Das Rathaus ist 1608
– 10 an Stelle und unter Einbeziehung von älteren Mauerteilen, des
bereits 1360 dort errichteten Gebäudes als schlichter Renaissancebau mit
oktogonalem Treppenturm gebaut worden. Es handelt
sich um einen Massivbau, der – wie in der Renaissance üblich verputzt
und vermutlich sogar ornamental bemalt war.
Zu dieser Gestaltung
finden sich in der Nordhäuser Literatur aber keine Hinweise. Diese gibt
es jedoch an vielen ähnlichen Gebäuden der gleichen Bauzeit in ganz
Deutschland, so dass Restauratoren und Bauforscher
Analogiebefunde kennen.
Wenn man in der
Literatur der vergangenen Jahrhunderte nachliest und den Hinweis
„Werksteinbau“ findet, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass die Fassade
steinsichtig war, sondern nur, dass es sich um einen
Massivbau, d.h. aus Steinen gemauert handelt, im Unterschied zum
üblichen Fachwerkbau.Im Laufe von 400 Jahren hat sich die Gestaltung der
Fassaden des Rathauses immer wieder etwas verändert, dies geschah teils
aus funktionalen, teils aus ästhetischen Gründen.
An der heutigen
Fassade des Rathauses kann man auch jetzt noch sehr gut erkennen, dass
sie bauzeitlich verputzt war. Einerseits an den sogenannte Putzkanten –
den unregelmäßigen Flächen – an den Gewänden und
Gesimsen aus rotem Sandstein. Bis an diese, gerade
ausgearbeiteten
Kanten wurde ursprünglich der Putz aufgetragen. Bei steinsichtigen
Fassaden gibt es in der Regel solche Kanten nicht, sondern die
Gewändesteine sind regelmäßig behauen. (Siehe Fotos)
Desweiteren sind bei
der jetzt zur Erstellung des Gutachtens durch Dr. Hans-Werner Zier, von
der Materialforschungs- und Prüfanstalt an der Bauhaus-Universität
Weimar gemachten Untersuchung noch Reste der
bauzeitlichen Verputzung sichergestellt worden.
Der Fassaden-Putz
diente einerseits zum Schutz des Steins, denn auch in früherer Zeit
wußte man, dass raue und unregelmäßige Steinoberflächen anfällig für
eindringendes Wasser waren, und andererseits war es
kostengünstiger, als Massivmauerwerk aus
gleichmäßig behauenen Quadersteinen, wie sie für die steinsichtige Bauten notwendig gewesen wären.
Es gibt - nach
jetzigem Erkenntnisstand – keinen schriftlichen Beleg, wann der Putz
entfernt wurde. Jedoch ist bauhistorisch belegt, dass aufgrund des
veränderten architektonischen „Geschmacks“ mit dem Übergang
zum 19. Jh. ein Wandel in der Fassadengestaltung entstand.
Mit der
„Ruinen-Romantik“ des Historismus kam eine Vorliebe für rustikale und
einfache Formen, die der Verspieltheit des Barock und Rokoko der
früheren Zeit entgegen stand. Aus diesem Grund wurden an vielen
Gebäuden – sowohl Kirchen als auch Profanbauten – der Putz auch von aus
Bruchsteinen gemauerten Fassaden entfernt und diese dann steinsichtig
belassen.
Das von Dr. Zier im
Auftrag der Stadtverwaltung erstellte umfangreiche Gutachten, dass als
Sanierungsvorbereitung dient, hat diese bauhistorische Veränderung der
Fassade bestätigt. Desweiteren wurde festgestellt,
dass aufgrund der lange freiliegenden Steinoberflächen, die Kalksteine
der Fassade so stark sowohl durch Salze und Schadstoffe beschädigt sind,
dass eine Erhaltung des jetzigen Zustandes nicht mehr möglich ist.
Susanne Hinsching
Dipl. Kunsthistorikerin und
Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde
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