Dienstag, 4. November 2014

Journalismus: So also war das in der DDR

Da hab' ich doch in den vergangenen Tagen viel Zeit damit zugebracht, mich in der Vielfalt der Meinungen zurecht zu finden, die die Äußerungen des Bundespräsidenten ausgelöst hat: bekanntlich hatte Joachim Gauck in einem ARD-Interview Bedenken mit Blick auf die wahrscheinliche Wahl von Bodo Ramelow zum ersten linken Ministerpräsidenten in einem Bundesland geäußert. Und unter anderem gesagt: "Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren." Er habe zudem Schwierigkeiten, Vertrauen in die Reife von Teilen der Partei zu entwickeln. Und das scheint auch tatsächlich schon vielen Menschen schwer zu fallen, die die DDR erlebten. Davon zeugen viele Leserzuschriften in ostdeutschen Zeitungen.


Nun stieß ich am Montag in der „Thüringer Allgemeine“ (früher „Das Volk“) auf einen ganzseitigen Bericht zum Journalismus in der DDR, der mich beschäftigt. Auf den – wie ich meine – ähnliches gelten kann wie das, was Joachim Gauck „zu Teilen der Partei“ äußerte. Der Titel dieses doch sehr ausführlichen Berichtes lautet: „In der DDR gab es keinen echten Journalismus“.Und darunter zur Friedlichen Revolution: „Aus kollektiven Agitatoren und Propagandisten werden 1989 Redakteure, die ihren Beruf und ihre Leser ernst nehmen.“ Und das heißt doch wohl im Umkehrschluss, dass Redakteure zu DDR-Zeiten weder ihren Beruf, noch ihre Leser ernst nahmen.


Abgesehen davon, dass ich das so pauschal nicht glauben kann, beschönigt der Autor Hanno Müller das Bild der Journalisten in der DDR in einer Weise, die ich nicht nachvollziehbar finde. Weil es eine Vorstellung vermittelt, nach der Journalisten zwar das System des real existierenden Sozialismus durchschauten, aber „alle machten mit“ und umschifften elegant alle Klippen, die sie hätten in (Gewissens-)Konflikte bringen können. Und ließen sich mehr oder weniger willig instrumentalisieren. Dass sie damit die Leser ihrer Zeitungen glauben machten, sie identifizierten sich mit dem System, belastete sie dabei scheinbar nicht. In diesen ganzen ausführlichen Bericht kommen an keiner Stelle Begriffe wie Moral, Ethik und damit Charakter der so handelnden Journalisten vor. Dass man eine Verantwortung hatte, schien nur gegenüber der Partei, der Kreis- oder Bezirksleitung zu gelten, nicht aber gegenüber den Lesern und damit den Bürgern der DDR. Ich war immer beeindruckt von der
gediegenen – wenn auch politisch fundierten und durchdrungenen Ausbildung der DDR-Journalisten, die ich seit den siebziger Jahren zumindest auf lokaler Ebene zu kennen glaubte. Wenn ich jetzt den Bericht Hanno Müllers lese, kommen mir dazu Vorstellungen von der Ausübung dieses Berufes zu DDR-Zeiten, die ich hier besser nicht wiedergebe. Und mit „clever“ milde umschreibe.




Und mit dem Fall der Mauer änderte sich das schlagartig? Plötzlich war es ein „echter“ Journalismus, den man ausübte? (Auszug Hanno Müller): „Es sind eben diese DDR-Journalisten, die in den Wirren des Umbruchs zu echten Lebenshelfern und Begleitern des Systemwandels werden. Oftmals die gleichen Redakteure, die noch gestern Beiträge über die Feinde des DDR-Sozialismus redigieren, schreiben nun über Missstände, Amtsmissbrauch oder langjährige Tabus.“(Ende des Auszugs). Und man schreibt über „Wendehälse“, die man unter Politikern aus DDR-Zeiten ausmachte. Nur für sich selbst nimmt man in Anspruch (Auszug): „Man kann DDR-Journalisten als Wendehälse bezeichnen, muss aber auch einräumen, dass sie schnell wissen – und wohl immer wussten, wie es richtig geht.“(Ende des Auszugs). Und ich denke, dass gerade das viel mit Gewissen und Charakter zu tun hat. Man hat einen Job, wird gebraucht, wie man zuvor über vierzig Jahre gebraucht wurde. Journalisten sind Teil des Systems, ob das nun eine Diktatur, ein Unrechtsstaat oder eine demokratische Gesellschaftsordnung ist. Man ist nicht erst mit dem Fall der Mauer zum Wendehals geworden, es scheint zum Beruf zu gehören, sofern man ihn nicht mit Charakter zu verbinden vermag. Und das wiederum hat viel mit Glaubwürdigkeit dessen zu tun, was man in den Zeitung angeboten bekommt. Wie auch jetzt über die Äußerungen eines Bundespräsidenten Joachim Gauck. 

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