Samstag, 24. März 2012

Geheimnisvolle Violinen

Orchesterprobe für das 6. Sinfoniekonzert des Loh-Orchesters

Es ist Nachmittag. Auf der Bühne im Haus der Kunst sitzen die Musiker des Loh-Orchesters. Doch der Saal ist leer und die Musiker tragen Privatkleidung. Denn sie proben für das 6. Sinfoniekonzert. Für die Nachmittagsprobe steht die 7. Sinfonie h-Moll von Franz Schubert, die „Unvollendete“, auf dem Programm. Am Vormittag wurde das andere Stück des Konzerts geprobt, Gustav Mahlers 1. Sinfonie D-Dur. Gestern Abend noch saßen die Musiker im Orchestergraben des Theaters Nordhausen und spielten die Generalprobe von Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“. Morgen ist die Premiere. Dazwischen: Bernstein aus dem Kopf verbannen, umschalten auf Schuberts wunderbare und rätselhafte Sinfonie, von der man nicht genau weiß, warum sie unvollendet geblieben ist. Das ist Alltag für Orchestermusiker und Generalmusikdirektor.

Der zarte, tiefe Beginn des ersten Satzes erklingt in Kontrabässen und Celli. Dazu kommen die hohen Streicher, dann setzen die Holzbläser ein. Das Thema entspinnt sich. Generalmusikdirektor Markus L Frank am Dirigierpult – leger gekleidet und auf einem Barhocker sitzend – lässt den ersten Satz durchspielen. Dann einige Anmerkungen. Einzelne Stellen werden wiederholt, korrigiert, präzise gearbeitet. „Einmal nur die ersten Geigen bitte“, heißt es, oder „Viel Bogen. Viel Klang. Wenig Rhythmus.“ Auf diesem Niveau geht es nicht mehr um richtig oder falsch. Hier verspielt sich keiner, alle beherrschen ihre Instrumente meisterhaft, jeder einzelne ist ein Künstler. Was verbessert wird, sind der vom Dirigenten gewünschte Klang, die Dynamik, die Interpretation, manchmal die Präzision im Zusammenspiel. Feinheiten. Doch schon das erste Durchspielen des Satzes klingt wunderschön. Und das ist erst die erste Probe für diese Sinfonie!

Konzentriert, aber auch heiter ist die Atmosphäre im sonnendurchfluteten Haus der Kunst. Was für ein schöner Beruf, an einem sonnigen Nachmittag zusammen zu musizieren. Aber auch viel Mühe. Der ganze erste Satz der Sinfonie wird gearbeitet, wiederholt, verfeinert. Bis Markus L. Frank zufrieden ist. „Das war mein erstes Stück im Dirigierunterricht“, verrät er seinem Orchester. Er kennt die Partitur gut, weiß genau, was er hören will. Manchmal reichen kleine Handzeichen, um einem Musiker klarzumachen, was verändert werden soll. Generalmusikdirektor und Orchester verstehen sich, sprechen dieselbe Sprache. Musizieren gemeinsam im besten Wortsinn.

Irgendwann ist Pause. Die große Glastür wird geöffnet, die Frühlingsluft strömt ins Haus der Kunst. Nach der Pause: der zweite Satz. Das Andante schwingt ruhig und harmonisch durch den Raum Alle sind frisch und mit neuer Konzentration aus der Pause gekommen. Auch der zweite Satz wird gleich einmal durchgespielt. „Ach, ist das schöne Musik“, entfährt es Markus L. Frank am Ende. Und: „Sehr schön, das Solo“, zum Klarinettisten. Dann wird weiter gearbeitet. Stellen wiederholt, einzelne Stimmgruppen spielen ein paar Takte, gemeinsame Einsätze werden präzisiert. Celli und Bässe diskutieren kurz über die optimale Strichführung an einer Stelle, werden sich schnell einig.

Dann sagt der Generalmusikdirektor: „Diese Stelle muss noch geheimnisvoller sein.“ Wie spielt man geheimnisvoll? Sie probieren die paar Takte, nur die Geigen, anders, zarter, weniger direkt. Und ja, es klingt tatsächlich geheimnisvoller! Weiter geht es in der Partitur. Nach zweieinhalb Stunden: Feierabend. Fünf Stunden Proben haben die Musiker an einem normalen Arbeitstag. Fünf Stunden sitzen sie mit ihren Instrumenten in der Probe, sind voll konzentriert. Hinzu kommen Vorstellungen, Konzerte und viel selbständiges Üben. Orchestermusiker, das ist nicht nur ein Traumberuf, mit dem man anderen Menschen viel Freude macht. Es ist auch harte Arbeit und verlangt viel Disziplin.

Noch fünf weitere Proben wird es geben für das 6. Sinfoniekonzert. Dann findet die Arbeit ihre Belohnung in der Aufführung der beiden Meisterwerke der sinfonischen Musik. Am 31. März um 19.30 Uhr im Haus der Kunst, am 1. April im Theater Nordhausen. Das ist der Tag, auf den hingearbeitet wird, wenn Publikum im Saal sitzt, wenn der Applaus ertönt. Wer dabei sein möchte, wenn Schuberts Unvollendete und Mahlers 1. Sinfonie erklingen, erhält Karten an der Theaterkasse (Tel. 0 36 31/98 34 52), in der Sondershausen-Information (Tel. 0 36 32/78 81 11) und an allen Vorverkaufsstellen der Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen GmbH.

Fotos: Tilmann Graner

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