Freitag, 19. September 2014

Hitler und seine Wähler

Im Juli referierte in der Nordhäuser Flohburg der Wissenschaftler und damalige Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora, Jens Christian Wagner, im Rahmen der Lutherdekade zum Thema „Von Luther zu Hitler – Überlegungen zu dem Verhältnis von Protestantismus und Nationalsozialismus“.In meinem Blog habe ich dieses Referat recht ausführlich wiedergegeben und dazu einleitend geschrieben, dass mich der Vortrag als Nichtprotestant ob seiner Schlüssigkeit überzeugte.
Gestern hörte ich in der Flohburg einen Vortrag von Prof. Dr. Martin Onnasch unter dem Titel "Evangelische Kirche im Dritten Reich. Zwischen Anpassung und Verweigerung in den Jahren 1932 bis 1945." Auch er im Rahmen der Lutherdekade. Dr. Onnasch ist Professor für Kirchengeschichte und diese, seine Kompetenz zeigte sich auch in seinem Vortrag und den Antworten auf die Fragen aus dem Zuhörerkreis.
Nun muss ich auch da einräumen, dass ich als Nichtprotestant vielleicht deshalb nicht recht erkennen kann, wo eigentlich im allgemeinen Verständnis der Unterschied zwischen dem Vortrag Wagners und dem des Prof. Onnasch besteht? Es gab natürlich Unterschiede, die ein qualifizierter Zuhörer auch als wesentlich erachtet haben mag, so auch er beide Vorträge hörte. Etwa das Verhältnis von Protestanten zu Katholiken im Kaiserreich. Und seine Entwicklung und Äußerungen bis zur und in der Weimarer Republik. Und dem Anteil der Protestanten gegenüber den Katholiken am Emporkommen der Nationalsozialisten und damit Hitlers anlässlich der Wahlen in 1932 und 1933.
Prof. Onnasch nahm bei seinen Ausführungen insoweit Bezug auf die sehr umfassenden Untersuchungen des Politikwissenschaftlers Jürgen Falter, die dieser in seinem Buch „Hitler und seine Wähler“ 1991 veröffentlichte. Aus denen der Referent lediglich die Wahlbeteiligung
der Katholiken und Protestanten an den Wahlen 1932 und 1933 herausgefiltert hatte. Die Wählerbewegungen zur NSDAP seien allerdings viel komplexer gewesen als lange angenommen, hatte Falter in seinem Buch resümiert. Und die Anfälligkeit der verschiedenen Großgruppen und soziokulturellen Milieus für Protest, Propaganda und Verheißungen der Hitler-Bewegung müsse sehr viel differenzierter gesehen werden, als uns eine simple Mittelstands- und Protestantismus-These vielleicht lange glauben gemacht hat.
Um auf die Vorträge der beiden Wissenschaftler in der Flohburg zurückzukommen, hatte ja auch Jens Christian Wagner in seinem Referat im Juli erklärt, dass es ihm in seinem Vortrag gar nicht so sehr um Luther selbst ginge, sondern mehr um die Wirkungsgeschichte Luthers und demzufolge um die Beziehungen zwischen Nationalsozialismus und Protestantismus. Nur lässt sich nach seinen Worten der deutsche Protestantismus ideengeschichtlich und theologisch nicht ohne Luther erklären. Vor allem waren seine Lehren weitaus prägender für das Verhältnis der Protestanten zum Nationalsozialismus durch die Entwicklung der protestantischen Kirche im deutschen Kaiserreich im ausgehenden 19. Jahrhundert und ebenso im beginnenden 20 Jahrhundert in der Weimarer Republik.

Letztlich aber sind jene Entwicklungen und Entscheidungen, die zum Nationalsozialismus führten, allgemein nur verständlich, wenn man die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zur damaligen Zeit kennt. Die derzeitige Ausstellung von Käthe Kollwitz und Otto Pankok im Kunsthaus Meyenburg, lassen diese Verhältnisse und das Elend vor 1932 gut erkennen. Und weil sich die Inhalte beider Referate meines Erachtens doch sehr ähneln – bis hin zum „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ der EKD im Oktober 1945 – verweise ich auf meinen Eintrag vom 8. Juli "Von Luther zu Hitler - folgerichtig oder initiiert?", werde aber zur Veranstaltung selbst noch zurückkommen.

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