene Problematik natürlich interessiert und beschäftigt. Und auch trotz der Einsicht, dass ich mit meiner Meinung zu dieser Problematik weder etwas beitragen, noch bewirken kann. Das Geschehen im Nahen Osten vollzieht sich weit weg von mir und meiner unmaßgeblichen Meinung dazu. Und selbst Wert und Bedeutung des Grass'schen Gedichtes unter lyrischen Gesichtspunkten bedarf nicht meiner Befindung, das haben inzwischen auch schon Berufenere getan.
Was mich aber ernstlich beschäftigt, ist einerseits die Behauptung, dass man hierzulande trotz eines übernommenen oder übertragenen Schuldkomplexes aus Nazi-Zeiten natürlich Kritik an Israel üben darf (WELT vom 07.04). Das mag wohl richtig sein, nur sollte der Kritiker – soweit er als Person beachtlich ist – dann eine in jeder Hinsicht lupenreine Vergangenheit haben. Und schon gar nicht in jungen Jahren im Nazi-Deutschland der Waffen-SS angehört haben. Schließlich sollte er aber auch in einem Alter sein, das ihn vor der Gefahr bewahrt, als alter Mann abqualifiziert zu werden, der den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat (Henryk M. Broder in der WELT am 07.04.). Alle diese „Makel“ aber haften Günter Grass an. Im Grunde ist das gleichbedeutend mit dem Bemühen der Medien oder entsprechender Interessengruppen in Situation wie dieser oder vergleichbarer, Gründe zu finden, um einem Kritiker die Berechtigung zu Kritiken, wie sie Günter Grass übte, abzusprechen.
Und die Einstellung zu Günter Grass nach seiner Kritik ist meines Erachtens auch nicht schlüssig: seine einstige Zugehörigkeit zur Waffen-SS war kein Hindernis, ihn aufgrund seines literarischen Schaffens in den Rang eines der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren zu erheben. Auch kein Hindernis, ihn den Nobelpreis für Literatur zu verleihen. Und nun stellt man seine Kompetenz für ein Gedicht in Frage, in dem er Kritik an Israel übt. Man kann natürlich über die Qualität dieses Gedichtes streiten. Man kann auch über die darin geübte Kritik an Israel unterschiedlicher Meinung sein. Ihn aber in derart persönlicher und verunglimpfender Weise anzugreifen, halte ich weder für berechtigt, noch für fair. Ich bin gerade mal drei Jahre jünger als Grass und erinnere mich sehr wohl an die Umstände, unter denen man im Dritten Reich zur Waffen-SS einberufen werden konnte. Und gerade deshalb bin ich der Auffassung, dass es unfair ist, ihm daraus und im Zusammenhang mit seiner Kritik einen Vorwurf zu machen. Um ihn in die Nähe des Antisemitismus rücken und ihm damit die Berechtigung zur Kritik an Israel absprechen zu können. Sie entbehrt einfach der sachlichen Grundlage und ist reine Polemik. Und damit kann und will ich es bewenden lassen. Ich bewirke ja auch damit nichts.
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