Donnerstag, 18. September 2014

Koalition in Thüringen: Nichts Genaues weiß man (noch) nicht

Dass die Bürger ausgerechnet in Ostdeutschland mehrheitlich der Wahl fernbleiben, wo die Freiheit zu wählen erst 1989 erkämpft wurde, schmerzt besonders“, schrieb am Dienstag die „Stuttgarter Zeitung“. Nun fand ja bekanntlich auch am Dienstag im Ratssaal des Nordhäuser Bürgerhauses eine Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Motto „25 Jahre friedliche Revolution –
der Weg in die Freiheit“ statt, während der ich nicht den Eindruck hatte, dass dieses „Fernbleiben von der Wahl“ jemanden wirklich geschmerzt hat. So ist es halt. Es ging aber im Grunde auch gar nicht um diese bemängelte Wahlbeteiligung der Bürger, sondern um Erinnerungen an die Wendezeit, die vornehmlich von der Autorin und Bürgerrechtlerin Freya Klier sehr ausführlich geschildert wurden. Und es ging in der folgenden Diskussion mehr um die Lebensumstände in der DDR, die zu dieser friedlichen Revolution und der Wende führten. Dabei fand ich den Diskussionsbeitrag des früheren Kreiskatecheten Herbert Gerhardt sehr aufschlussreich, der diese Lebensumstände als doch nicht so ganz einseitig schlimm schilderte, wie
sie allgemein dargestellt werden. Der Widerspruch kam zwar prompt vor allem von Gisela Hartmann, aber auch der hielt sich in friedlichen Grenzen.


Nun überlege ich jetzt noch, ob diese Erinnerung an die Wende wirklich das alleinige Thema dieser Podiumsdiskussion gewesen sein sollte angesichts der Wahlergebnisse in Thüringen am Sonntag? Bei der es ja nicht nur um die Wahlbeteiligung von gerade mal 52,7 Prozent ging, sondern auch um das Abschneiden der LINKEN, die mit 28,1 Prozent zweitstärkste Partei im Freistaat wurde. In der TLZ heißt es dazu (Auszug vom 17.09.): „25 Jahre nach dem friedlichen Sturz des SED-Regimes besteht nun rechnerisch die Möglichkeit, dass ein Vertreter der Nach-Nachfolge-Partei "Die Linke" Regierungschef in Thüringen wird.“ (Ende des Auszugs).

Und dieses Ergebnis mit seiner Option zu Rot-Rot-Grün spielt in diesen Tagen in zahlreichen Zeitungen eine herausragende Rolle, nicht aber in dieser Podiumsdiskussion. Warum nicht?

In einer der vielen Zeitungen, deren Meinungen mich interessierte, las ich (Auszug): „Genau 20 Jahre ist es her, dass CDU-Generalsekretär Peter Hintze mit seiner sogenannten Rote-Socken-Kampagne den Ekel gegen Links schürte. Eine Generation später sind die SED-Nachfolger immer noch auf der politischen Bühne. Ihre Wähler im Osten der Republik sind zuverlässig.“(Ende des Auszugs). Und in der „Stuttgarter Zeitung“ war am 16.09. zu lesen (Auszug): „Genau 25 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR steht die SPD vor der Frage, ob sie zum ersten Mal einen Politiker der Linkspartei zum Ministerpräsidenten wählen soll. Die Schatten der SED-Vergangenheit sind auf der thüringischen Linkspartei zwar noch sichtbar, aber inhaltlich sind die rot-roten Schnittmengen heute so groß, dass eine Koalition durchaus tragfähig sein könnte. Dazu wiederum schrieb die „Rheinische Post“ (Auszug): „Das klingt ziemlich verlockend. Dennoch sollte die SPD die Finger davon lassen. Der Preis wäre zu hoch. Die Sozialdemokraten würden einen Linken zum Ministerpräsidenten machen. Dafür gibt es einfach noch zu viele Parteimitglieder in ihren Reihen und Sympathisanten der Partei, die unter dem SED-Regime gelitten haben und die die Linkspartei zu Recht als die SED-Nachfolgepartei sehen.“ (Ende des Auszugs). Was dazu wiederum Wolfgang Thierse im „Tagesspiegel“ meinte, habe ich gestern zitiert.

Bei diesen Auszügen habe ich mich bewusst auf das Thema einer möglichen Koalition Rot-Rot-Grün beschränkt, und eben nach dieser oben erwähnten Podiumsdiskussion im Rahmen der „Nordhäuser Gespräche“. Und ich überlege, warum zum Beispiel die „Nordhäuser Allgemeine“ über diese Podiumsdiskussion bisher nichts berichtete? Lag es am Thema, am Podium, am Moderator? Demgegenüber finde ich auf der Leserseite der heutigen Ausgabe die Überlegungen eines Hamburger Ingenieurs, der sich im Vorfeld des „Parlaments der Einheit“ auf der Wartburg Gedanken über die Vorstellung der Ostdeutschen macht, mit denen sie die Mauer überwanden? Wenigstens einige dieser Überlegungen als Fragen und Antworten hatte ich mir von dieser Podiumsdiskussion erhofft, deren Teilnehmer doch alle selber Augenzeugen und aktiv Beteiligte an den Geschehnissen im Herbst 1989 waren, wie in der nnz zu lesen ist. Man muss wohl wirklich am „Parlament der Einheit“ am 30. September auf der Wartburg teilnehmen, wo Leserinnen und Leser des „Hamburger Abendblatts“ und der "Thüringer Allgemeinen" eine Bilanz der Einheit ziehen wollen. Falls man an einer solchen interessiert ist. Die Zahl der Teilnehmer bei dem erwähnten „Nordhäuser Gespräch“ lässt Zweifel aufkommen.

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