Montag, 26. Dezember 2011

Wird Weihnachten nicht in uns selbst entschieden?


Beim Surfen durch die Zeitungslandschaft im Internet wurde ich kürzlich auf die Weihnachtswerbung eines Elektronikmarktes aufmerksam, in der es heißt:„Weihnachten wird unterm Weihnachtsbaum entschieden“. Es gab daraufhin Proteste der Kirchen und gläubiger Christen, die dagegen hielten, dass doch Gott selbst Mensch geworden ist und wir seinen Geburtstag in der Krippe feiern, seine Geburt in einem Stall.

Ich weiß nicht, ob dieses Problem auch Thema der einen oder anderen Ansprache in den Weihnachtsgottesdiensten war. Ich weiß es schon deshalb nicht, weil ich seit Tagen erhebliche gesundheitliche Probleme habe, die mich hinderten, an Heiligabend die Christvesper in St. Blasii, oder an den Feiertagen den Weihnachtsgottesdienst im Dom zu besuchen. Ich werde aber noch auf diese Problematik zurückkommen.

Nachdem ich also keinen Gottesdienst besuchen konnte, hörte ich daheim u.a. am ersten Feiertag den Festgottesdienst aus dem Freiburger Münster und danach den Papstsegen Urbi et Orbi, aus Rom. Ebenso aber freute ich mich, die Ansprache des Bischofs von Görlitz, Wolfgang Ipoldt, hören zu können Er hielt ja am 4. Adventsonntag im Dom zum heiligen Kreuz hier in Nordhausen ein Pontifikalamt, um sich damit bei den mehr als hundert Gästen zu bedanken, die zu seiner Einführung in sein Amt kürzlich in Görlitz nach dort gereist waren.

Ich war weder in Görlitz, nach jetzt beim Pontifikalamt. Umso interessierter verfolgte ich seine Weihnachtsansprache in Görlitz unter dem Motto: „Die Strahlkraft des Glaubens“und besorgte sie mir, um sie hier wiederzugeben:

