Freitag, 30. Januar 2015

Es wird weiter geflunkert und spekuliert

Ich bin, wie ich meine, ein aufmerksamer Zeitungsleser – zumindest soweit es deren Internet-Ausgaben betrifft – aber bei aller Mühe vermag ich trotzdem nicht zu sagen, was genau der Ausstieg Griechenlands aus der EU für Griechenland und Europa bedeuten würde. Ich wundere mich auch, dass die EU angeblich überrascht und verärgert ist, weil Griechenland seine bisherige aufgezwungene Sparpolitik aufgibt, obwohl doch der nunmehrige Ministerpräsident Alexis Tsipras schon im Wahlkampf ankündigte, dass er das tun würde!? Die Medien jedenfalls bringen mir keine Aufschlüsse.


Nicht viel anders geht es mir mit dem Ukraine-Komplex: ich kann mir nach den Medien- oder Zeitungsberichten kein klares Bild machen über Kampfhandlungen der Ukrainischen Armee oder der Separatisten, ich weiß nichts über Art und Umfang der Unterstützung der Separatisten durch Russland und ich habe keine Ahnung, wie sich die Sanktionen der Europäischen Gemeinschaft auf Russland auswirken. Aber ebenso wenig ihre Folgen auf die deutsche Wirtschaft. Und schließlich habe ich auch keine Antwort auf die Frage, ob nun der Islam zu Frankreich oder zu Deutschland gehört. Über alles wurde und wird viel geschrieben, aber nirgendwo klare Vorstellungen dafür oder dagegen vermittelt. Apropos Islam: Henryk M. Bröder schrieb gestern in der „Welt“ über „Der normale Wahnsinn des Islam“. Und ich weiß noch nicht einmal genügend über den normalen, den gelebten Islam. Ich stehe zwar zu, dass die Presse keine wirklichen Antworten hat, aber nur zu schreiben ohne wirkliche Aussagen machen zu können, ist meines Erachtens reiner Populismus.


Und wenn ich mich von diesen Themen abwende und mich über Vorgänge im Lande informieren will, lande ich unweigerlich früher oder später bei „Pegida“. Aber auch darüber wird nur viel be- und geschrieben, aber wenig wirklich ausgesagt. Kein Wunder deshalb, dass laut einer Umfrage, die „Focus“ bei dem Institut INSA in Auftrag gegeben hat, jeder zweite Deutsche findet , dass Medien über die Pegida-Demonstrationen nicht objektiv berichten. Besonders Nichtwähler (71 Prozent) und AfD-Anhänger (79 Prozent) sind laut Focus dieser Auffassung (Auszug): „Auch bei Wählern der Parteien Die Linke (52 Prozent) und der FDP (51 Prozent) fällt das Urteil über die Medien-Berichterstattung mehrheitlich negativ aus.“(Ende des Auszugs). Die Meinungsforscher von INSA befragten für „Focus“ über 2.019 Bürger im Zeitraum vom 16. bis 19. Januar 2015. Dazu zwei Beispiele:


Das Team um den Politikwissenschaftler Hans Vorländer hatte für eine Studie den Angaben zufolge bei drei Demonstrationen im Dezember und Januar rund 400 Teilnehmer befragt. Auf der Grundlage der Angaben entwarfen die Wissenschaftler das Bild des typischen Demonstranten: Dieser verfügt demnach über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches Nettoeinkommen, ist 48 Jahre alt und männlich. Er gehört keiner Konfession an, ist keiner Partei verbunden und stammt aus Dresden oder Sachsen. Es gehen laut der Untersuchung auch keineswegs vor allem Rentner und Arbeitslose auf die Straße: 70 Prozent der befragten Teilnehmer sind demnach berufstätig.(T-Online vom 14.01.15) Und laut Politikprofessor Werner Patzelt von der TU Dresden ist dort Grund der Demonstrationen das konservative Umfeld (Auszug): „Die Stadt ist eine der letzten CDU-regierten Metropolen. Auch das Umland gilt als konservativ. In eher linken Städten wie Köln, Hamburg oder Berlin habe Pegida kaum eine Chance. Als weiteren Grund sieht Patzelt die ostdeutsche Angst vor Entmündigung. Viele fühlten sich demnach abgehängt und nicht repräsentiert. Das wecke Erinnerungen an die DDR. "Schon damals hat das politische System nicht auf die Menschen gehört und sich nur zum Nationalfeiertag beklatschen lassen", sagt der Politologe. Deshalb sei der Pegida-Slogan "Wir sind das Volk" auch als Weckruf zu verstehen: "Das soll heißen: Uns gibt es auch noch, hört auf uns, ignoriert uns nicht", glaubt Patzelt.“(Spiegel vom 18.01.) Trotzdem heißt es in der Presse stereotyp, die Demonstranten seien eindeutig rechtslastig, islamfeindlich und vielfach Hooligans. Patzelt: „Zudem ist das schnelle Wachstum von Pegida auch mit einer Trotzreaktion zu erklären. Viele Teilnehmer fühlen sich zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt. Der Nazi-Vorwurf habe dazu beigetragen, dass sich viele Menschen dann erst recht Pegida angeschlossen haben, sagt der Politologe.

Und nun liest man in der Presse unter dem Titel: „Was aus Pegida werden könnte“ (Deutsche Welle am 29.01.), die Führung der Pegida-Bewegung würde sich schrittweise auflösen. (Auszug): „Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel und fünf weitere Mitglieder der Führung der islamfeindlichen Bewegung Pegida legten am Dienstagabend bei einer Sitzung alle Funktionen und Ämter nieder. Die nächste Demonstration ist abgesagt“ (Ende des Auszugs). Und sofort wird spekuliert. „Eine große Zukunft für Pegida sehen Politikwissenschaftler und Soziologen nicht, was aus Pegida werden könnte.“ Nirgendwo Fakten, nirgends klare Aussagen, nur Vermutungen und Spekulationen. Meinen letzten Eintrag dazu schloss ich mit der Aussage: „Über den weiteren Verlauf könnte man spekulieren. Oder halt abwarten.“ Die Presse kann dazu einen Unterhaltungsbeitrag leisten, zuverlässige Informationen bietet sie nicht. Leider.

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