Femke Soetenga singt in der Musicalgala im Rahmen der TN LOS! Sommernächte 2020 im Schloss Heringen
Das Interview führte Birgit Susemihl
Musical-Star
Femke Soetenga gab ihr Nordhäuser Debüt 2007 in der Rolle der Florence
Vassy in „Chess“ und war seitdem immer wieder gern gesehener Gast im
Theater Nordhausen
und bei den Thüringer Schlossfestspielen Sondershausen. Hier hätte sie
in diesem Sommer als Milady de Winter in „3 Musketiere“ auf der Bühne im
Schlosshof gestanden. Ein Wiedersehen mit Femke Soetenga gibt nun es ab
26. Juni bei den TN LOS! Sommernächten 2020
im Heringer Schlosshof, wo sie in der Musicalgala „Broadway Forever“
unter anderem „Ich hab‘ geträumt“ aus „Les Misérables“, „Milady ist
zurück“ aus „3 Musketiere“ und „Sie ergibt sich nicht“ aus „Rebecca“
singen wird.
Die
Musicalgala in Heringen ist die erste Vorstellung des Theaters
Nordhausen seit der Corona-Krise. Wann hast du zum letzten Mal auf einer
Bühne gestanden?
Der letzte Auftritt live mit Publikum war der Bühnenball am 6. und 7. März im Theater Nordhausen.
Hast du gerade für eine Produktion geprobt, als die Coronakrise begann?
Nein,
ich hatte Vorstellungen. In Nordhausen habe ich die Titelfigur in
„Evita“ gespielt und in Schwerin Florence in „Chess“. Mitte Mai hätten
die Proben für „3 Musketiere“
bei den Thüringer Schlossfestspielen Sondershausen begonnen. In
Nordhausen hätte ich noch die Konzertreihe „Evita and Friends“ gesungen.
Am 13. März – das war wirklich ein Freitag, der Dreizehnte – kam eine
Hiobsbotschaft nach der anderen. Ein paar Theater
haben noch gehofft, dass es irgendwann im Sommer weitergehen kann, aber
auch sie haben letztendlich absagen müssen.
Ich
war zu Hause in Hamburg. In den ersten zwei Wochen war ich sehr
enttäuscht und fühlte mich machtlos. Ich hätte nie gedacht, dass man von
einem Tag auf den anderen
ein ganzes Land schließen kann und nichts mehr so ist wie vorher.
Machtlosigkeit setzt sich bei mir immer in Tatendrang um. Deshalb habe
ich in meiner Wohnung viel renoviert.
Dann
kamen bald die Überlegungen, was ich in dieser Situation tun kann. Ich
habe angefangen, online zu unterrichten. Ich unterrichte sowieso, aber
über Skype habe ich
sogar einige Studenten dazubekommen, die ich normalerweise nicht
unterrichtet hätte, weil sie irgendwo anders in Deutschland leben.
Wie hast du deinen Unterricht auf online umgestellt?
Eigentlich
ging das ziemlich einfach, ich war selbst überrascht. Die
Gesangsübungen spiele ich bei mir auf dem Klavier und die Studenten
singen sie bei sich. Ich kann
sehen, wie sie atmen und wie sie dastehen. Und ich habe gute Kopfhörer,
so dass ich alles höre! An den Songs arbeiten wir mit Playbacks bei den
Studenten. Das ist kein großer Unterschied zum normalen Unterricht.
Zusätzlich
habe ich in dieser Zeit angefangen, Präsentationsunterricht zu geben.
Ich bin keine Logopädin, es ist kein logopädischer Unterricht, sondern
Präsentationstraining
mit Pflege der Stimme. Das habe ich vorher nie gemacht.
Hast du noch andere neue Wege gefunden, dich mit deiner Kunst zu beschäftigen?
Ich
habe zusammen mit einem Pianisten, den ich als Dirigent bei den
Freilichtspielen Tecklenburg kennengelernt habe, ein Duo namens Gin
Tuneic gegründet und damit auf
der Plattform twitch vier Online-Konzerte gegeben. Außerdem bin ich in
einem Online-Konzert von Kollegen aufgetreten. Auf dieser Plattform kann
man nebenbei mit den Zuhörern chatten. Dadurch gibt es einen
Live-Charakter. Denn was mir fehlte, war der Austausch
mit dem Publikum. Man merkt im Theater einfach, dass Leute da sind,
dass sie atmen, an deinen Lippen hängen. Der Chat hat das ein bisschen
wieder gutgemacht, auch wenn es natürlich nicht dasselbe ist. Im Moment
ist das emotional für Menschen, die gerne ins
Theater gehen und das jetzt nicht dürfen, und für uns, die gerne im
Theater arbeiten, auf jeden Fall eine Alternative.
Die
Theater dürfen jetzt langsam wieder mit Vorstellungen beginnen. Was
haben die Schließungen aus deiner Sicht für das Publikum bedeutet?
