Nordhausen.
Nach großen Werkschauen zu Pablo Picasso und Joan Miró in den
vergangenen Jahren widmet sich das Kunsthaus
Meyenburg im Sommer 2015 wieder der spanischen Kunst. Dieses Mal mit
einer außergewöhnlichen Doppelausstellung zu Francisco de Goya und
Salvador Dalí.
Goya
(1746 – 1828), der 1786 als Pintor del Rey und Hofmaler in Spanien
bekannt wurde, gehört zu den bedeutendsten Künstlern des ausgehenden 18.
Jahrhunderts. Er schuf 1797-98 die
Folge „Los Caprichos“ – die „launigen Einfälle“ - aus 80 Radierungen
mit zeit- und gesellschaftskritischen Themen und kündigte damit eine
vollkommen neue Phase seiner Kunst an. Goya kritisiert in diesen
Blättern auf faszinierende Weise mit bitterem Spott
sowohl die menschlichen Schwächen als auch die politischen Missstände
seiner Zeit.
Zur
Ausdruckssteigerung nutzte er alle Möglichkeiten, welche die grafische
Technik ihm bot. Expressive Strichsetzung und starke
Hell-Dunkel-Kontraste wurden von Goya gezielt eingesetzt,
um die gewünschte Aussage zu erzielen. Seine Werke zeigen in
schonungsloser Offenheit, die Schwächen, Bosheiten und Laster der
Menschen. Deshalb gilt er als einer der tiefgründigsten Schilderer der
menschlichen Psyche in der Kunst.
Für
viele Künstler in Spanien und ganz Europa ist die Beschäftigung mit
Goyas Erbe auch heute noch eine interessante Herausforderung. Jedoch
empfinden viele Betrachter Dalís Umgang
mit Goyas Hinterlassenschaft fast als Sakrileg.
Salvador
Dalí (1904 – 1989), der zu den bedeutendsten Vertretern des
veristischen Surrealismus gehört, taucht in seinen Werken stets tief in
die Welt der Phantasie ein. Alles wird zur
poetischen Komposition und zur Traumwelt. Das Leben von Salvador Dalí
war – wie seine phantastischen Werke – durch einen Hang zum
Überwirklichen, Unbewussten, Wunderbaren und Geheimnisvollen geprägt.
Unter dem Einfluss der surrealistischen Bewegung, der er
sich 1928 neben Picasso und Miró anschloss, entwickelte er seine aus
dem Unterbewusstsein auftauchenden traumhaften Bildvisionen. Inspiriert
und fasziniert von Sigmund Freud hoffte Dalí, durch die Erforschung der
Träume, neue Ideen für seine Bilder zu finden.
Auf der Suche nach dem Unbekannten stieß er auf das Phänomen der Zeit –
z.B. mit seinen bekannten „weichen Uhren“, als Metapher für die
flüchtige Natur des Menschen und seinen Verfall. Seine bizarren
Darstellungen gleichen häufig Traumszenen in unmöglichen
Verbindungen, die jedoch auch reale Objekte oder Landschaften aus
seinem persönlichen Umfeld integrieren.
Dalís
Metamorphosen zu den „Caprichos“ von Goya haben ebenfalls eine ganz
eigene Aussage. Salvador Dalí hat sich nicht zuletzt wegen ihrer
anhaltenden Aktualität bewusst diese Blätter
zur „Nachbearbeitung“ ausgewählt und widmet sich in seinem letzten
großen grafischen Zyklus diesem Thema. Sein Zyklus ist gleichzeitig auch
als Hommage an den großen Vorgänger anzusehen.
Dalí
integrierte in die goyaschen Vorlagen seine typischen Bildelemente, wie
die fließenden Formen, ergänzte Leerräume und Hintergründe durch
Figürliches und Groteskes oder setzte das
Motiv in eine neue Landschaft. Die vormals durch den
Hell-Dunkel-Kontrast wirkenden schwarzen Radierungen wurden von Dalí
farbig koloriert und mit neuen Titeln versehen. Die Inhalte der
einzelnen Blätter waren schon bei Goya schwer durchschaubar. Dalí hat
sie auf 79 Blättern verändert und die Titel fast noch unverständlicher
gemacht. Nur Blatt Nr. 43 bleibt unverändert und trägt – wie bei Goya –
den Titel „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“. Diese
symbolhaften Zweideutigkeiten machen jedoch auch heute
noch den Reiz dieser faszinierenden Grafiken aus. Der Verleger
Berggruen erkannte die künstlerische Bedeutung von Dalís Metamorphosen
und brachte sie 1977 in einer kleinen Auflage heraus.
Die
Ausstellung bietet durch die direkte Gegenüberstellung der Werke von
Goya und Dalí die einmalige Möglichkeit, das Anliegen der beiden großen
spanischen Künstler auf engem Raum nebeneinander
in einer Ausstellung intensiv zu betrachten und ihre erstaunlichen
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ergründen. Die Ausstellung
präsentiert die kompletten Radierzyklen von Francisco de Goya und
Salvador Dalí mit 160 Arbeiten. Die Leihgaben wurden dankenswerter
Weise aus der Sammlung Richard H. Mayer in Zusammenarbeit mit den
Kunstgalerien Böttingerhaus in Bamberg zur Verfügung gestellt.
Die
Ausstellung ist bis zum 4. Oktober im Kunsthaus Meyenburg, Di bis So 10
bis 17 Uhr zu sehen. (Eintritt: 6,50 €, ermäßigt: 4.50 €, Kinder bis
zum vollendeten 16. Lebensjahr: frei)
Susanne Hinsching, Leiterin Kunsthaus Meyenburg
Zum Bild: Zur Vernissage „Francisco de Goya | Salvador Dalí | Los Caprichos“
(Foto: Ilona Bergmann, Stadt Nordhausen)
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