Sonntag, 30. November 2014

Der Tod als steter Wegbegleiter

Erstmals choreographiert Jutta Ebnother, Ballettdirektorin des Theaters Nordhausen, ein Ballett für Kinder, hieß es unlängst in der Vorschau für das Ballett. „Ente, Tod und Tulpe“ nach dem Bilderbuch von Wolf Erlbruch . Das sich an Kinder ab fünf Jahren wendet. Seit langem schon sei die Mutter einer kleinen Tochter auf der Suche nach einem geeigneten Stoff für Kinder gewesen.


Die Ankündigung machte mich neugierig. Und schon während
der Aufführung überkam mich das Bedauern, nicht auch die Einstimmungs-Lesung zuvor von Bianca Sue Henne in der Kulturbibliothek besucht zu haben: neugierig war ich auf die choreographische Gestaltung durch die Ballettdirektorin und Grund zum Bedauern sehe ich in der Einsicht, dass dieser Stoff nicht nur Kindern „ab 5 Jahren“ das Verhältnis der Ente zum Tod versöhnlich erscheinen lässt, sondern in geradezu philosophischen Sinne dieses Verhältnis Menschen jeden Alters zu vermitteln vermag. Und dass zur gestrigen Premiere
im TuD die gesamte künstlerische und personelle Verwaltungsebene unter den Besuchern auszumachen war, mag eben auch an dieser Sinngebung gelegen haben.


Der Bühnenbildner (Roland Winter) hatte diesmal nicht viel zu tun, um den Rahmen für das Ballett von Jutta Ebner zu schaffen. Neben einigen im Aufführungsraum verteilten Tulpen und einem seitlich sehr herbstlich wirkenden Baum war es eine Rückwand, die schemenhaft die musikalischen Akteure dahinter mehr
vermuten als erkennen ließ.
In diesen karg wirkenden Raum brachte die Ente (Kirill Kalashnikov), ganz enterisch kostümiert (entworfen von Elisabeth Stolze-Bley), stets flatterndes, aber anmutig wirkendes, musikalisch begleitetes Leben. Bis unvermittelt eine ebenso wirkungsvoll gekleidete (von Stolze-Bley entworfen) Gestalt erscheint, die sich auf die Frage der Ente als Tod (Fumiko Okusawa) zu erkennen gibt.
Den ersten Schreck bei der Ente mildert der Tod mit dem Hinweis, dass er doch schon immer ihr Leben begleitet, halt nur noch nicht körperlich in Erscheinung getreten ist. Und soll diese sichtbare Erscheinungsweise nun bedeuten, dass er die Ente mit sich nehmen will?
Sie sondiert und merkt, dass dieser Tod doch eigentlich nicht beängstigend, sondern durchaus freundlich und umgänglich ist. Worauf sich sogar ein persönlich wirkendes, freundschaftliche Verhältnis zwischen Beiden entwickelt. Zwar ist man mit Worten
recht sparsam, mimisch und gestisch aber entwickelt sich da gegenseitiges Verstehen: der Tod merkt, dass diese Ente bei aller „Flatterhaftigkeit“ ein eigenständiges Wesen ist. Als er friert, wärmt die Ente ihn. Sie verbringen einige Zeit miteinander, gehen zum See, der Tod lernt schwimmen, sie klettern ins Geäst des Baumes und als die Ente zu frieren beginnt, wird sie vom Tod gewärmt. Ein geradezu poetisches Stück für Kinder, das vom Schreck über Freundschaft, Spaß
bis zum schließlichen Abschied reicht, denn der zeichnet sich unausweichlich ab, wenn auch milde wirkend. Eigentlich sieht man nur immer die Beiden, von der Musik im angedeuteten Hintergrund effektvoll und situationsbezogen begleitet. So kreisen sie umeinander, berühren, umarmen sich, um dann wieder auf Distanz zu gehen Es scheint ein Spiel, das die beiden miteinander inszenieren. Ein eigenartiger Ritus. Ein Totentanz?
Der Tod kommt, um die Ente zu holen. Die Ente sträubt sich, ohne Chance am Ende. Aber das merkt sie schon nicht mehr. Zart niederrieselnder Schnee stimmt milde. Es ist geschehen. Der Tod schaute die Ente an. Sie atmete nicht mehr. Sie lag ganz still. Mit einer Tulpe auf dem Bauch lässt der Tod die entseelte Ente auf einem Fluss hinab treiben.
Was dieses Ballett sehr anschaulich darstellt, ist also die Frage nach dem Tod. Irgendwann überlegt wohl jeder Mensch sein Verhältnis zum Tod und stellt jedes Kind früher oder später eine solche Frage. Alle Erwachsenen müssen damit rechnen. Wolf Erlbruchs ebenso warmherziges wie melancholisches Bilderbuch, aus dem Bianca Sue Henne schon zur Einführung vorlas, kann ihnen die Antwort erleichtern. Und das von Jutta Ebnother danach choreographierte Ballett gibt auf seine Art Kindern, aber auch Erwachsenen traurig-freundlich eine Antwort.



Es war schon interessant zu beobachten, mit welcher
Spannung die in den ersten Reihen sitzenden Kinder der Handlung folgten und danach lange Beifall klatschten. Nicht weniger die dahinter sitzenden Erwachsenen, wohl mehrheitlich deren Eltern. Und die Akteure, von deren Leistung ich außerordentlich beeindruckt wurde - jeder in seinem Bereich -  nahmen den Beifall sichtlich dankend entgegen.

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