Erbschaftsteuerbelastung
in Deutschland bei Übertragung eines großen mittelständischen
Musterunternehmens in der Rechtsform einer Kapital- bzw.
Personengesellschaft an nahe Familienangehörige.
Seit
Jahren ermittelt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
(ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen in regelmäßigen
Abständen die Erbschaftsteuerbelastung bei der Übertragung eines
großen mittelständischen Musterunternehmens an nahe
Familienangehörige (Ehegatte oder Kind). Die
Erbschaftsteuerbelastung wird dabei für die Rechtsform einer
Kapital- bzw. Personengesellschaft in Deutschland sowie im
internationalen Vergleich weiterer 17 Länder berechnet. Das
Musterunternehmen weist einen erbschaftsteuerlichen Unternehmenswert
von rund 103 Millionen Euro auf. Modellrechnungen des ZEW auf
Grundlage von drei bisher von der Bundesregierung vorgelegten
Reformvorschlägen zeigen, dass sich die Belastung durch die
Erbschaftsteuer für dieses Musterunternehmen deutlich erhöhen
würde, beim aktuell vorliegenden Kabinettsentwurf um rund 142
Prozent. Das entspricht einem Belastungsanstieg um 10,9 Millionen
Euro auf dann 18,6 Millionen Euro.
Nach
derzeit geltendem Recht beläuft sich die Erbschaftsteuerbelastung
bei Übertragung des Musterunternehmens auf durchschnittlich 7,7
Millionen Euro. Der Durchschnittswert ist das Mittel der
Steuerbelastung bei Übertragung an den Ehegatten oder ein Kind.
Deutschland belegt damit im Ländervergleich Platz zwölf und
befindet sich im hinteren Mittelfeld der 18 verglichenen Länder. Die
geltende Rechtslage hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
vom 17. Dezember 2014 jedoch als verfassungswidrig erklärt und den
Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30. Juni 2016 eine Anpassung der
gesetzlichen Grundlagen vorzunehmen. Dem Gericht gingen dabei
insbesondere die Begünstigungen für Betriebsvermögen zu weit.
Die
Bundesregierung hat in Reaktion auf das Urteil bereits drei
verschiedene Reformvorschläge erarbeitet. Zunächst wurde seitens
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) im Februar 2015 ein
Eckpunkteplan vorgelegt. Dieser sieht vor, die derzeit bestehenden
Begünstigungen für übertragenes Unternehmensvermögen in Höhe von
85 Prozent bzw. 100 Prozent auf einen erwerbsbezogenen Höchstbetrag
von 20 Millionen Euro zu begrenzen. Dieser Höchstbetrag ist als
Freigrenze ausgestaltet, d.h. bei Übertragungen von höheren
Unternehmensvermögen wird keine Begünstigung gewährt, sofern die
vorgesehene Bedürfnisprüfung ins Leere läuft. Bezogen auf das von
uns betrachtete Musterunternehmen würde Deutschland demnach im
internationalen Vergleich von 18 Ländern vom zwölften auf den 17.
Platz zurückfallen. Die durchschnittliche Steuerbelastung würde
sich nahezu verfünffachen, von 7,7 Millionen auf 34,6 Millionen
Euro.
Eine
weitere Konkretisierung zur Reform der Erbschaftsteuer hat das BMF im
Juni 2015 durch einen Referentenentwurf vorgenommen. Dieser sieht
zusätzlich zu der Freigrenze von 20 Millionen Euro ein
Abschmelzmodell beim Verschonungsabschlag für Unternehmensvermögen
zwischen 20 Millionen und 110 Millionen Euro sowie einen
einheitlichen Abschlag von 25 bzw. 40 Prozent jenseits von 110
Millionen Euro vor. Für unser Modellunternehmen ergibt sich hierbei
ein reduzierter Verschonungsabschlag von 30 Prozent. Obwohl die
durchschnittliche Belastung deutlich von 34,6 Millionen auf 25,2
Millionen Euro sinkt, verbessert sich Deutschland in diesem Szenario
nur um einen Rang auf Platz 16.
Weitere
Modifizierungen wurden schließlich im Rahmen des Kabinettsentwurfs
vom 6. Juli 2015 vorgenommen. Demzufolge soll die Freigrenze von 20
Millionen auf 26 Millionen Euro bzw. für Familienunternehmen auf 52
Millionen Euro erhöht, aber auch ein geringerer Verschonungsabschlag
von 20 bzw. 35 Prozent für Vermögen ab 114 Millionen Euro gewährt
werden. Für unser Musterunternehmen resultiert aus der Anhebung der
Freigrenze lediglich ein höherer abgeschmolzener
Verschonungsabschlag von 34 Prozent bzw. von 51 Prozent für
Familienunternehmen. Damit würde sich die durchschnittliche
Steuerbelastung auf 23,9 Millionen bzw. 18,6 Millionen Euro
(Familienunternehmen) belaufen. In beiden Szenarien ergäbe sich
jedoch keine weitere Verbesserung im Länderranking.
Abschließend
ist somit Folgendes festzuhalten: Wird der Kabinettsentwurf in der
vorliegenden Form umgesetzt, würde sich im Erbfall, bezogen auf
unser Musterunternehmen, für Familienunternehmen ein
Belastungsanstieg von 7,7 Millionen auf 18,6 Millionen Euro ergeben.
Dies entspricht einer Zunahme um 10,9 Millionen Euro bzw. rund 142
Prozent. Im Vergleich von 18 betrachteten Ländern würde Deutschland
damit vom zwölften auf den 16. Rangplatz zurückfallen. Insofern
würde die Erbschaftsteuer zu einem erheblichen steuerlichen
Standortnachteil werden, zumal die Erbschaftsteuer im benachbarten
Ausland wenig verbreitet ist. Dies gilt insbesondere für größere
Unternehmensvermögen. "Es stellt sich deswegen die Frage, wieso
sich der Gesetzgeber einer grundlegenden Reform der Erbschaftsteuer
mit einer Abschaffung der Ausnahmen bei der Bemessungsgrundlage,
dafür aber deutlich niedrigeren Steuersätzen, so hartnäckig
verweigert", sagt Prof. Dr. Christoph Spengel, der am ZEW und an
der Universität Mannheim wissenschaftlich tätig ist. "Eine
solche Reform wäre aufkommensneutral, würde Deutschland als
Unternehmensstandort aber deutlich attraktiver machen. Blaupausen für
eine solche Neuordnung liegen seit langem vor."
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