Nach
einer Studie glauben landläufig sechs von zehn Deutschen, dass
Politik und Wirtschaft die Medien lenken würden. Vor allem wegen der
Berichterstattung über die Flüchtlingskrise werden deutsche Medien
vermehrt als „Lügenpresse“ beschimpft. Begründet das aber
diesen Vorwurf?
Die
Vorwürfe artikulierten sich konkret mit der „Pegida“- Bewegung
und verbreiten sich seitdem beständig . Über Ursachen und
Berechtigung diskutierte am Mittwoch die Talkerin Sandra Maischberger
mit Uli Wickert, dem früheren „Mister Tagesthemen“, dem Blogger
Sascha Lobo, dem Pegida-Anhänger Joachim Radke und schließlich mit
der CDU-Politikerin und Publizistin Vera Lengsfeld. Und quasi als
Regulator mit Medienwissenschaftler Gerhard Vowe. Einfach verlief die
Diskussion nicht, was wohl auch daran lag, dass die bisherigen
Talshow-Verläufe – Angehörige oder Sympathisanten der AFD
einzuladen um sich dann auf sie „einzuschießen“ statt sich mit
ihnen sachlich auseinander zu setzen – diesmal völlig daneben
ging: der mehrmals als Berliner Busfahrer herausgestellte Joachim
Radtke erwies sich als versierter und rhetorisch cleverer
Diskusionspartner, der alle gegen ihn als AFD-Anhänger gerichtete
Angriffe – vor allem die des Bloggers Sascha Lobo – gekonnt
abwehrte und seinerseits gegenüber Lobo stichelte: „Vielleicht
sollten sie mal bemerken, dass sie permanent versuchen, sich
intellektuell zu überhöhen.“ (Eine Bemerkung, die man von einem
Busfahrer sicher nicht erwartet hatte.) Nachdem sich Radtke also als
zu clever erwies, schoss man sich thematisch auf die ehemalige
Bürgerrechtlerin, Bundestagsabgeordnete und nunmehrige Bloggerin
Vera Lengsfeld ein. Mit beträchtlich größerem Erfolg: Lengsfeld
musste Schwachstellen und nicht beweisbare Behauptungen in ihren
Blogger-Publikationen einräumen und versuchte, diese in der
Diskusion zu relativieren.
Ohne
weiter oder gar näher auf den Verlauf dieser Talkshow einzugehen sei
festgestellt, dass sie zur „Lügenpresse“ keine neuen
Erkenntnisse oder Aufschlüsse brachte.
In
diesem Zusammenhang fand ich eine Rede des Bundespräsidenten Joachim
Gauck interessant, die er am Donnerstag bei einem Festakt zum
60-jährigen Bestehen des Deutschen Presserats in Berlin hielt. Als
zugestanden etwas aus dem Zusammenhang gerissenen Auszug führte der
Bundespräsident aus: „Natürlich machen auch Medien Fehler, und
Kritik sei erwünscht, sagte Gauck. Doch wer behaupte, fehlerhafte
Berichterstattung sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel, dem gehe
es um die Bestätigung seiner Überzeugung, dass überall nur gelogen
und betrogen werde. „Und die maßlose Wut, ja der Hass auf die
Medien, sie erschrecken uns.“
Und
er argumentierte: „Umso wichtiger ist es, dass Journalisten sich
ernstzunehmender Kritik stellen. „Mir scheint, auch in Deutschland
waren und sind Journalisten nicht immer davor gefeit, nur in eine
Richtung zu schauen statt in alle möglichen“, sagte der
Bundespräsident. Nur mit Verstand und Scharfsinn, Offenheit und
Vorurteilslosigkeit könnten sich die seriösen Medien ein Überleben
gegen die Konkurrenz „digitaler Stammtische“ sichern.“ (Ende
der Auszüge aus „Meedia“)
Dem
kann ich und kann man sicher zustimmen. Zustimmen kann ich aber auch
insoweit dem, wie Meedia tags darauf seinen Wochenrückblick
einleitete: „Die Medien führen das
Unwort von der „Lügenpresse“ mittlerweile häufiger im Mund als
die „Lügenpresse“-Rufer.“ (Ende des Zitats). Dann aber kann
ich vermuten, dass die Medien inzwischen deshalb häufiger die
„Lügenpresse“ im Mund führen, um sich geflissentlicher
rechtfertigen oder aber bemitleiden zu können. Um dadurch
ernsthafter öffentlicher Kritik zu entgehen. Die Selbstgefälligkeit
der Journalisten (Dunja Hajali ist für mich lediglich ein Beispiel
dafür)steht da offenbar der Selbsteinsicht entgegen. Und vielfach
reagieren Journalisten auf sachliche Kritik in sehr persönlicher
Weise, was scheinbar einfacher ist als eine sachliche Entgegnung.
Ich denke angesichts dieser ganzen
„Lügenpresse“-Problematik, dass mit dieser Floskel etwas ganz
anderes ausgedrückt werden soll: dass sich nämlich die Medien und
die Journalistik inzwischen sehr weit schon von ihrer ursprünglichen
und eigentlichen Aufgabe entfernt hat, nämlich zu recherchieren und
danach Fakten anzubieten. Stattdessen verbindet man reale Vorgänge
mit Kommentaren, mit denen man Spekulationen, Annahmen und
Vermutungen verbreitet. Und damit Meinungsmache betreibt. Die
Präsidentenwahl in den USA mit seinem Trump-Ergebnis ist nur ein,
aber recht blamables, Beispiel. Mich jedenfalls wundert es nicht,
wenn bei dieser Tendenz der Verdacht (und Vorwurf) aufkommt, die
Presse sei von der Politik und Wirtschaft gesteuert. Was aber
bedeutet es, wenn Fakten nicht mehr zählen? Wenn (auch deshalb)
Menschen Twitter und Facebook zu ihrer Nachrichten-Welt machen?
Überlegungen zum Wahljahr 2017 kommen da auf und machen besorgt.
Talkshows wie der eingangs erwähnte Maischberger-Talk helfen da
sicher nicht.
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