Sonntag, 25. März 2012

„Romeo und Julia“ umgeben von vitaler Kreativität

Schon die jüngst vom Theater Nordhausen gewährten Einblicke in Szenen der „West Side Story“ ließen erkennen, warum die Einstudierung dieses Musicals Monate benötigte. Allein das Bedrohungs- und Kampfszenario der verfeindeten Gangs dürfte gehörige Zeit benötigt haben, um es so wirklichkeitsnah erscheinen zu lassen, wie es am Freitag wirkte. Ganz abgesehen von den diesmal recht unkonventionellen Tanzszenen der Ballettkompagnie. Die gestrige Premiere brachte die Bestätigung: Ingrid Limbarths Inszenierung wurde eine lautstark und lang bejubelte Gesamtleistung aller Akteure.

Die Rezension von Olaf Schulze in der nnz, der dort offenbar die Berichterstattung zumindest im kulturellen Themenfeld erhalten bzw. übernommen hat, verweist mich auf meinen persönlichen Blog, um hier meine eigenen und zugestanden etwas weniger schnell formulierten Eindrücke zur Kultur – und damit auch zur „West Side Story“ wiederzugeben. Schnelligkeit ist nun einmal im digitalen Zeitalter das zunehmend dominierende Element der Berichterstattung.

Der Beifall zum Schicksal der Liebenden und der Inszenierung der „West Side Story“ insgesamt war noch nicht ganz verklungen, als die vorletzte Straßenbahn am Theaterplatz vorbei in Richtung Südharzkrankenhaus fuhr. Und weil die nächste und letzte erst 50 Minuten später kam, ging ich zu Fuß nach Hause und hatte Zeit, über das Erlebte nachzudenken.

Hatte Iris Limbarth beim Pressefrühstück am 12ten im Da capo im Zusammenhang mit diesem Geschehen nicht von unterdrückten Frauen oder Mädchen gesprochen? Was mich zu einer Unmutsäußerung veranlasste? Tatsächlich sah ich nichts von weiblicher Unterdrückung, wohl aber von deren Mitmachanspruch in den Gangs und von partnerschaftlichen Miteinander der Akteure auch in den Tanzscenen. Ganz abgesehen von dem Verhältnis von Maria und Tony. Wenn übrigens Olaf Schulze in seiner Rezension für die nnz schreibt, dass dieses Schicksal der Beiden von Shakespeare aus der italienischen Renaissance geklaut wurde, dann finde ich das einfach zu hart ausgedrückt: angelehnt sicher aber sehr viel moderner gefasst. Verhältnisse und Schicksale dieser oder ähnlicher Art hat es sicher schon vor Shakespeares Zeit gegeben und gibt es eben auch heute noch. Beispiele gibt es immer wieder.

Hier also entsteht diese Schicksalhaftigkeit im Armenviertel von New York – im mehrmals wechselnden Bühnenbild des Wolfgang Kurima Rauschning in seiner Nüchternheit gut nachvollziehbar dargestellt – und auf dem Balkon der Wohnung Marias (Elena Puszta) und ihres Bruders Bernardo (Thomas Kohl). Das Geschehen um diese letztlich unglücklich Liebenden ist hoch emotional und dramatisch über die gesamte Zeit der Aufführung.

Nun muss ich dazu bemerken, dass ich den Film der West Side Story kenne und damals schon begeistert war. Danach sah ich die „West Side Story“ auf der Bühne im Salzburger Mozarteum und „erlebte“ sie vor Jahren auf der Seebühne Meersburg. Und fand stets interessant und beeindruckend, wie die jeweiligen Regisseure mit den höchst unterschiedlichen Bühnenverhältnissen zurecht kamen. Und nicht weniger die Orchester.

Respekt deshalb vor Iris Limbarth und GMD Markus L. Frank. Beide leisteten Hervorragendes. Gerade die Musik verbindet ja mit ihren verschiedenen Elementen aus Jazz, Klassik und Unterhaltungsmusik, gleichzeitig aber auch stilistisch den Kontrast zwischen Liebes- und Gewaltsphäre. Und ermöglicht gleichzeitig alle dramaturgischen Ausdrucksformen von Schauspiel, Gesang und Tanz. Bei denen sich Melodien wie Maria (natürlich), aber auch Tonight, Somewhere, America, I feelPretty von Solisten (bei Olaf Schulze sind sie genannt) und Opernchor gesungen, geradezu zum Mitsummen anbieten. Und die Ballettkompanie beflügelt, ihr Bestes zu geben. Seien schließlich noch die Rollen der (Zivil-)Polizisten (Michael Schober und Toni Burkhardt) erwähnt, die sich recht selbstherrlich gaben, immerhin aber die finale Katastrophe im Zwist der Gangs verhinderten. Frank Sieckel als Doc tat ein übriges, um zu schlichten, blieb aber meines Erachtens wirkungsschwach. Ja, und dann war ich über diesen Überlegungen zuhause angekommen.
(Fotos von Tilmann Graner)

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