Samstag, 30. August 2014

Kultur macht stark

Dieser Slogan und Programm des Deutschen Bibliotheksverbandes bietet in Nordhausen seit heute mit der neuen Bibliothek „Rudolf Hagelstange“ einen fast beispiellosen Anreiz zur zukünftigen Nutzung. Mein Bibliotheksausweis ist viele Jahre alt und lag lange, sehr lange, ungenutzt in der Schublade. Und nachdem ich gestern erstmals den neuen Bibliotheksbau – das Bürgerhaus - besuchte, und die Ausgestaltung der neuen Bibliothek kennengelernt habe, holte ich ihn hervor, um ihn, jenem Anreiz folgend, erneuern zu lassen und ihn zukünftig wieder vermehrt zu nutzen.


Es ist in den vergangenen Jahren viel geschrieben, diskutiert und gelästert worden über diesen „Betonklotz“. Initiatoren, Architekten und (Bau-) Dezernenten in der Stadtverwaltung mussten viel Kritik einstecken, wurden beschimpft und verunglimpft und fanden in den (Internet-)Zeitungen dafür viel Gelegenheit. Verstummt ist sie noch nicht, und der Umgang mit den Bürgerwünschen zur Namensgebung des nunmehrigen Bürgerhauses durch den Stadtrat gab ja auch viel Anlass, aber ruhiger und zunehmend sachlicher geht man immerhin in der Einschätzung dieses Bauwerkes um. Und wer es nun auch von innen kennenlernte, dürfte seine anfangs vielleicht ablehnende Haltung überdacht haben.


In meinem Blog findet sich bisher kein direkter Eintrag zu diesem Bau oder der Diskussion um dessen Namen. Warum auch? Ich bin kein Stadt- oder Bauplaner, kein Baudezernent und auch nicht kompetent bei der Frage eines passenden Namen für das zunächst als Kulturbibliothek benamte Bauwerk. Wohl aber wunderte ich mich wiederholt, warum sich während der gesamten Entwicklungszeit der schon frühzeitig (im April 2013) gegründete Förderverein „Nikolei in foro“ nicht zu Wort meldete, der doch bei seiner Gründung die Vermutung aufkommen ließ, er strebe die Mitwirkungs- und Gestaltungshoheit bei der zukünftigen Nutzung der Kulturbibliothek an. Und auch beim jetzigen Festakt trat er in keiner Form in Erscheinung. Ich sehe mich jedenfalls bestätigt durch die Ausführungen des Nordhäuser Oberbürgermeisters Dr. Klaus Zeh, die ich hier wiedergebe. Mit denen er das Projekt mit seiner Bestimmung anlässlich der heutigen Eröffnung umfassend und angemessen umreißt. Und die mich an seine Neujahrsansprache 2014 erinnerte, in der er zur Kulturbibliothek ausführte, sie der Öffentlichkeit als „Haus des Buches, des Geistes, und ein Haus der Demokratie und der Begegnung“ näher zu bringen. Heute also führte er aus:


Meine sehr geehrten Damen und Herren,


zur Eröffnung unseres Bürgerhauses und unserer schönen neuen Stadtbibliothek hier in der Mitte unserer Stadt, am Nikolaiplatz, im Herzen Nordhausens, heiße ich Sie alle sehr herzlich willkommen.


Auch wenn der Termin dieses Ereignisses verschoben werden musste, was bei so anspruchsvollen und komplizierten Projekten immer mit einkalkuliert werden muss, ist die Freude am heutigen Tag sehr groß. Es ist schön, dass wir an diesem Tag auch Ehrengäste begrüßen können, die mit uns diese Freude teilen. Ich möchte einige von Ihnen stellvertretend für alle namentlich begrüßen:


Ich freue mich, dass Sie, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, heute nach Nordhausen gekommen sind. Bibliotheksaufbau ist für Sie kein Fremdwort! Sie haben sich in vielerlei Hinsicht um den Wiederaufbau der „Herzogin Anna Amalia Bibliothek“ in Weimar verdient gemacht. Herzlich willkommen.


Ich freue mich besonders, dass Frau Staatssekretärin Inge Klaan in Vertretung des Bauministers Christian Carius hier ist. Sie sind nicht nur als Vertreter des Hauptfördermittelgebers hier. Sie haben als Baudezernentin dieser Stadt dieses Projekt maßgeblich mit geprägt.


Ich begrüße sehr herzlich Herrn Staatssekretär Prof. Dr. Thomas Deufel, der in Vertretung des Kultusministers Christoph Matschie nach Nordhausen gekommen ist. Als Professor, Wissenschaftsstaatssekretär und Fördermittelgeber haben Sie eine besondere Beziehung zu Büchern. Sie wissen den Wert dieser Bibliothek in besonderem Maße zu schätzen.


