Die Gedenkveranstaltungen und Berichte anlässlich des Mauerfalls
vor 25 Jahren und insbesondere der Themenbericht in der „Thüringer
Allgemeine“ vom 3. November, nach dem es in der DDR keinen echten
Journalismus gab, hat mein Erinnerungsvermögen an frühere Zeiten
langsam wieder wach werden lassen. Und da wurde mir bewusst, dass es
nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches auch unter meinen älteren
Bekannten nicht wenige gab, die ja „schon immer“ dagegen waren.
Gegen das Nazi-System nämlich. Manche, von ihnen allerdings „nur
insgeheim“, die man zuvor als stramme Parteigenossen kannte. Und
seit es die DDR nicht mehr gibt, habe ich nur wenige kennengelernt,
die sich offen zu diesen untergegangenen System bekannten. Außer den
Mitgliedern der früheren PDS und nunmehrigen Linkspartei. Ich habe
Respekt vor ihnen. Einfach deshalb, weil sie sich in gutem Glauben zu
etwas bekannten, von dem man offensichtlich heute noch immer nicht
recht weiß, ob es ein Unrechtsstaat war oder nicht.
Und ein besonderes Bewenden hatte es ja wohl mit dem Journalismus
in der DDR, wenn ich den erwähnten Bericht von Hanno Müller richtig
verstanden habe. Nun lese ich gerade heute vor dem Hintergrund eines
möglichen Linksbündnisses in Thüringen von der Forderung der SPD
gegenüber der CDU, wonach diese endlich ihre Vergangenheit
aufarbeiten solle („Spiegel“-online von gestern). Und ich frage
mich schon, ob diese ganzen Diskussionen, die man doch vor Jahren
schon mal hatte, neu aufbereitet werden?
Von denen der Journalismus zu DDR-Zeiten immer ausgenommen war.
Und in der TA nun ein Bild gezeichnet wurde, nach dem die
Journalisten in der DDR – von denen man doch damals ein Bekenntnis
zum Sozialismus verlangte – nicht nur ein solches ablegten um als
„kollektive Agitatoren und Propagandisten“ zu wirkten um erst mit
der Wende ihre „wahre“ Aufgabe als „echte Lebenshelfer und
Begleiter des Systemwandels“ wahr zu nehmen. Immerhin aber schließt
Hanno Müller seinen Bericht mit einen Anflug von nüchternen
Realismus (Auszug): „Wo die Selbsterkenntnis doch stattfindet, ist
sie schmerzlich. So wie bei Alexander Osang, der nach der Wende
schreibt: „Die Frage , was aus mir geworden wäre, wenn sich die
Ereignisse nicht überschlagen hätten, macht mich ganz krank.“
Wer aber war schon so selbstkritisch? Doch, ich habe welche
kennengelernt, die man freilich finden musste. Die meisten anderen
drehten bestenfalls ihren Redaktionsstuhl um die eigene Achse und
setzten sich wieder, mit neuer Orientierung. Und unbeschadet von
ihrer Agitatoren- und Propagandisten-Vergangenheit („Was geht mich
die Verdummung von Lesern und Zuhörern bis gestern an?“)(Hanno
Müller: „Oftmals die gleichen Redakteure, die noch gestern
Beiträge über die Feinde des DDR-Sozialismus redigier(t)en...“).
Aber ganz so war es ja wohl auch wieder nicht. Und ich erinnerte
mich zum Beispiel an meine Besuche der Leipziger Messe in den
sechziger Jahren, und dabei an Journalisten und Redakteure, die sich
in Gesprächen und Vorträgen dialektisch und rhetorisch so
beschlagen, versiert und von ihrer „Sendung“ so überzeugt gaben,
dass ich mir als Zuhörer oder Gesprächspartner ziemlich hilflos
vorkam. Mir kam die Erinnerung an 1964, als die Filmfabrik Wolfen
ihre Agfa-Filme erstmals als Eigenmarke ORWO auf der Messe in Leipzig
vorstellte. Die Journalisten aus dem Westen meinten, ihre Kollegen
aus dem Osten zur Offenlegung der wirklichen Hintergründe bewegen zu
können. Die nämlich gab es. Und resignierten schließlich vor der
geschliffenen Rhetorik der Ost-Kollegen, die man zur Einführung
aufgeboten hatte. Ich wäre heute noch enttäuscht, müsste ich nach
dem TA-Bericht glauben, dass auch damals alles nur cleveres Geschwätz
gewesen sein soll. Eher stünde ich ihnen zu, dass sie nicht nur von
sich, sondern auch von dem überzeugt waren, was sie so geschliffen
und scheinbar absolut überzeugend vortrugen.
Vielleicht aber ist auch das eine Generationenfrage? In den
sechziger Jahren glaubte man (vielleicht) wirklich, den real
existierenden Sozialismus weiter und aus Überzeugung aufbauen und
gestalten zu können. Der TA-Bericht lässt jedenfalls erkennen, dass
ein Wille dazu jedenfalls später nicht (mehr) vorhanden war. Und nur
mehr als Job mit Überlebensbestreben verstanden wurde. Und
inzwischen zu einem Job ohne tiefere gesellschaftspolitische
Grundeinstellung wurde. „Die Wende der Journalisten“. Oder die
„Wendejournalisten“? Der Zeitgeist wirkt weiter.
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