Samstag, 8. November 2014

„Tugendterroristen“ am Werk?

"Hetze" gegen Rot-Rot-Grün würden die Zeitungen in Thüringen bis auf eine Ausnahme betreiben. Speziell gehe es um zwei Journalisten. - Das twitterte sinngemäß die linke Landtagsabgeordnete Katharina König, schreibt die TA am 04.11. Und dieser Vorwurf rief den TA-Redakteur Jan Hollitzer auf den Plan. Der zwar erst einmal im Duden nachsehen musste, was „Hetze“ überhaupt bedeutet, um dann mit diesem Wissen erbost gegen die Landtagsabgeordnete und die LINKE in Thüringen zu polemisieren. Wie ja wohl schon sein Verweis auf den Duden Polemik war.


Nun unterstelle ich der MdL Katharina König, dass sie vor ihrer Äußerung nicht auch im Duden nachsah, sondern sich einfach volkstümlich ausgedrückte. Hollitzer hätte sachdienlich reagieren können. Dass er es vorzog, zu polemisieren und seinerseits versucht, König und die LINKE anzugreifen, entkräftet zwar den Vorwurf von König nicht, verfehlt aber wohl nicht seine Wirkung.


Und auch das erinnert mich an den Journalismus zu früheren DDR-Zeiten: da hätte ein Journalist den Vorwurf thematisiert und es im Ergebnis fertig gebracht, der „Hetze“ einen plausiblen Sinn zu geben, der den politischen Umständen entsprochen hätte. Dialektisch halt. Nicht, dass ich das wirklich seriös fand, die gekonnte und geschliffene Art des Argumentierens aber fand ich zwar weniger überzeugend, jedenfalls aber sehr beeindruckend.


Das ist lange her. Heutzutage argumentiert und entkräftet man nicht mehr, man reagiert aggressiv und diffamiert in subjektiver Weise. Dabei fällt mir einmal mehr die Selbsteinschätzung von Sonia Seymour Mikich ein, von 2002 bis 2011 Leiterin des ARD-Politmagazins Monitor (die ich schon wiederholt zitierte). In dem Buch „Wozu noch Journalismus?“ meint sie u.a.: „. . .Seien wir doch ehrlich, Journalisten stehen nicht mehr oben auf der Hit-Liste geschätzter und vorbildhafter Zeitgenossen. Außerhalb des Medien-Biotops, nämlich in der Wirklichkeit, ist der Blick auf unseren Berufsstand eher unfreundlich und es wird nicht feinfühlig unterschieden zwischen den Genres. Wir alle sind „die Medien“. Betrüblich aber wahr: Die Mitmenschen unterstellen, wir seien allesamt nur noch getrieben von guten Quoten, Auflagen, Klickzahlen. Dass wir Fehler schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben, wenn es um Kritik an uns selber geht. Dass wir Weltmeister im Ätzen und Besserwissen sind. Ob Print, Radio, Fernsehen oder Online: Viele Nutzer bekriteln – nicht grundlos – den Mangel an Tiefgang, an Persönlichkeiten, an Meinungsfreude. Sie erleben intellektuelles Versagen beim Deuten großer Zusammenhänge und geringe Lust am Einmischen. Und merken an, dass Feuerwehrleute, Lehrer, Briefträger oder Ärzte höhere Vertrauenswerte vorweisen können als „die“ Journalisten. Nebenbei: Jeder telegene Kleiderständer, jedes Model darf sich inzwischen Moderatorin nennen, jeder Handyschwenker Reporter. Das kann nicht gut sein für das Ansehen der Branche.“



Immerhin aber knüpft ja TA-Redakteur Hanno Müller in seiner Beschreibung des Journalismus in der DDR ( TA am 03.11.) in gewisser Weise an jene Rhetorik früherer Jahre an, wenn er argumentiert (Auszug): „Es sind eben diese DDR-Journalisten, die in den Wirren des Umbruchs zu echten Lebenshelfern und Begleitern des Systemwandels werden.“(Ende des Auszugs). Es hätte nur noch gefehlt, dass er statt Begleitern „Wegbereiter des Systemwandels“ geschrieben hätte. Soweit ging er aber doch nicht. Der Vorwurf der Hetze aber ist meines Erachtens trotz allen Drehens und Wendens nicht völlig ausgeräumt.

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