Nordhausen
(psv) Im Auftrag der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU-Bund Berlin) hat Dr.
Hanna Labrenz-Weiß, wissenschaftliche
Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung und Forschung, die
Kreisdienststelle der Staatssicherheit Nordhausen untersucht und ein
Manuskript für ein 220-seitiges Buch mit 40 Seiten Anhang erstellt.
Über
die Erkenntnisse ihrer Forschungsarbeit informierte sie unlängst
Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh bei einem Gespräch im Nordhäuser
Rathaus.
„Wir
sind es den Opfern schuldig, für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen“,
sagte Oberbürgermeister Klaus Zeh. Auch der kommenden Generation müsse
das Herrschaftssystem
der DDR erklärt werden. Er begrüßte es deshalb sehr, dass diese
Forschungsarbeit weiter über die konkreten Macht- bzw. Abhängigkeitsverhältnisse regionaler Herrschaftsformen des MfS aufklärt.
„Da
der Kreis Nordhausen eine enorme wirtschaftliche und auch strategische
Bedeutung innerhalb der DDR hatte - das Produktionsaufkommen der
Nordhäuser Betriebe IFA, NOBAS,
Schachtbau, Hochbau, Hydrogeologie, oder Fernmeldewerk nahm
beispielsweise den zweiten Platz im Bezirk hinter dem Kreis Erfurt ein -
spiegelte sich dies auch in der organisatorischen und personellen
Ausstattung der Kreisdienstelle des Ministeriums für Staatssicherheit
(MfS) wider“, erklärt Dr. Hanna Labrenz-Weiß. Deren Daten genau zu
erfassen, habe zunächst am Anfang aller Analysevorhaben gestanden.
Die
Stasi-Kreisdienststelle Nordhausen habe sich besonders angesichts des
guten Aktenbestandes, ebenso aber auch wegen der volkswirtschaftlich
herausgehobenen Stellung
des untersuchten Feldes, für eine derartige Studie in besonderem Maße
geeignet. Erforscht wurde sie in ihrer Organisationsstruktur, nach der
Struktur ihrer jeweiligen Arbeitsweisen, erweitert durch ein
Analyseverfahren mit der Untersuchung ihres offiziellen
Personalbestandes sowie des inoffiziellen Netzes
„Das
aus meiner Sicht wichtigste Kapitel, das sich auf ein Studium der Akten
von 1950 bis 1989 stützt, trägt den Arbeitstitel:
Herrschaft und Gesellschaft im Kreis Nordhausen“, erklärte sie weiter.
Hierzu wurden alle IM-Akten aus den 50er Jahren und jeweils 100 bis 150
aus den 60er, 70er und 80er Jahren ausgewertet. Darüber hinaus wurden
alle aktiven GMS-Vorgänge (GMS= Gesellschaftliche
Mitarbeiter für Sicherheit, die in leitenden Funktionen in den
Betrieben arbeiteten und keine Verpflichtung unterschrieben) untersucht.
Dieses
breite Aktenstudium zeige, wie die SED-Herrschaft im Alltag
funktionierte, welche Disziplinierungsmechanismen griffen
bzw. scheiterten, auf welche Formen von Zustimmung, Anpassung oder
Widersetzen sie trafen und welche Rolle die lokale Staatssicherheit als
ein zentrales Element des DDR-Herrschaftssystems dabei spielte, so die
Buchautorin. Dieses Kapitel ihrer Studien belege
aber auch, dass Spitzeldienste nicht die Regel, sondern eher die
Ausnahmen (hauptsächlich in den 50er Jahren) waren, und dass die Zahl
der geführten informellen Mitarbeiter oder der gesellschaftlichen
Mitarbeiter für Sicherheit nicht der tatsächlichen Zahl
der inoffiziellen Mitarbeiter entspricht. So wurden im Jahre 1988 zum
Beispiel im Auftrag der
Auswertungs- und Kontrollgruppe der Bezirksverwaltung Erfurt
fast 50% der IM-Vorgänge sofort archiviert, da sie nur als „Karteileichen“ geführt wurden.
Die
Vorstellung der Forschungsergebnisse durch Frau Dr. Hanna Labrenz –
Weiß, BStU, ist in Kooperation mit dem Verein „Gegen Vergessen – Für
Demokratie e.V.“ und der
FLOHBURG |Das Nordhausen Museum, am 21. April 2015, um 19 Uhr, in der
Flohburg geplant.
Foto: Dr. Hanna Labrenz-Weiß (Foto: privat)
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