Sonntag, 31. August 2014

Eindrücke und Assoziationen zur Bürgerhaus-Eröffnung

Wäre ich Berichterstatter, müsste ich mir eingestehen, dass ich mit einem Bericht über die Eröffnung des Bürgerhauses zu spät dran bin, andere wären weit schneller gewesen. Ich könnte einen Bericht über die Lesung im Kunsthaus Meyenburg schreiben, die gestern Abend stattfand. Damit könnte ich mir aber vermutlich sogar Zeit lassen, weil ich niemanden sah, der
mir da zuvor kommen könnte. Und da wiederum überlege ich, warum das so ist? Der Abend war hinreichend oft und anschaulich angekündigt, der Künstler – und es war ein solcher – Ryo Takeda ebenso anschaulich vorgestellt, aber damit schien es seitens der Medien sein Bewenden gehabt zu haben. Vielleicht aber war unter den doch beachtlich vielen Zuhörern ein Bürgerreporter, der für die eine oder andere Zeitung noch einen Bericht schreiben wird. Heutzutage wird ja vieles an Vorgängen und Ereignissen durch solche Bürgerreporter „abgedeckt“. Die sind für die Redaktionen billiger als Journalisten und das scheint auch dem Anspruch der Leser zu genügen. Nichts gegen Bürgerreporter, der „Allgemeine Anzeiger“ etwa hat meines Erachtens durch sie
beträchtlich an Vielfalt und Niveau gewonnen. Eine richtige Zeitung aber, oder die eine solche sein will, und sogar noch von einem „Journalismus-Experten“ geleitet wird, und keinen einzigen ausgebildeten Journalisten beschäftigt, sollte dieser Anspruch aber eigentlich zu gering sein. Auch das dem Zeitgeist geschuldet?


Während des Rundgangs durch das Bürgerhaus, der der offiziellen Eröffnung am Samstag vorausging, traf ich den Journalisten Karl Heinz Bleß aus Bad Lauterberg, den ich vor vielen Jahren als Ressortleiter des „Bad Lauterberger
Tageblattes“ kennenlernte. Einer Zeitung, die ja nach der Wende auch mal einige Jahre eine Redaktion in Nordhausen unterhielt, ähnlich dem „Harzkurier“ aus Herzberg. Beide konnten sich in Nordhausen nicht halten. Und während der „Harzkurier“ noch seine Leser im Südharz bedient, musste das „Bad Lauterberger Tageblatt“ sein Erscheinen 1997 einstellen. Seitdem arbeitet Bleß als selbständiger Journalist, PR-Redakteur und Autor (www.bless – online.de) mit einer Angebotspalette, die erkennen lässt, wie schwer es heutzutage ein freier Journalist hat. Und ich meine, das
beurteilen zu können.



Nun also abwarten, ob über den gestrigen Leseabend noch von anderer Seite berichtet werden wird. Den ich übrigens dem Erlebniskomplex des Wochenendes mit und um das Bürgerhaus zurechne. Und auf den ich noch eigens eingehen werde. Bei der Gelegenheit aber auch erinnere, dass es im Begegnungszentrum Nord seit vielen Jahren
einen Lesekreis um die frühere Lehrerin Carla Buhl gibt, der sich großer Beliebtheit erfreut. Ich muss gestehen, dass ich bisher erst ein Mal an einen Lesenachmittag teilnahm, vor der Dominanz der Frauen aber retirierte.


Ich besuchte also am Freitag erstmals das Bürgerhaus. Und war überwältigt. Weil sich da eine lichte Welt öffnet, die schon das Verweilen im Erdgeschoß interessant erscheinen lässt. Der Anlass allerdings war die Übergabe des großformatigen Gemäldes „Flussauf“des Künstlers Gerd Mackensen durch die Vertreter
der EVN, die dieses Bild käuflich erwarben und es dem Bürgerhaus als Dauerleihgabe überlassen (die Zeitungen berichteten ausführlich). Es ist eines der herausragenden Bilder in diesem Haus und meines Erachtens nur etwas der allgemeinen Aufmerksamkeit entrückt. Getrennt von ihm durch einen Lichthof, der es wiederum besonders effektvoll erscheinen lässt. Und damit in einem sogar notwendigen sinnvollem Abstand der Betrachtung, wenn man
dem Gemälde gegenüber steht.