Ich begrüße sehr herzlich die Landrätin des Kreises Birgit Keller! Die Stadt gehört zum Landkreis so wie der Kreis zur Stadt. Auch die Menschen des Landkreises sind willkommene Nutzer unserer Bibliothek.


Ich begrüße meine Vorgänger im Amt, Herrn Dr. Manfred Schröter und besonders Frau Barbara Rinke, ohne die dieses Projekt sicher nicht auf den Weg gekommen wäre.
Ich begrüße ganz herzlich meine Stadträte, die auf dem Weg bis zum heutigen Eröffnungstag sehr viel Schelte einstecken mussten. Sehr oft zu Unrecht, wie sich zeigt.


Ein besonderes Willkommen gilt dem Verbandsvorsitzenden des Landesverbandes Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband und heutigen Festredner, Herrn Dr. Eberhardt Kusber. Sie sagten unlängst: „Eine Bibliothek kann in ihrer besonderen Atmosphäre magnetisch wirken“. Der Bibliotheksneubau in Nordhausen ist ein gelungenes Beispiel dafür. Wir freuen uns auf Ihre Festrede.


Ich begrüße die Architektin, Frau Dr. Anke Schettler und Ihr Team. Das Werk ist vollbracht! Sie können stolz darauf sein.


Ich begrüße Vertreter der Baufirmen, der Verwaltungen, der Kirchen, der Bildungseinrichtungen, der Vereine, alle Mitarbeiter - insbesondere jene der Bibliothek, die in den letzten Monaten ein großes Arbeitspensum bewältigen mussten.
Ich begrüße ganz herzlich Gäste aus unserer Partnerstadt Ostrów Wielkopolskí, die stellvertretende Präsidentin der Stadt, Frau Marlena Malag und den Sekretär und Verwaltungsdirektor der Stadt, Herrn Andrzej Baraniak. Es ist schön, dass Sie immer wieder Anteil an der Entwicklung dieser Stadt nehmen.


Ich begrüße die Vertreter der Presse!
Ein herzliches Willkommen Ihnen allen!


Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sagte bei der Wiedereröffnung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek nach dem verheerenden Brand: „Weniges wird in der kulturellen Welt als eine so große Katastrophe erlebt wie der Brand einer Bibliothek.“ Ich sage in Abwandlung dieses Zitates mit Blick auf das heutige Ereignis: Weniges wird in der kulturellen Welt als ein so großes Geschenk empfunden wie der Neubau einer Bibliothek. Das gilt auch in unserem audiovisuellen und digitalen Zeitalter. Bibliotheken waren und sind immer besondere Orte. Hier noch mehr als ein symbolträchtiger Ort in Kombination mit dem Ratssaal. Er ist künftig der Ort der Demokratie, des Meinungsstreites und der Entscheidungen für unsere Stadt.


Ab heute wird es wieder schlagen, Nordhausens Herz. Hier, wo bis zum Baubeginn ein schnöder Parkplatz Ödnis ausstrahlte, werden Menschen kommen, um sich in der Bibliothek Wissen anzueignen oder bei der Lektüre Ruhe zu finden. Sie werden sich im Café oder auf der sonnigen Terrasse treffen. Oder sie kommen in die Stadtratssitzungen in den neuen Ratssaal.


In den letzten Tagen bei den Testläufen haben sich viele Nordhäuserinnen und Nordhäuser ganz schnell „ihre“ Bibliothek erobert. Das ist wohl das größte Kompliment, das man dem Haus machen kann.


Der Ort, an dem sich unser Bürgerhaus heute erhebt, ist historischer Grund. Mit dem 1. Spatenstich für das Bürgerhaus vor fast genau fünf Jahren, setzte sich die Nordhäuser Stadt-, Bau- und Geistesgeschichte an dieser Stelle fort.
Im 11. Jahrhundert erhob sich hier bereits ein Kirchenbau, am Ende des 14. Jahrhundert wurde daraus die Nikolaikirche. Mit der Reformation wurde St. Nikolai die Hauptkirche der evangelischen Christen der Stadt.
In ihr wurden die Eltern von Justus Jonas begraben. Ebenfalls zu Grabe getragen wurden hier der frühere Nordhäuser Bürgermeister und Arzt Conrad Fromann und seine Frau.


Die tragischsten Tage erlebte die Kirche in den Apriltagen des Jahres 1945: 700 Menschen hatten hier vor den Bomben Schutz gesucht, bevor die Kirche selbst von Bomben getroffen wurde.


Die Symbolik des Ortes sollte sich am Martinstag des Jahres 2008 fortsetzen: An jenem Nachmittag wurde bei Bauarbeiten ein 250 Kilo schwerer Bombenblindgänger gefunden. Die gesamte Innenstadt wurde wegen der Entschärfung der Bombe evakuiert. Die Geschichte hatte sich nachdrücklich zurückgemeldet.


