Dienstag, 11. November 2014

Vor 25 Jahren fiel die Mauer

Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls hatten am Sonntag in Berlin ihren Höhepunkt und fanden in den Medien ein gebührendes Echo. Und ich räume ein, dass mich ein Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ zu diesem Höhepunkt erst einmal in den Duden schauen ließ, um zu erfahren, was genau in jenem Bericht mit „Sonntagsreden“ gemeint ist, von denen dort berichtet wird. Und lese: „bei feierlichen Anlässen gehaltene schöne Rede [mit großen, der Realität meist nicht standhaltenden Worten]“. War es so?


„Neues Deutschland“ schrieb am Sonntag (Auszug): Der große Feiertag ist vorüber. Und es ist alles gesagt - und zwar wohl tatsächlich von allen. Gorbatschow, Merkel, Kissinger, Biermann, Gauck - selbst der Alt-Kanzler der Einheit hat sich mit seiner früheren Skepsis gegenüber den Bürgerrechtlern noch einmal zu Wort gemeldet. Wohlfeile Reden, Staatsakte, Ausstellungen, Blumen, Kränze, Lichter, nachträgliche Deutungsversuche - wir hatten von allem genug.“


Nicht ganz. Ich habe viele Berichte dazu gelesen und im TV gesehen und dabei fiel mir auf, dass ein Thema und ein Vorgang im Zusammenhang mit dem Mauerfall und der unmittelbar folgenden Zeit mit keinem Wort erwähnt wurde von Menschen die unmittelbare Erinnerungen in ungezählte laufende Mikrofone erzählten: das Thema Begrüßungsgeld.


Warum wurde es mit keinem Wort erwähnt? Besucher aus den ostdeutschen Ländern hatten doch einen Rechtsanspruch darauf, als Besucher in den alten Bundesländern ein solches zu erhalten? Und hunderttausende nahmen es doch in Anspruch? Kein Wort davon, obwohl doch allein im November und Dezember 1989 insgesamt drei bis vier Milliarden DM als Begrüßungsgeld ausgezahlt wurden? Erinnert man sich wirklich nicht mehr daran oder warum wurde es bei oft ins Detail gehenden Erinnerungen, die da in den vergangenen Tagen erzählt wurden, mit keinem Wort erwähnt?

Und weil da so viel von den Eindrücken in den ersten Tagen nach dem Fall der Mauer erzählt wurde, will auch ich meinen Teil dazu beitragen und damit die ausgemachte Lücke füllen:

Ich erlebte damals in München einen ungeahnten Ansturm von „Besuchern“ aus Ostdeutschland vornehmlich an der einen oder anderen Auszahlungsstelle dieses Begrüßungsgeldes. Und staunte manchmal, wie viele Personen doch aus einen Trabbi stiegen, die zu Besuch nach München kamen.. Dass München zu den Städten gehörte, die das höchste Begrüßungsgeld zahlten, muss nicht, kann aber ein Grund sein, dass sich mitunter lange Schlangen vor den Auszahlungsstellen bildeten. Und keiner der damaligen Besucher erinnert sich daran!?

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl bewirkte schließlich ein Ende des Besucherstromes. Dazu ist bei Wikipedia, also nüchtern und sachlich, zu lesen:

Bis 1987 mussten für 1 DM durchschnittlich 4 Mark der DDR gezahlt werden, 1988 stieg dann das Umtauschverhältnis auf dem freien Markt bereits auf 1:10 an und erreichte nach dem Wegfall der Grenzen schließlich 1:20. Damit erlangte das Begrüßungsgeld über den unmittelbaren Zweck einer Einladung, im Westen Konsumwaren einzukaufen, hinaus auch eine finanzielle Bedeutung, die Bundeskanzler Kohl in seinem Gespräch vom 3. Dezember 1989 US-Präsident Bush wie folgt aufzeigte:
Eine vordringliche Frage ist die Ersetzung des Begrüßungsgeldes. Die Zahlungen an die DDR-Bewohner, die in die Bundesrepublik zu Besuch kommen, belaufen sich jetzt bereits auf ca. 1,8 Milliarden DM. So kann es nicht weitergehen. Das Begrüßungsgeld ist zu einem Zeitpunkt eingeführt worden, als nur Rentner in die Bundesrepublik reisen durften. Wenn jetzt z.B. ein Ehepaar mit drei Kindern in den Westen reist, erhält es 500 DM Begrüßungsgeld. Wenn es für 20 DM Ware bei uns kauft und 30 DM zum Kurs von 1:20 wieder in Mark der DDR umtauscht, bringt es von dieser Reise noch praktisch 6 Durchschnittsgehälter mit zurück… Am 31. Dezember 1989 wird die Zahlung des Begrüßungsgeldes eingestellt.“
Helmut Kohl: Zitat aus dem Gesprächsprotokoll
Dies zeigt, dass das Begrüßungsgeld für die Besucher aus der DDR von weitaus größerer wirtschaftlicher Bedeutung war, als aus der Sicht der es als eine Art Gastgeschenk gewährenden Bundesrepublik ursprünglich angenommen. Aufgrund der nur ein halbes Jahr später am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR konnten entsprechende DDR-Mark-Guthaben dann größtenteils im Verhältnis 1:1, bzw. darüber hinaus im Verhältnis 1:2 umgetauscht werden. Befragungen aus den ersten Tagen der Grenzeröffnung hatten indes noch ergeben, dass das Begrüßungsgeld unverzüglich in Lebensmittel wie Kaffee, Schokolade und Südfrüchte umgesetzt wurde.


Dazu wiederum erinnere ich mich an Berichte aus damaliger Zeit, die eine ganz andere Entwicklung nach dem Fall der Mauer zum Inhalt hatten: nach der nämlich Bürger der alten Bundesländer – vornehmlich in Berlin und grenznahen Gebieten - Teile ihres Geldes im Verhältnis 1:20 in Ostgeld umtauschten und damit im östlichen Teil ihre Lebens- und Genussmittel kauften und sonstige Bedürfnisse deckten, die gegen Geld in Anspruch genommen werden konnten (z.B. Friseur- oder Schneiderleistungen). Sogar Gastwirte deckten ihren Bedarf jenseits der früheren Grenze. In Berlin fiel das weniger ins Gewicht, in ländlichen Gegenden kam es dadurch zeitweise zu Engpässen in der Versorgung der dortigen Bevölkerung. Dieses Gebaren fand mit der Währungsreform am 1. Juli 1990 ihr Ende.



Wer mag, kann sich erinnern oder über die Wertung derartigen Verhaltens unter sozialen Gesichtspunkten sinnieren. Oder es auch lassen. Jedenfalls gehören auch diese Vorgänge zu den Auswirkungen des Mauerfalls. Ob man sie nun wahr haben will und sich daran erinnert oder nicht. 

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