Mittwoch, 7. März 2012

Gnadenlos

Eine ganze Zeit habe ich überlegt, was ich diesem „Gnadenlos“ noch hinzufügen könnte. Und nichts ist mir eingefallen. Außer der nicht näher zu beschreibenden Fassungslosigkeit über eine Gesellschaft samt ihrer Medien, die einen Menschen verfolgt, bedrängt und ächtet, bis er aus dieser Gesellschaft verschwunden ist.

Es muss nicht besonders betont werden, dass damit Christian Wulff gemeint ist. Ich wollte eigentlich nichts mehr zu den Vorgängen um den zurückgetretenen Bundespräsidenten äußern, denn unabhängig davon, was am Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen als Ergebnis steht, gilt für Christian Wulff offensichtlich noch nicht einmal der Grundsatz, dass ein Mensch solange als unschuldig gilt, solange man ihm nicht wirklich etwas Strafwürdiges nachweisen kann. Und bislang ist das nicht der Fall.

Schlimmstenfalls kann man ihm derzeit zum Vorwurf machen, dass er dem Anspruch der Integrität und gesellschaftlichen Souveränität, der an einen Bundespräsidenten gestellt wird – und gestellt werden muss – nicht gerecht wurde. Dass er zu leichtfertigen Umgang mit seinen Bekannten oder Freunden pflegte. Mehr aber noch seinen Umgang mit den Medien, insbesondere zur „Bild“-Zeitung, völlig falsch handhabte. Und sich Blößen gab, die geradezu naiv waren. Die Folgen konnte jedermann in ihrer Systematik und Nachhaltigkeit leicht verfolgen.

In „Spiegel-online“ war am Montag eine Kommentar unter dem Titel: „Genug ist genug“ zu lesen, in dem sich der Autor Roland Nelles für ein sofortiges Ende der Debatte über Christian Wulff aussprach. Und das mit der Frage verband, warum Angela Merkel schweigt, durch die er ja einstens Bundespräsident werden konnte. Statt ihrer äußerten sich dafür inzwischen eine ganze Anzahl von Lesern – anonym wie inzwischen üblich – unter dem Tenor, dass Wulff kein Mitleid verdiene.

Ich kann und will nicht in diesen Chor einstimmen, ich denke vielmehr, dass gerade deshalb Christian Wulff auf das besteht – und bestehen sollte – was ihm rechtlich zusteht. Einfach deshalb, weil ihm die rechtliche Position als letzte Bastion geblieben ist, hinter der er sich gegen die oft geradezu perfiden, von Selbstgerechtigkeit getragenen Kritiken seiner durchweg anonymen Gegner verschanzen kann. Ob sie sicher genug ist, bleibt immer noch abzuwarten und wird wohl vom Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abhängen. Kaum aber von Appellen von Ehre, Ethik und Moral, die man ihm doch schon früher abgesprochen hat.

Im übrigen berichten die Medien mit Genugtuung, dass die Vorgänger Christian Wulffs als Bundespräsidenten nicht am morgigen Großen Zapfenstreich teilnehmen werden. Konsequent und folgerichtig wäre es angesichts dessen nur, wenn auch die Medien wegblieben. Und seine Kritiker das Spektakel unbeachtet lassen würden. Das Gegenteil wird der Fall sein. Woraus meines Erachtens einmal mehr die ganze Heuchelei erkennbar werden wird, die hinter aller Kritik an Christian Wulff steht.

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