Freitag, 2. Dezember 2011

Danach ist man gewöhnlich klüger

Am 29. November erschien in der nnz unter der Titelzeile „Bis was passiert interessiert es kaum“ein Bericht, der sich mit der rechtsextremen Szene, deren Aktivitäten und Mordtaten während der vergangenen Jahre befasst. Und der beschäftigt mich.

Er beschäftigt mich deshalb, weil ich seit langem beklage, dass in der Journalistik die verpflichtende Aufgabe des Investigativen in zunehmenden Maße einem Trend zum Boulvardjournalismus – also zur Unterhaltung der Konsumenten - Platz macht. Und diese Entwicklung soweit gediehen ist, dass etwa der Zeitungsleser nichts anderes mehr erwartet. Also nicht sorgfältig recherchierte Berichte mit Hintergründen und Zusammenhängen, sondern möglichst kurz gefasste Geschichten mit Unterhaltungswert.

Und hier wird nun ein Diskurs angeboten, der zumindest den Anschein weckt, dass es sich um gut recherchierte Ergebnisse dieser rechtsextremistischen Szene handelt.Die schon in den frühen 70er Jahren mit genügend Anzeichen für ein derartiges Potenzial in der extremen Rechten erkennbar war. Im Westen der Republik also und damit zu einer Zeit, in der man hier noch im tiefsten Sozialismus lebte. Und das lässt schon erkennen, dass es sich bei diesem Diskurs um keine eigenen Erkenntnisse der beiden Autorinnen handelt, sondern um zusammengetragene Einsichten aus Archiven. Es sei hier daran erinnert, dass in den alten Bundesländern „schon in den frühen 70er Jahren“ nämlich genau 1970 die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) gegründet wurde. Eine linksextreme Organisation, die in den Folgejahren mit zahlreichen Morden, Entführungen und Attentaten die Bevölkerung beschäftigte und beunruhigte. Die Polizei und sonstige Sicherheitsorgane hatten damals vollauf zu tun, diese mordende linksextreme Erscheinung in den Griff zu bekommen und ihrer Herr zu werden. Die rechtsextreme Szene mit politischem Hintergrund trat demgegenüber weit weniger in Erscheinung und wurde von offizieller Seite auch bewusst herunter gespielt nach dem Motto: „Sein kann nicht, was nicht sein darf“. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass es bei der von den beiden Autorinnen behandelten Problematik allein um rechtsextreme Vorgänge und Aktivitäten handelt, die bis zu Morden und Banküberfällen reichte. Wenn man aber weiß, dass die beiden Autorinnen der „Presse- und Recherchegruppe der Antifa Nordhausen“ angehören, bekommt diese erwähnte Einseitigkeit in der Einschätzung des Extremismus in den alten Bundesländern doch eine andere Wertung.

Es mag sein, dass es – wie in dem Bericht dargestellt – eine wie auch immer geartete Kontinuität von der Entwicklung der rechtsextremen Szene in den alten Bundesländern zu den gemutmaßten oder tatsächlichen Netzwerken des Rechtsextremismus im Osten Deutschlands – und nicht nur in Thüringen – gibt. Wenn aber die beiden Autorinnen in ihrem Diskurs schreiben (Auszug): „... Es geht nicht so sehr um die Art, wie Rechtsextreme immer wieder Menschen töten, vielmehr geht es darum, anzuerkennen, dass diese Ideologie den Boden für derartige Verbrechen bereitet. Extrem rechte Organisationen dienen hierbei als „Durchlauferhitzer“. Hier erwerben die Täter ihre Kontakte, festigen ihre Ideologie und radikalisierten sich...“(Ende des Auszugs), vermitteln sie den Eindruck, als träfe das nur auf extrem rechte Organisationen zu. Die RAF „der frühen 70er Jahre“ in den alten Bundesländern hat ebenso eindrucks- wie verhängnisvoll gezeigt, dass das auf linksextreme Organisationen nicht weniger zutrifft.

Und wenn nun in dem Diskurs die Vorstellung vermittelt wird, die begangenen Morde seien in der Konsequenz jener Ideologie abzusehen gewesen, sei dem die Aussage aus einem Interview der TA mit dem ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (TA vom 28.11.) gegenüber gestellt: Frage: „Wie bewerten Sie heute das Agieren der Thüringer Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit den Jenaer Bombenlegern?“ Antwort: „Es ist mir völlig unverständlich, wie das, was passiert ist, passieren konnte und dies niemand gemerkt hat. Niemand – beziehe ich nicht nur auf Thüringen, sondern auf die Länder, in denen dann diese Untaten geschehen sind. Dass niemand in den Ländern und im Bund auf die Idee kam, eine Fährte in das Lager des Rechtsradikalismus zu verfolgen, ist mir unverständlich.“ (Ende des Auszugs). Für die beiden Autorinnen besagten Berichtes aber war und ist es ganz klar. Man hätte sie fragen, auf sie hören sollen. Oder sind auch sie erst danach klüger (wissender) geworden? Damit soll es hier sein Bewenden haben

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