Bei der Arbeit der Archäologen gab der Boden jeden Tag neue Geheimnisse preis. Gräber unserer Vorfahren aus der Gründungszeit Nordhausens, Werkzeuge, Schmuckstücke und Handwerksmittel unserer Vorväter: Nordhäuser Geschichte drang ins Bewusstsein zurück. Viele Bürger drängten sich am Bauzaun, um einen Blick auf die Nordhäuser Geschichte zu werfen.


Das Bürgerhaus hat vom ersten Tag an die Nordhäuserinnen und Nordhäuser bewegt. Wohl niemanden in dieser Stadt hat das Projekt kalt gelassen. Der Meinungsstreit war deutlich vernehmbar. Ich sage: Demokratie ist nicht Harmonie, sondern Streit, Streit um die besten Lösungen. Am Ende hat auch hier der Kompromiss gestanden, wie es sich für eine lebendige Demokratie gehört. Im neuen Ratssaal des Bürgerhauses werden künftig die Debatten um das Beste für Nordhausen zu Hause sein. Ich freue mich darauf genauso, wie sicher die meisten von Ihnen!


Sehr geehrte Damen und Herren, am Ende gilt es Dank zu sagen! Für dieses Haus haben in den letzten zehn Jahren hunderte von Frauen und Männern gearbeitet, haben Zeichnungen aufs Papier gebracht, gemauert, Kabel gezogen, Balken gesägt, Fußböden verlegt, Möbel und Bücher geschleppt, Regale eingeräumt und haben Computer angeschlossen. Ich bin froh und dankbar, dass während der gesamten Bauzeit niemand zu Schaden gekommen ist und danke ausdrücklich allen fleißigen Händen und Köpfen, deren Werk unser Bürgerhaus ist.


Als Mann muss ich etwas neidvoll darauf blicken, dass dieses Haus sehr entscheidend durch „Frauenpower“ gestaltet wurde. Insbesondere steht hier meine Amtsvorgängerin, Frau Barbara Rinke mit ihren Visionen und Ideen für das Projekt. Die Baudezernentin Frau Inge Klaan hat mit ihrem Sach- und Fachverstand den handwerklichen Grundstock gelegt und schließlich hat die Zweite hauptamtliche Beigeordnete, Frau Hannelore Haase das Projekt zu einem guten Ende geführt.


Frau Dr. Schettler, die Architektin, hat der Idee des Bürgerhauses Form verliehen, hat vor Ort für viele Details und das Miteinander der Gewerke gesorgt.


Frau Och vom städtischen Bauamt hat mit der nötigen Ruhe, Umsicht und ihrem Sachverstand das Ziel nie aus den Augen verloren und die tausend Fäden in der Hand behalten.


Frau Spieß musste sich mit ganzer Kraft um die Finanzierung kümmern und hat ganz sicher noch nicht das letzte graue Haar dabei bekommen. Frau Dr. Klose hat ihre Ideen und Impulse eingebracht.
Schließlich war Frau Seidel, unsere Bibliotheksleiterin bei ihrem Amtsantritt in der heißen Phase ein Segen. Sie hat manche Idee geerdet, hat uns mit ihrer Begeisterung befeuert und hat mit Ihrer ordnenden Hand gelenkt.
Sie hat die Bücherkette in Nordhausen initiiert.


Damit ich es mir mit meinen männlichen Mitarbeitern nicht gänzlich verderbe und gleichstellungspolitisch nicht daneben liege: Ich danke natürlich auch allen Amtsleitern vom Stadtplanungsamt, Bauamt, Rechtsamt, Hauptamt und ich danke Herrn Jendricke und seinem Dezernat mit Ordnungsamt, Bauordnungsamt und Feuerwehr für die Begleitung des Projektes. Die ganze Stadtverwaltung war daran beteiligt, deshalb danke ich Ihnen allen.


Last but not least auch ein ganz besonderes Dankeschön an den Projektleiter Herrn Jörg Kopprasch, der gemeinsam mit dem Bauleiter Herrn Müller, die Geschicke der Baustelle immer fest in der Hand hielt.


Die Menschen, nicht die Häuser, machen die Stadt.“, lautet eine Weisheit aus England.


Nun kann ich uns, die Nordhäuserinnen und Nordhäuser dazu einladen: Nehmen wir dieses Haus in Besitz.


Ich kann bestätigen: Ein kurzer Besuch macht neugierig und Appetit auf mehr. Am 20.September ist der Tag der offenen Tür.
Kommen Sie, am besten aber schon eher. In das Haus muss Leben einziehen und das wird es auch!


Vielen Dank!


Soweit die Ansprache des Oberbürgermeisters. Auf den Festakt und die zuvor stattgefundene Kennenlern- Aktion werde ich noch eingehen.

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