Liebe Schwestern und Brüder im  Herrn, liebe Gäste!
Seit langem hat es sich eingebürgert, dass in vielen Orten die Kirchen von außen angestrahlt werden. Oft handelt es sich ja gerade bei den Kirchen um besondere historische Bauten mit einer kostbaren Architektur.
Manchmal wirken die Kirchen erst im Dunkeln besonders schön, wenn sie durch Scheinwerfer erleuchtet werden. So werden sie als wichtige Bauwerke im Bild einer Stadt auch hervorgehoben; oft stehen sie an markanten Plätzen oder gar in der Mitte eines Dorfes oder einer Stadt.  Ich freue mich, wenn ich unsere Gotteshäuser so angestrahlt sehe.
Aber ich gebe zu: manchmal denke ich dabei auch: Müsste es nicht umgekehrt sein? Sollten die Kirchen statt von außen beleuchtet zu werden, nicht eigentlich von innen her strahlen und so an Ausstrahlungskraft gewinnen? Wenn die Fenster der Kirche erleuchtet sind, dann kann man das auch von außen sehen – und alle Menschen entdecken: Hier wird Gottesdienst gefeiert. Aber das ist noch nicht alles.  Die innere Strahlkraft der Kirche (ich meine an dieser Stelle nicht das Gebäude!) kommt von anderswo her und sie hat zutiefst mit Weihnachten zu tun, mit dem Fest, dass Christen heute auf der ganzen Welt feiern.
Wer aufmerksam auf das eigene Christsein schaut, und insbesondere auf die Kirche in den Ländern Mittel- und Westeuropas, der wir manchmal zugeben: Da haben sich viel Oberflächlichkeit und auch Laxheit eingeschlichen. Da spielt das Äußere manchmal eine sehr große Rolle – aber es fehlt die Strahlkraft von innen! Wir brauchen dabei nicht mit Fingern auf andere zu zeigen – das alles beginnt  in jedem Christenleben. Mit dem Glauben und der Konsequenz der Nachfolge ist es wie mit einem kostbaren Silberbesteck: Wenn es nicht genutzt wird, wird es schwarz und verliert seinen Glanz.
Oder anders gesagt: Das Leben der Kirche und auch einer Pfarrgemeinde kann weiter ablaufen und funktionieren (dafür haben wir hierzulande eine einigermaßen gute Ausstattung) – aber es kann geschehen, dass uns die innere Mitte und der Grund unseres Tuns verloren gehen oder in den Hintergrund treten. Das ist es worauf uns Papst Benedikt bei seinem Besuch in Deutschland eindringlich aufmerksam machen wollte, wenn  er immer wieder von dieser Innenseite des Christseins gesprochen hat und uns mehrfach gemahnt hat, das Äußere – er sprach zum Beispiel von Privilegien - nicht so wichtig zu nehmen bzw. manchmal auch bewusst manches loszulassen.
Woher kommt also die innere Strahlkraft der Kirche und unseres eigenen Glaubens?
Sie kann letztlich nur von Christus kommen.
"Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit (…) ein Skandal. Dass der ewige Gott sich um uns Menschen kümmern, uns kennen soll, dass der Unfassbare zu einer bestimmten Zeit  an einem bestimmten Ort fassbar geworden sein soll,…das zu glauben ist für die Menschen allemal eine Zumutung. Dieser Skandal, ist unaufhebbar, wenn man nicht das Christentum selbst aufheben will…" (Benedikt XVI., Rede vor engagierten Katholiken in Freiburg am 25.09.2011)
Ja, es gehört eine Menge dazu, unter all dem Äußeren, das zu Weihnachten durchaus auch gehören darf, diese Wahrheit zu entdecken, den Kern dieses heutigen Tages neu zu sehen.
Ich sage es mit den Worten, die uns heute in der Liturgie verkündet werden: "Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt…hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit…" (Hebr 1,1-2. Lesung der Messe vom Tage)
Und im Evangelium hat es der Evangelist Johannes so ausgedrückt: "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt...er kam in sein Eigentum, aber die Seinen  nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben…" (aus Joh 1, 10-12 – Evangelium der Tagesmesse von Weihnachten)
Es ist wirklich unüberbietbar, was Gott an Weihnachten tut – das meinen die biblischen Schriftsteller. Das was an Weihnachten geschieht, stellt alles in den Schatten, was Gott bisher für die Menschen getan hat! Gott spricht sein letztes und endgültiges Wort zu dieser Welt, die ihm so am Herzen liegt – und dieses Wort ist eine Person, sein geliebter Sohn, der Menschenantlitz trägt. "Gott, du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt", so betet die Kirche am Weihnachtstag in einer jahrhundertealten Oration.
Dass wir als Christen innere Strahlkraft haben, liegt demnach zuerst an dem Geschenk, das Gott uns gemacht hat! Es war seine Idee allein, unter uns zu wohnen (zu "zelten") (vgl. Joh 1, 14) und uns seine Herrlichkeit zu zeigen. "Wir haben seine Herrlichkeit gesehen…voll Gnade und Wahrheit", kann Johannes lobpreisend ausrufen.
Aber ich füge gleich hinzu: Ein Geschenk bedarf der aufrichtigen Annahme – es gibt nichts Schlimmeres als ein abgelehntes oder nur lieblos angenommenes Geschenk! Das ist im zwischenmenschlichen Bereich so und das ist erst Recht gegenüber Gott so. Es braucht also das offene Herz, es braucht das offene Ohr wie bei Maria, dafür dass Gott mit seinem Geschenk bei uns ankommen kann.
Wie das gelingen kann, das fasse ich in drei kleinen Sätzen zusammen:
a)      Wichtiger ist, dass Gott zu Wort kommt – als dass alle unsere Erwartungen und Ansprüche befriedigt werden!
Das tun wir, wenn wir heute hier den Weihnachtsgottesdienst feiern. Wir sind hierher gekommen, um IHN zu hören und zu sehen – dieses Wort, das unter uns Fleisch geworden ist. In den Krippendarstellungen unserer Kirchen können wir das anschauen und betrachten. Das wird uns die innere Strahlkraft geben, die uns aus ganzem Herzen Weihnachten feiern lässt. Aber diese Einstellung darf uns im Alltag nicht verlassen. Sie muss uns tragen an jedem Tag: Was hast du, Gott, mir zu sagen?  Zu diesem Tag… – zu diesem meinem Verhalten… - in dieser Entscheidung…?? Das wird unserem Leben Tiefe geben und unserem Glauben Profil. 
b)      Wichtiger ist, Weniges(Kleines) zu achten, als sich im Vielerlei zu verlieren.
Jesus ist in einer Krippe zur Welt gekommen – in einem Winkel der Welt. Das war ein kleiner Anfang mit großer Sprengkraft. Diese Tatsache sollte die Kirche von heute etwas lehren: Das Kleine, das Bescheidene und (noch) Verborgene ist wie ein Samenkorn, aus dem etwas wachsen kann. Die Kirche von heute erliegt oft genug der Gefahr, sich im Vielerlei zu verlieren, in einem aufgeregten Aktivismus, der – so scheint es – die eigene Haut retten will. Weihnachten lehrt uns auf den Stall von Betlehem zu schauen und von hier zu lernen, das Kleine zu achten und Gott zuzutrauen, dass ER daraus etwas machen kann – auch bei uns.
c)    Wichtiger als Strukturen und Institutionen ist der Geist, der in uns betet.
Wie schnell ist die Kirche in ihrer Geschichte in der Gefahr gewesen, sich einzurichten, sich zufrieden zu geben, wenn alles einigermaßen gut funktioniert. Wir sehen heute deutlicher: Strukturen sind nur der Rahmen – aber darin muss Gottes Geist wirken können. Weihnachten lehrt uns beten:
"O betet: Du liebes, Du göttliches Kind was leidest Du alles für unsere Sünd’! Ach hier in der Krippe schon Armut und Not, am Kreuze dort gar noch den bitteren Tod." –  so heißt es in einer Strophe des bekannten Liedes "Ihr Kinderlein kommet…" Wer betet, der wird von innen her bereit, Gott einzulassen – das Geschenk anzunehmen, das er selber ist.
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
dass Kirchen von außen angestrahlt werden ist schön und es kann unseren Städten und Dörfern ein schönes Gesicht geben. Aber Sinn macht das erst, wenn unsere Kirchen mit Menschen gefüllt sind, die gläubig sind und wenn wir als Kirche Jesu Christi unsere innere Strahlkraft behalten. Das sollten wir an diesem Fest füreinander und für die Kirche in der ganzen Welt erbitten. Amen.
Bild: Bischof Wolfgang Ipolt.(Rechte: Kath. Kirche NDH)

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