Dienstag, 20. Dezember 2016

Weihnachten: Auch der Erinnerungen?

Ein Bericht bei Spiegel.online unter dem Titel „Luxusgüter-Versand Genex gibt’s ja gar nicht!“ machte mich hellhörig. In der Einführung dieses Berichtes heißt es (Auszug): „Jacht, Fertighaus, West-Auto? Alles sofort lieferbar.1956 gründete die DDR einen skurrilen Versandhandel: BRD-Bürger shoppten bei Genex für ihre armen Ost-Verwandten – und verschärften den Mangel“ (Ende des Auszugs). Und das weckte bei mir als damaligen BRD-Bürger Erinnerungen an meine Ost-Verwandten, die u.a. in einem alten Fachwerkhaus in Kleinwenden bei Großlohra wohnten. Das Versandunternehmen Genex spielte in unseren verwandtschaftlichen Leben ab den siebziger Jahren eine willkommnene Rolle. Es ging dabei nicht um shoppen bei Genex „für die arme Ost-Verwandtschaft“, nicht um Jachten, Fertighaus oder West-Auto, es ging schlichtweg um Erhalt des Lebensstandards und bei meinem Bruder Eduard noch um die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Fotograf. Und manches davon stellte sich mitunter tatsächlich recht skurril dar.

Ein Beispiel? Das Fachwerkhaus, in dem Bruder Eduard wohnte, wurde allmählich und schließlich so schadhaft, dass der Boden des Erdgeschosses durchzubrechen drohte und sich der Kaminkehrer veranlasst sah, dass die Lieferung von Kohle und festem Brennmaterial eingestellt wurde, weil auch der Kamin defekt war. Und Bau- und Reparaturmateria gab es nicht. Umso überraschter waren meine Angehörigen und auch die informierte Nachbarschaft schien verwundert, als eines tages nacheinander Kohle in LKW in Säcken angeliefert wurde und ein anderer LKW Baumaterial brachte. Eine „Rentnerbrigade“ rückte an und reparierte die ärgsten Schäden. Genex war tätig geworden auf meine westliche Initiative hin.
Als weiteres Beispiel erinnere ich mich, dass ich meinem Bruder Weihnachten 1986 zum Weihnachtsbesuch ein Amateur-Farbfoto-Labor mitbringen wollte. Weil damals in der DDR noch kaum Farbbilder hergestellt werden konnten. An der Grenze in Eisfeld beschlagnahmten die DDR-Zöllner die Amateur-Anlage, weil in der Typenbezeichnung das Wort „Professional-“ enthalten war. Und das angeblich eine formale Einfuhrgenehmigung nötig gemacht hätte. (Man tat gut daran, sich mit den DDR-Zöllner nicht anzulegen,) Ich kam ohne erwartetes Labor zu Weihnachten nach Kleinwenden. Umso mehr freute sich mein Bruder, Eduard, als ihm Wochen später der DDR-Zoll die Anlage ins Haus brachte. Nachdem ich nach meiner Rückkehr vom Weihnachtsbesuch in der DDR die Genex als Vermittler eingeschaltet hatte. Ich könnte weitere Beispiele anführen, die nicht weniger skurril wirken. Und auch den Neid derer auszulösen vermochten, die keine Verbindung nach dem Westen hatten

Womit ich mit diesen Beispielen aus meiner Erinnerung deutlich machen will, dass es damals neben den formalen Wegen mittels der Genex Möglichkeiten gab, die eben DDR- Bürgern verschlossen blieben, die keine Verwandten oder Gönner im Westen hatten.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen