Sonntag, 21. September 2014

Einige Überlegungen zur Lutherdekade in Nordhausen

Anstoß zu solchen Überlegungen gibt mir der Umstand, dass ich gestern in der Pause zur „Verkauften Braut“ von recht kompetenter Seite zu meinen Eintrag über die Vortragsveranstaltung am Donnerstag in der Flohburg angesprochen wurde. Bekanntlich
referierte dort Prof. Dr. Martin Onnasch zum Thema "Evangelische Kirche im Dritten Reich. Zwischen Anpassung und Verweigerung in den Jahren 1932 bis 1945." Offenbar fand mein Eintrag Mißfallen bei den Organisatoren dieser Veranstaltung. Das Gespräch war allerdings viel zu flüchtig und kurz, um den eigentlichen Grund dafür zu erfahren. Deshalb diese Überlegungen.


Ich betone dabei ausdrücklich, dass ich mich schon über dieses kurze Gespräch gefreut habe. Immerhin ist mir dabei soviel klar geworden, dass dieses Mißfallen entstanden ist, weil ich in meinem gestrigen Eintrag („Hitler und seine Wähler“) den Vortrag Jens Christian Wagners, den dieser im Juli in der Flohburg zum Thema „Von Luther zu Hitler. Überlegungen zum Verhältnis von Protestantismus und Nationalsozialismus“ hielt, mit dem des Prof. Onnasch am Donnerstag verquickte. Der ja – wie bemerkt - zum Thema "Evangelische Kirche im
Dritten Reich. Zwischen Anpassung und Verweigerung in den Jahren 1932 bis 1945." referiert hatte.


Nun war dieses Gespräch nicht verabredet und, wie bemerkt, recht flüchtig und eher beiläufig. Und wird vermutlich auch keine Fortsetzung erfahren. Warum auch? Im Februar und im Zusammenhang mit einem höchst interessanten Vortrag von Prof. Dr. Heinz Schilling „Der Rebell Martin Luther-Vom Katholizismus zum Protestantismus“ im Nordhäuser Tabakspeicher hatte ich eingeräumt, dass ich an Kenntnis von Reformation und Konfessionen – außer meiner eigenen katholischen – 1990 herzlich wenig von Bayern nach Nordhausen mitbrachte. Und mir seitdem durch Bücher und Teilnahme an Vorträgen in der eigenen Einschätzung bestenfalls eine Art Halbwissen über Martin Luther und die damalige Zeit aneignete. Das natürlich nicht reicht, um mich qualifiziert an Diskussionen beteiligen oder zu diesem Thema Aussagen machen zu können.


Es hieß ja in der Ankündigung zum Donnerstag-Vortrag des Prof. Dr. Onnasch, dass sich die Anregung zu dieser Veranstaltung aus dem Vortrag von Dr. Jens Christian Wagner zum Thema „Von Luther zu Hitler. Überlegungen zum Verhältnis von Protestantismus und Nationalsozialismus“ im Juli 2014 in der FLOHBURG ergab. Danach habe es intensive Diskussionen und Gespräche über die Rolle der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus gegeben. Im Zusammenwirken von Dr. Bodo Seidel, dem Pfarrer von Niedersachswerfen, dem
Förderverein FLOHBURG e.V: und dem Lutherforum Nordhausen konnte dann dieser Vortrag organisiert werden.


Zum Wagner-Vortrag hatte ich geschrieben, dass ich ihn als Nichtprotestant durchaus schlüssig fand. Von ihm gibt es in meinem Blog einen recht ausführlichen Eintrag, während ich in keiner der hiesigen Zeitungen einen Bericht fand. Offenbar hielt man ihn dort überhaupt für unwichtig. Während es darüber andernorts intensive Diskussionen und Gespräche gab. Wer aber diskutierte da und führte solche Gespräche? Und warum  hörte man darüber nichts?


Vermutlich geschah das im Lutherforum. Oder im Flohburg- Förderverein?. Und wenn danach als nötig erachtet wurde, den Vortrag am Donnerstag von Prof.Martin Onnasch zu organisierten, darf ich davon ausgehen, dass man mit den Ausführungen Dr. Wagners nicht zufrieden war. Warum aber? Und dann bleibt die Überlegung, wer denn Dr. Wagner überhaupt mit dem Thema betraute? Anstatt von vornherein einen anerkannten Luther- und Protestantismuskenner zu engagieren? Es gibt doch genügend Wissenschaftler und Historiker, die sich speziell mit dem Thema Luther bis zum Nationalsozialismus befassten. Oder auch auseinandersetzten?


