Im Juli referierte in der Nordhäuser Flohburg der Wissenschaftler
und damalige Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora, Jens
Christian Wagner, im Rahmen der Lutherdekade zum Thema
„Von Luther zu Hitler – Überlegungen zu dem Verhältnis von
Protestantismus und Nationalsozialismus“.In meinem Blog habe ich
dieses Referat recht ausführlich wiedergegeben und dazu einleitend
geschrieben, dass mich der Vortrag als Nichtprotestant ob seiner
Schlüssigkeit überzeugte.
Gestern
hörte ich in der Flohburg einen Vortrag von Prof. Dr. Martin Onnasch
unter dem Titel "Evangelische Kirche im Dritten Reich. Zwischen
Anpassung und Verweigerung in den Jahren 1932 bis 1945." Auch er
im Rahmen der Lutherdekade. Dr. Onnasch ist Professor für
Kirchengeschichte und diese, seine Kompetenz zeigte sich auch in
seinem Vortrag und den Antworten auf die Fragen aus dem Zuhörerkreis.
Nun
muss ich auch da einräumen, dass ich als Nichtprotestant vielleicht
deshalb nicht recht erkennen kann, wo eigentlich im allgemeinen
Verständnis der Unterschied zwischen dem Vortrag Wagners und dem des
Prof. Onnasch besteht? Es gab natürlich Unterschiede, die ein
qualifizierter Zuhörer auch als wesentlich erachtet haben mag, so
auch er beide Vorträge hörte. Etwa das Verhältnis von Protestanten
zu Katholiken im Kaiserreich. Und seine Entwicklung und Äußerungen
bis zur und in der Weimarer Republik. Und dem Anteil der Protestanten
gegenüber den Katholiken am Emporkommen der Nationalsozialisten und
damit Hitlers anlässlich der Wahlen in 1932 und 1933.
Prof.
Onnasch nahm bei seinen Ausführungen insoweit Bezug auf die sehr
umfassenden Untersuchungen des Politikwissenschaftlers Jürgen
Falter, die dieser in seinem Buch „Hitler und seine Wähler“ 1991
veröffentlichte. Aus denen der Referent lediglich die
Wahlbeteiligung
der Katholiken und Protestanten an den Wahlen 1932
und 1933 herausgefiltert hatte. Die Wählerbewegungen zur NSDAP seien
allerdings viel komplexer gewesen als lange angenommen, hatte Falter
in seinem Buch resümiert. Und die Anfälligkeit der verschiedenen
Großgruppen und soziokulturellen Milieus für Protest, Propaganda
und Verheißungen der Hitler-Bewegung müsse sehr viel
differenzierter gesehen werden, als uns eine simple Mittelstands- und
Protestantismus-These vielleicht lange glauben gemacht hat.
Um
auf die Vorträge der beiden Wissenschaftler in der Flohburg
zurückzukommen, hatte ja auch Jens Christian Wagner in seinem
Referat im Juli erklärt, dass es ihm in seinem Vortrag gar nicht so
sehr um Luther selbst ginge, sondern mehr um die Wirkungsgeschichte
Luthers und demzufolge um die Beziehungen zwischen
Nationalsozialismus und Protestantismus. Nur lässt sich nach seinen
Worten der deutsche Protestantismus ideengeschichtlich und
theologisch nicht ohne Luther erklären. Vor allem waren seine Lehren
weitaus prägender für das Verhältnis der Protestanten zum
Nationalsozialismus durch die Entwicklung der protestantischen Kirche
im deutschen Kaiserreich im ausgehenden 19. Jahrhundert und ebenso im
beginnenden 20 Jahrhundert in der Weimarer Republik.
Letztlich
aber sind jene Entwicklungen und Entscheidungen, die zum
Nationalsozialismus führten, allgemein nur verständlich, wenn man
die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zur damaligen Zeit
kennt. Die derzeitige Ausstellung von Käthe Kollwitz und Otto Pankok
im Kunsthaus Meyenburg, lassen diese Verhältnisse und das Elend vor
1932 gut erkennen. Und weil sich die Inhalte beider Referate meines
Erachtens doch sehr ähneln – bis hin zum „Stuttgarter
Schuldbekenntnis“ der EKD im Oktober 1945 – verweise ich auf
meinen Eintrag vom 8. Juli "Von Luther zu Hitler - folgerichtig oder initiiert?", werde aber zur Veranstaltung selbst noch zurückkommen.
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