Freitag, 2. Dezember 2011

Interkulturelle Bildung in St. Petersburg




„Interkulturelle Bildung in Kindergärten“ hieß der Workshop, den Fachkräfte des JugendSozialwerk Nordhausen e.V. in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Russischen Begegnungszentrum an der Petrikirche vom 21. bis 23. November in St. Petersburg anboten.
Fast 30 pädagogische Fachkräfte aus Petersburger Kindergärten sowie Studentinnen pädagogischer Universitäten und Fachschulen folgten der Einladung.
Vorträge und Präsentationen, vor allem aber auch das intensive eigene Erleben und Verstehen fördernde interaktive Übungen, führten in die theoretischen Grundlagen der interkulturellen Kommunikation und Bildung ein. Die Begriffe Kultur, Wahrnehmung, Fremdheitserfahrung, Multikulturalität, Interkulturalität, Kommunikation und interkulturelle Kompetenz konnten von den Teilnehmenden in ihrer Komplexität erfahren und eingeordnet werden.
Anhand der Präsentation der beispielhaften praktischen Umsetzung interkultureller Bildung im Sülzhayner Kindergarten „Kleine Pfefferländer“ in Trägerschaft des JugendSozialwerk Nordhausen e.V. konnten die Teilnehmenden einen sehr lebendigen Eindruck davon gewinnen, mit welchen Methoden und Hilfsmitteln Kinder im Kindergarten auf ein bereicherndes Leben in Vielfalt vorbereitet werden können. Elke Dunkel, die vor drei Jahren an einer entsprechenden Fortbildung des Vereins teilgenommen hatte und seitdem die Aspekte der interkulturellen Bildung im Kindergartenalltag berücksichtigt, berichtete immer wieder von der großen Neugier und Offenheit, mit der Kinder auf alles Fremde zugehen und wie sie Informationen und Emotionen wie einen Schwamm aufsaugen. In den Köpfen der Teilnehmenden bleiben die Bilder von Konstantin, der fast täglich vor dem Globus sitzt und die Erzieherin nach den nächsten Zielen für ihre virtuellen Reisen in fremde Länder fragt. Welche Tiere dort leben, welche Feste dort gefeiert werden, wie die Kinder mit ihren Familien in großer Hitze oder eisiger Kälte leben können, an welchen Spielen sie Freude haben – all das sind Fragen, die unsere Kinder interessieren. Die Antworten finden die Kinder oft im gemeinsamen Spiel. Das macht Spaß und Lust auf mehr. Und damit sind Gefühle verbunden, die die Kinder auf ihren Weg ins Leben begleiten werden. Ein Weg, der – auch im eigenen Land - nicht ohne Kontakte zu Menschen anderer Kulturen verlaufen wird. Mit einer schon im Kindergarten beginnenden vorurteilsfreien Erziehung leisten wir einen wichtigen Beitrag dafür, dass diese Kontakte als Bereicherung erlebt und erfolgreich für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft gestaltet werden können.
Nachdem im Vielvölkerstaat Sowjetunion das friedliche Nebeneinanderleben verschiedener Kulturen ohne gravierende gesamtgesellschaftliche Probleme - und auch ohne spezielle Bildungsprogramme (die es damals auch im Westen Europas eher nicht gab) - funktioniert zu haben scheint, stellt sich die Lage heute anders dar. Aus der Union der Sowjetrepubliken unter Vorherrschaft des Russischen und der russischen Kultur sind gleichberechtigte Staaten geworden, die ihre Eigenständigkeit und ihre eigene Kultur – gerade auch in Abgrenzung zu den früheren Erfahrungen – betonen und pflegen. Das ist nachvollziehbar und schön. Das Einigende geht dabei oft verloren, und der Samen für Konflikte geht auf. Die Großstädte Russlands verzeichnen steigende Migrationszahlen, insbesondere aus ehemaligen Sowjetrepubliken. Problematisch sind die fehlenden Russischkenntnisse der Migranten und die fehlende Vorbereitung der Zuwanderer wie auch der Einheimischen auf das Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen im Alltag, im Wohnumfeld.
In dieser Situation wurde der Workshop des JugendSozialwerk Nordhausen e.V. mit besonderem Interesse angenommen. Nicht nur von den Erzieherinnen. Die Stadt Petersburg arbeitet an einer Fortschreibung ihres Programms „Toleranz“, in dem interkultureller Bildung im Vorschulalter eine ganz wichtige Bedeutung beigemessen wird.
Und so hoffen beide Seiten - die Referenten des Nordhäuser Vereins, wie auch die Vertreterinnen der Petersburger Kindergärten - auf eine Verstetigung der Zusammenarbeit. Diese sollte nicht nur den Petersburger Kindergärten zugutekommen, sondern auch die vereinsinterne Fortbildung fortsetzen und weitere Nordhäuser, Erfurter und Dresdner Erzieherinnen aus den Kindergärten des JugendSozialwerk Nordhausen e.V. für eine interkulturelle Erziehung ihrer Kinder fit machen.

Ines Gast, JugendSozialwerk Nordhausen e.V.

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