Ich habe jedenfalls in meinem Verständnis keine gravierenden Unterschiede zwischen den beiden
Vorträgen erkennen können. Und habe mir deshalb erspart, die Ausführungen von Prof. Onnatsch ebenso ausführlich in meinen Blog zu stellen wie jene des Dr. Wagner. Und stattdessen im wesentlichen auf diese verwiesen. Und damit offenbar im Verständnis von – ja von wem? - einen Fauxpas begangen.


Soweit meine Meinung aus einer quasi passiven Position heraus. Und jetzt eine offensive zur Lutherdekade in Nordhausen:


Da fand zum Beispiel im Februar 2013 in der Aula der Hochschule eine Veranstaltung mit der „Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017“(Lutherbotschafterin), Margot Käßmann statt. Der Saal reichte nicht, um alle Zuhörer aufzunehmen, ihre Ansprache wurde zusätzlich in einen Hörsaal übertragen. Am 06.02.13 schrieb ich dazu: „Das Audimax der Fachhochschule Nordhausen erlebte gestern anlässlich des Auftritts von Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann einen bisher nicht erlebten Rekordbesuch Nordhäuser Bürger. Der geradezu die Überlegung aufdrängte, ob es das Interesse an dem von ihr gehaltenen Vortrag zur aktuellen Lutherdekade „Reformation und Toleranz“ war, der diesen Andrang auslöste, oder „lediglich“ die Neugier auf die Person der ehemaligen Ratsvorsitzende der EKD.“


Es war wohl doch nur die Neugier, denn bei dem nächsten bedeutenden Vortrag im Rahmen der Lutherdekade reichte der Tabakspeicher. Das war ein Jahr später, im Februar 2014, Prof. Dr. Heinz Schilling, einer der kompetentesten und prominentesten Experten in Sachen Reformation und Konfessionalisierung. Thema seines Vortrags: „Der Rebell Martin Luther-Vom Katholizismus zum Protestantismus“ . Neben einem Bruchteil der Zuhörer wie bei Käßmann nahm zwar der katholische Dompfarrer Richard Hentrich teil, aber kein einziger erkennbarer Vertreter der evangelischen Kirche. Warum nicht? Und wurden darüber Gespräche geführt und diskutiert? Mich ließ es darüber nachdenken, welche Bedeutung die Lutherdekade und das Lutherjahr 2017 in Nordhausen überhaupt hat?


Und dann also im Juli der Vortrag des damaligen Leiters der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Dr. Jens Christian Wagner in der Flohburg. Begrüßt und gleich mit einem (Flaschen-)Präsent durch die Leiterin der Flohburg, Dr. Cornelia Klose bedacht, referierte er, wie oben schon bemerkt, zum Thema „Von Luther zu Hitler. Überlegungen zum Verhältnis von Protestantismus und Nationalsozialismus“. Der Vortragssaal war gut besucht und auch Kirchenvertreter waren auszumachen. Wirklich grundlegende, oder gar kritische Anmerkungen aber gab es weder in der Diskussion noch danach, man schien im Grunde doch einverstanden mit den Ausführungen Wagners.


Und nun also am Donnerstag der Vortrag des Kirchengeschichtlers Prof. Dr. Martin Onnasch. Erneut war die Zuhörerschaft geschrumpft und seitens der Evangelischen Kirche war, außer Pfarrer Bodo Seidel, erneut kein Vertreter zu sehen. (Oder doch eine Vertreterin?) Warum nicht, wenn es sich doch diesmal beim Referenten um eine wirklich anerkannte Kapazität in Sachen Kirchengeschichte handelte? Auch die Leiterin des Flohburg-Museums war nicht zu sehen. Das muss Gründe gehabt haben. Der Vorsitzende des Fördervereins Flohburg, Rainer Holdefleiß, begrüßte den Professor und die wenigen Zuhörer, Pfarrer Bodo Seidel moderierte. Mir ist auch nach einer erneuten Rekapitulation des Vortrags nicht klar, worin sich die Vorträge der beiden Wissenschaftler Wagner und Onnasch so grundlegend widersprochen haben könnten? Ich kann zwar eine Präzisierung und Differenzierung erkennen – und habe sie auch dargestellt. Aber Widersprüche? Und auch über diese Veranstaltung fand ich keinen Bericht in den Zeitungen, die doch sonst sogar jede Zuschrift veröffentlichen, wenn sie nur den Mindestanforderungen von Sitte und Anstand entspricht. Wen also galt dieser hinreichend gut angekündigte Vortrag, der so wenig Resonanz auslöste?



Und so bleibt mir im Grunde die Frage, welche Bedeutung die Luther-Dekade für das Lutherforum und für Norhausens Protestanten hat? Dass darüber auch das Streben des Forums nach einem neuen Lutherdenkmal den Ruch reinen Prestigestrebens bekommt, darf nicht verwundern. Denn über dessen Notwendigkeit gibt es tatsächlich intensive Diskussionen und Gespräche. In der Öffentlichkeit nämlich. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen