Zeigen
Menschen der oberen sozialen Schichten weniger soziales Verhalten als
Menschen der unteren? Spenden sie beispielsweise einen geringeren
Teil ihres Einkommens für wohltätige Zwecke? Bisherige
psychologische Studien kamen tatsächlich zu dem Ergebnis, dass sich
Menschen aus den unteren sozialen Schichten bedingt durch ihre eigene
schwierige Lebenssituation stärker um das Wohlergehen Anderer
kümmern als Menschen aus höheren sozialen Schichten. Psychologen
der Universitäten Leipzig und Mainz konnten dies in einer aktuellen
Studie nicht bestätigen.
Die Analysen der Wissenschaftler ergaben ein unerwartetes Bild: Verglichen mit Angehörigen aus unteren sozialen Schichten waren Angehörige oberer Schichten zumeist gemeinnütziger, vertrauensvoller, hilfsbereiter und freigiebiger. So gaben sie in einem digitalen ökonomischen Spiel, bei dem um reales Geld gespielt wurde, mehr an einen ihnen zugeteilten Unbekannten weiter. Dabei war dieser Befund weitestgehend unabhängig davon, welches Land untersucht wurde (Deutschland, USA oder eines von 28 weiteren Ländern) und welches Maß für die soziale Schicht benutzt wurde (Einkommen, Bildung, Jobprestige oder eine subjektive Einschätzung des eigenen sozialen Ranges).
"Die Ergebnisse sind gerade im Hinblick auf die aktuell immer größer werdenden sozialen Ungleichheiten wichtig", sagt Martin Korndörfer. "Sie zeigen, dass Angehörige der mittleren und oberen sozialen Schichten den sozialen Anforderungen, die an sie gestellt werden, in größerem Maße gerecht werden, als man dies aus den Ergebnissen bisheriger psychologischer Studien erwarten konnte."
Den Widerspruch zu früheren Studien, denen zufolge Menschen aus unteren sozialen Schichten sozialer eingestellt seien, erklären sich die Autoren durch die bisher verbreitete Verwendung von überwiegend kleinen Stichproben, "häufig bestehend aus amerikanischen Studierenden, die sich schlichtweg kaum in ihrer sozialen Klasse unterscheiden", so Korndörfer. "Letztlich handeln besser Gestellte wohl weder immer sozialer als weniger gut Gestellte, noch ist es anders herum", resümiert der Leipziger Wissenschaftler. "Es gibt sicher Unterschiede abhängig davon, welches konkrete Verhalten betrachtet wird und wichtige Begleiterscheinungen, die wir noch nicht genau kennen. Was wir jedoch sagen können: Die von Psychologen gern aufgestellte Behauptung, die Oberschicht sei generell weniger hilfsbereit, ist so vermutlich nicht richtig."
Susann Huster Pressestelle, Universität Leipzig
Fachveröffentlichung:
A Large Scale Test of the Effect of Social Class on Prosocial Behavior
Martin Korndörfer, Boris Egloff, Stefan C. Schmukle
Veröffentlicht am 20. Juli 2015
DOI: 10.1371/journal.pone.0133193
Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 03.08.2015
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