Einen sehr viel augenfälligeren Platz nimmt dagegen das Bild des Künstlers Klaus Dieter Kerwitz seitlich des Zugangs zum Ratssaal ein. Dazu, und der weiter zu erwartenden Kunst im Bürgerhaus ist in Anlehnung an die offizielle Verlautbarung der Stadt Nordhausen zu lesen, dass zu den zeitgenössischen Werken, die im Kunsthaus gezeigt werden, das 2,40 Meter mal 1,20 Meter große Tryptichon „Sequenzen einer Stadt“ des Nordhäuser Künstlers Klaus-Dieter Kerwitz gehört, der es der Stadt für das Bürgerhaus geschenkt hat.

Zu den Kunstwerken, die darüber hinaus im Bürgerhaus ihren Platz finden werden, zählt jeweils eine Grafik der Mäzenin Ilsetraut Glock: „Hommage á E. A. Poe“ und von Heinz Scharr: „Abstrakte Landschaft“. Hinzu kommt ein Holzrelief der Nordhäuserin Tura Jursa mit der Ansicht des Rathauses und der Nikolaikirche, ebenfalls ein Geschenk.

In den Büros der Mitarbeiterinnen der Bibliothek finden weitere Grafiken aus der städtischen

Kunstsammlung ihren Platz u.a. von Günter Groh und Horst Janssen.
Das Bürgerhaus wird künftig auch Platz bieten für Wechselausstellungen. Derzeit schon gibt es im Bibliotheks-Lesebereich eine Sonderausstellung mit Fotographien von Roland Obst zum Seniorentheater „Silberdisteln“.

Gegenüber des neuen Ratssaals sind zwölf Arbeiten des französischen Künstlers Patrick Degli Esposti zum Thema „Arthur Rimbaud“ zu sehen. Der Künstler stammt – wie auch Rimbaud - aus Nordhausens Partnerstadt Charleville Meziéres und hat diese Werke 1994 anlässlich der 15. Jahrestages der Städtepartnerschaft mit Nordhausen erstmals in Nordhausen ausgestellt.



Bleibt mir noch zu bemerken, dass mich am Samstag die Neugier erneut zum Bürgerhaus trieb, wollte ich doch zur
allgemeinen Bürgerhaus-Eröffnung wissen, wie groß der Andrang zur „Besitzergreifung“ des Hauses durch die Bürger sein würde. Nach all den Diskussionen, Kritiken und Lästerungen seitens vieler Kommentatoren in der Internetzeitung. Und auch sonst in Gesprächen zu diesem Bauwerk, vielfach als Betonklotz, Prunk- und Protzbau bezeichnet. Und stellte fest, dass sich dieser Andrang doch sehr in Grenzen hielt. Dr. Klaus Zeh, Nordhäuser Oberbürgermeister, assistiert von Hannelore Haase, Kulturdezernentin der Stadt, begrüßte die Besucher und stand interessierten Besuchern Rede und Antwort. Dabei bleibt mir einmal mehr festzustellen, dass die vom OB gezeigte Bürgernähe noch von keinem seiner Vorgänger in dieser offenherzigen Weise praktiziert wurde. Soweit zu sehen war, waren viele Besucher auch gekommen, um sich ihren Bibliotheksausweis gleich am ersten Tag in einen neuen umtauschen zu lassen.



Eigentlich hätte auch Inge Klaan an die Seite des Oberbürgermeisters gehört, die ja maßgeblichen Anteil am Entstehen dieses Bürgerhauses hat. Und dafür viel Kritik einstecken musste. Ihr aber hätte man dann sicher unterstellt, sie wolle sich als Landtagskandidatin empfehlen. Ich übernehme das hier bildlich, denn ich habe sie hier als Faltblatt vor mir und muss nicht lange überlegen, warum mir bei Betrachtung ihres Bildes die Bemerkung eines Reporters (Sigi Heinrich?) anlässlich der Leichtathletik-Europameisterschaften einfällt: er bemerkte angesichts einer Läuferin über 800 Meter (ihr Name sei aus Höflichkeit verschwiegen), sie könne vielleicht einen Schönheitswettbewerb gewinnen, nicht aber die 800 Meter. In übertragenem Sinne halte ich für durchaus möglich, dass Inge Klaan nicht nur das eine, sondern auch ihre Wahl in den Landtag gewinnen könnte. Am 14. September wird man zumindest letzteres erfahren.

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