Die Feiern zum
„Silberjubiläum“ der Wiedervereinigung haben sich weitgehend
verflüchtigt, der Alltag ist zurück und macht wieder
uneingeschränkt der seit Monaten dominierenden
Flüchtlingsproblematik Platz. Die ja noch nicht einmal der
Bundespräsident in seiner Festansprache in der Alten Oper in
Frankfurt ausklammerte. Die „Verjüngung“ der deutschen
Gesellschaft durchzieht also alle Bereiche des öffentlichen
Geschehens und wird das auch die nächsten Monate und Jahre tun.
Ich nahm das aktuelle
Ereignis des „Silberjubiläums“ der Wiedervereinigung -
durchsetzt mit der Flüchtlingsproblematik - als interessierter
Bürger so zur Kenntnis wie es durch Politik und die
Berichterstattung der Medien geboten wurde. Wobei mir der Begriff
„Silberjubiläum“ bewusst werden ließ, dass ich mit der 25.
Wiederkehr der Wiedervereinigung auch 25 Jahre älter geworden bin.
Dass aber mein Erleben und meine Erinnerungen sehr viel weiter
zurückreichen als dieses Vierteljahrhundert. Und diese Erinnerungen
wurden mir ins Gedächtnis gerufen nach der Übertragung des
Festaktes mit dem Bundespräsidenten in Frankfurt durch den Thementag
von ZDF info. Dieser Thementag war im wesentlichen dem „Countdown
zum Untergang“ gewidmet, also der Geschichte Hitler-Deutschlands
mit seinem Aufstieg, dem Zweiten Weltkrieg, seinen Verbrechen und
seinem schließlichen Zusammenbruch. Und das in einer Ausführlichkeit
und – soweit ich das beurteilen kann – in einer Authentizität,
die mich mit meinen Erinnerungen an diese Zeit doch nicht ganz so
beschämt werden ließ, wie das durch manche andere Darstellungen
oder „Dokumentationen“ bisher bewirkt wurde Schließlich wollte
ich ja 1945 als damaliger Hitlerjunge noch mit Großdeutschland
retten. Was ich dann durch sowjetische Gefangenschaft und eine
schwere Lungen-Tbc bezahlen musste. Gerade dadurch aber wohl sogar
mein Leben retten konnte, weil das der Grund meiner Entlassung und
einer ersten Krankenhausbehandlung war.
Ich will und werde hier ganz
gewiss nicht meine Erinnerungen öffentlich machen, wie das ja
heutzutage vielfach in Mode gekommen ist. In der ARD läuft gerade
die Themenwoche „Heimat“ und Viele folgen der Anregung – etwa
im Morgenmagazin – um zu erzählen, was sie unter diesem Begriff
verstehen. Und das ist nur ein Beispiel zum Thema
„Mitteilungsbedürfnis“ der Leute. Immerhin aber war und ist für
mich Hitlerdeutschland, Vertreibung (aus dem Sudentenland), Irrungen
und Wirrungen im zerbombten Nachkriegsdeutschland und seiner
allmählichen menschlichen, gesellschafts(politischen), urbanen und
wirtschaftlichen Konsolidierung Thema. Mit gelegentlichen
Krankenhaus- und Kuraufenthalten zwischendurch. Ich habe also
immerhin Vorstellungen, wenn es um Unterdrückung,
Massenunterbringung,Verfolgung, „Umsiedlung“ (meiner Angehörigen)
und deren „Wieder-“Findung geht. Damit kann und soll es dann hier
sein Bewenden haben.
Aktuell allerdings geht es
nach der Talkshow der Moderatorin Anne Will mit Bundeskanzlerin
Angela Merkel am Mittwoch nicht nur um „Verjüngung der
Gesellschaft in Deutschland durch den Flüchtlingsandrang junger
Menschen nach Deutschland“, es geht um die Gesamtproblematik des
Flüchtlingszustroms nach Deutschland. Inzwischen sind
Hunderttausende in Deutschland an- und irgendwie untergekommen, die
Problematik richtet sich also mit dem weiteren Zustrom auf Leben,
Verhalten und Zukunft der Flüchtlinge in Deutschland. Und weil man
dabei auf die Berichterstattung der Medien angewiesen ist, wieder
einmal auf deren Glaubwürdigkeit. Ich lese also neben der Verjüngung
der Gesellschaft vom Abbau des Fachkräftemangels durch die
Flüchtlinge, sogar von einer zu erwartenden Sonderkonjunktur durch
Flüchtlinge („Rheinische Post“ vom 07.10.) und einiges mehr. Und
zwischendurch von vereinzelten Gewaltausbrüchen und sexuellen
Straftaten in Aufnahmeeinrichtungen. Dabei beklagen die Spitzen der
Polizeigewerkschaft, dass solche Vorgänge verharmlost oder ganz
verschwiegen werden. Was also ist Fakt, was wird verharmlost oder gar
verschwiegen? Machen auch die Medien Politik?
Ich denke, die Absichten der
bayerischen CSU zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms an der
österreichischen Grenze sind ein ernstes Zeichen für die Grenzen
der Aufnahmefähigkeit von Flüchtlingen. Und ich erinnere mich an
entsprechende Passagen des Redetextes der Ansprache des
Bundespräsidenten Joachim Gauck anlässlich des Festaktes zum Start
der 40. bundesweiten Interkulturellen Woche in Mainz, die von den
Kirchen getragen wird. Gauck rief zu einem von Vernunft und Mitgefühl
geleiteten Umgang mit dem Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland
auf (Zitat): „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere
Möglichkeiten sind endlich" (Ende des Zitats) Das Asylrecht sei
nicht nach Zahlen zu bemessen, aber "unsere Aufnahmekapazität
ist begrenzt, auch wenn noch nicht ausgehandelt ist, wo diese Grenzen
liegen." Die Politik müsse darauf achten, dass die Kernaufgaben
eines staatlichen Gemeinwesens weiter erfüllt werden. Dazu gehörten
etwa der Schutz der Außengrenzen und die Aufrechterhaltung des
inneren Friedens. "Sie sind die Voraussetzung dafür, überhaupt
Flüchtlinge in großer Zahl aufnehmen zu können",
sagte Gauck. Nötig seien Analysen und eine breite
gesellschaftliche Debatte darüber, wie eine humane Aufnahmepolitik
auch in Zukunft gesichert werden könne.
Dem kann man, denke ich, nur
zustimmen. Dazu aber hilft kein stoisches „Wir schaffen das“ und
ebenso wenig Parolen bei Pegida-Demonstrationen. Dazu braucht es
ruhiger Überlegung der Politik und dem Bemühen um Konsens mit den
Bürgern. An dem es meines Erachtens doch weitgehend fehlt.
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