Sonntag, 3. August 2014

Die Hetzer sind immer noch da

So beginnt die Titelzeile eines Artikel in der WELT, in dem gestern Michel Friedman den wieder erwachten und damit nie ganz versiegten Antisemitismus in Deutschland beklagt. Und nachdem ich den Artikel gelesen habe sitze ich also hier und frage mich bislang vergeblich, was ich als Reaktion dazu tun könnte?

In einigen meiner jüngsten Einträge habe ich meine Meinung zu den Demonstrationen in jüngster Zeit in deutschen Städten, vornehmlich von Menschen muslimischen Glaubens, zum Ausdruck gebracht. Dabei habe ich zwar eine Vorstellung von den Ursachen dieser Demonstrationen, aber noch nicht einmal eine grundsätzliche Einstellung zu deren Verursachern und Teilnehmern. Hatte ich zunächst nach den gezeigten Transparenten und den gebrüllten Parolen den Eindruck, Judenhasser seien durch die Straßen gezogen, hörte man – nach den Berichten in den Medien – im weiteren Verlaufe der Demonstrationen keine solchen demonstrativen Äußerungen mehr. War ein jäher Sinneswandel eingetreten? Oder waren es andere Demonstranten mit anderen (gemäßigten oder sachlicheren) Motiven? Und wenn Michel Friedman von nach wie vor vorhandenen Antisemitismus in Deutschland schreibt, den es wohl auch wirklich gibt, fühlen sich deren Vertreter dann durch die gleichgesinnten Muslime verbunden oder gestärkt?

In der WELT schreibt Friedman u.a. (Auszug): „Und nun diese letzten Wochen. Linksextreme, Rechtsextreme und zum ersten Mal unübersehbar und unverdrängbar radikalisierte extremistische Muslime, skandieren wieder einmal "der Jude ist an allem schuld". Die Gewaltbereitschaft und der Hass dieser radikalisierten Muslime ist erschreckend. Sie zu ignorieren oder gar zu rechtfertigen, fahrlässig.
Wehret den Anfängen? Welche Anfänge? Wir sind doch längst darüber hinaus. Wo aber sind die Demokraten, die sich das eingestehen? Stattdessen Sonntagsreden: "Wir solidarisieren uns mit unseren jüdischen Mitbürgern." Wieso eigentlich Mit-Bürger? Ich habe noch nie von den "katholischen Mit-Bürgern" gehört“ (Ende des Auszugs).

Nun halte ich mich ja für einen Demokraten, also für angesprochen. Und ich erinnere mich an meine Jugendzeit: „Der Stürmer“ gehörte fast zur Pflichtlektüre (ich will auf dessen Inhalt gar nicht näher eingehen). Und es gab eine Schriftenreihe (es mag eine katholische gewesen sein) in der es die Fortsetzungsgeschichte „Benitam und Beltram“ gab, die eine ähnliche Linie wie der „Stürmer“ verfolgte. Von meinen Eltern konnte ich keine Aufschlüsse dazu bekommen und auf Aufschlüsse warte ich ganz allgemein auch heute noch von berufener Seite: Warum überhaupt Judenhass? Im „Stürmer“ wurde er auf eine Art erklärt, geschürt und veranschaulicht, die mir grotesk schien. Im Katholizismus gibt es keinen „Hass“ im eigentlichen Sinne, wohl aber eine deutliche Distanzierung durch die Religion begründet. Im Islam dient der Koran einem Teil der Muslime zum friedlichen Miteinander (wenn ich das richtig deute) einem anderen als Begründung, Juden zu hassen. Und im Protestantismus?

Warum nur werden gerade jetzt, vorgeblich in Hinblick auf die Lutherdekade, „Luthers dunkle Seiten“ (TA vom 19 Juli) und Luther als Antisemit (TA am 16. Juni) beleuchtet und Vorträge darüber gehalten? „Antisemitismus steht für Judenhass in jeder Form und mit jeder Begründung“ lese ich da. Die Form ist klar, die Begründung meines Erachtens umso weniger. Sie erklärt sich auch nicht allein aus der Zeit Luthers, denn dann könnte sie als längst überholt gelten. Sein Hass war nicht rassistisch begründet; er war eine verschärfte Form des Jahrhunderte dauernden christlichen Antijudaismus“ heißt es in der TA. Also gibt es auch einen rassistischen Hass. Und einen islamistischen? Schöpfen also Judenhasser aus Quellen, die ihnen gerade genehm sind? Oder halten sie sich mit Begründungen gar nicht auf, sondern verhalten sich blindwütig? Gegen was und wen sollte ich mich dann als Demokrat stellen? Und wer klärt mich nach dem ursächlichen Grund auf? So wie ein Flusslauf im Grunde auch nur eine Quelle hat, danach aber auch mögliche weitere Zu- und Abläufe? Ich werde Pfarrer von Biela um einen Gesprächtermin bitten, er scheint mir dafür authentisch.

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