Es
gibt ja gerade jetzt dieses Wort „systemrelevant“. Damit tue ich mich
schwer. Natürlich verstehe ich, dass wir keine primären Bedürfnisse
stillen wie Ärzte oder Lieferanten
von Lebensmitteln. Aber trotzdem darf man nicht unterschätzen, was das
Theater emotional leisten kann und wie wichtig es ist, dass Leute drei
Stunden ins Theater gehen, ihre Alltagssorgen vergessen und abschalten
können. Ich denke, dass dieser emotionale Aspekt
für viele sehr wichtig ist.
Unsere
Berufsgruppe ist die letzte, die wieder voll arbeiten kann. Es gibt
sehr viele Regeln über die man sonst überhaupt nicht nachdenkt, das ist
eine Umstellung. Aber
ich bin so froh, dass es mit der Musicalgala in Heringen überhaupt
wieder losgeht, dass wir wieder Konzerte mit einem Orchester und
mehreren Sängern geben können!
Hast du in der Corona-Zeit neue Hobbies entdeckt, weil du mehr Zeit hattest?
Normalerweise
bin ich viel unterwegs und in Hotels. Einfach mal zu Hause zu sein und
die Wohnung zu genießen, das war wirklich Luxus. Ich habe meinen Balkon
mit Blumen
und Pflanzen ausgestattet, was ich normalerweise nicht machen kann,
weil ich zu selten zu Hause bin und sie nicht pflegen kann.
Außerdem
schreibe ich schon länger Kurzgeschichten. Die habe ich in der freien
Zeit zusammen mit einem Lektor überarbeitet. Jetzt suche ich gerade
einen Verleger dafür.
Ich weiß aber noch nicht, ob ich sie nur als Buch herausbringen möchte
oder auch als Hörbuch oder Podcast, weil ich sie dann selber erzählen
könnte.
Mit dem Theater Nordhausen bist du schon seit „Chess“ 2007 verbunden. Was sind deine schönsten Erinnerungen an Nordhausen?
Ich
habe in Nordhausen ganz viele schöne Stücke gespielt. „Chess“ war meine
allererste Produktion an einem Stadttheater. Das war eine ganz neue
Erfahrung für mich. Ich
habe in Nordhausen immer das Gefühl, willkommen zu sein. Die Stimmung
ist sehr zugänglich und offen. Ich hatte auch immer das Gefühl, dass
das, was ich mache, geschätzt wird. Ich weiß nicht, ob ich irgendwo
anders die Chance bekommen hätte, Kathy Selden in
„Singin‘ in the Rain“ zu spielen. In Nordhausen war das möglich, weil
es nicht um Typecasting ging, sondern um die Qualität, die man liefern
kann. Das ist natürlich das Schönste, was einem als Künstler passieren
kann.
Wie empfindest du deine Entwicklung in diesen Jahren?
Für
mich kann ich nur sagen, dass man mit der Zeit seine Mitte findet. Dass
man zufriedener sein kann mit sich selbst. Ich habe immer noch sehr
hohe Ansprüche an mich,
aber ich mache mich jetzt nicht mehr selbst so fertig, wenn mal ein
Fehler passiert. Das hat mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun,
damit, dass ich gewachsen bin. Das zeigt sich am besten an „Chess“: Die
Rolle der Florence kam alle paar Jahre wieder auf
meinen Weg. Trotzdem war sie jedes Mal anders, weil ich immer an einem
anderen Punkt in meinem Leben stand und andere Dinge einbringen konnte.
Dadurch merke ich, wie ich mit dem Theater erwachsen geworden bin und
wie die Rolle der Florence mit mir gewachsen
ist. Es ist ein schönes Geschenk, das durch diese Rolle mitzuerleben.
Wie geht es in der nächsten Spielzeit für dich weiter?
Wir
gehen davon aus, dass man ab Ende August theoretisch wieder spielen
darf, aber ob das realistisch ist, weiß ich nicht. Deswegen sind die
meisten Theater noch sehr
zögerlich in ihren Aussagen. Man kann davon ausgehen, dass es Anfang
nächsten Jahres wieder einigermaßen normal läuft.
Es ist schön, dass wir mit den Open-Air-Konzerten in Heringen ein Zeichen setzen können, dass das Theater noch da ist!
Karten für die
Vorstellungen der Musicalgala „Broadway forever“ am 26. und 28. Juni
sowie am 3., 5., 11., 18., 24. und 25. Juli jeweils 19.30 Uhr sowie für
die weiteren Konzerte der „TN LOS! Sommernächte 2020“
gibt es im Internet unter www.theater-nordhausen.de
sowie an der Theaterkasse (Tel. 0 36 31/98 34 52) und an den meisten,
wieder geöffneten, Vorverkaufsstellen der Theater
Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen
GmbH.
Foto: Femke Soetenga (Fotograf: Julian Freyberg)
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