Wäre ich Berichterstatter, müsste ich mir eingestehen, dass ich
mit einem Bericht über die Eröffnung des Bürgerhauses zu spät
dran bin, andere wären weit schneller gewesen. Ich könnte einen
Bericht über die Lesung im Kunsthaus Meyenburg schreiben, die
gestern Abend stattfand. Damit könnte ich mir aber vermutlich sogar
Zeit lassen, weil ich niemanden sah, der
mir da zuvor kommen könnte.
Und da wiederum überlege ich, warum das so ist? Der Abend war
hinreichend oft und anschaulich angekündigt, der Künstler – und
es war ein solcher – Ryo Takeda ebenso anschaulich vorgestellt,
aber damit schien es seitens der Medien sein Bewenden gehabt zu
haben. Vielleicht aber war unter den doch beachtlich vielen Zuhörern
ein Bürgerreporter, der für die eine oder andere Zeitung noch einen
Bericht schreiben wird. Heutzutage wird ja vieles an Vorgängen und
Ereignissen durch solche Bürgerreporter „abgedeckt“. Die sind
für die Redaktionen billiger als Journalisten und das scheint auch
dem Anspruch der Leser zu genügen. Nichts gegen Bürgerreporter, der
„Allgemeine Anzeiger“ etwa hat meines Erachtens durch sie
beträchtlich an Vielfalt und Niveau gewonnen. Eine richtige Zeitung
aber, oder die eine solche sein will, und sogar noch von einem
„Journalismus-Experten“ geleitet wird, und keinen einzigen
ausgebildeten Journalisten beschäftigt, sollte dieser Anspruch aber
eigentlich zu gering sein. Auch das dem Zeitgeist geschuldet?
Während des Rundgangs durch das Bürgerhaus, der der offiziellen
Eröffnung am Samstag vorausging, traf ich den Journalisten Karl
Heinz Bleß aus Bad Lauterberg, den ich vor vielen Jahren als
Ressortleiter des „Bad Lauterberger
Tageblattes“ kennenlernte.
Einer Zeitung, die ja nach der Wende auch mal einige Jahre eine
Redaktion in Nordhausen unterhielt, ähnlich dem „Harzkurier“ aus
Herzberg. Beide konnten sich in Nordhausen nicht halten. Und während
der „Harzkurier“ noch seine Leser im Südharz bedient, musste das
„Bad Lauterberger Tageblatt“ sein Erscheinen 1997 einstellen.
Seitdem arbeitet Bleß als selbständiger Journalist, PR-Redakteur
und Autor (www.bless – online.de) mit einer Angebotspalette, die
erkennen lässt, wie schwer es heutzutage ein freier Journalist hat.
Und ich meine, das
beurteilen zu können.
Nun also abwarten, ob über den gestrigen Leseabend noch von
anderer Seite berichtet werden wird. Den ich übrigens dem
Erlebniskomplex des Wochenendes mit und um das Bürgerhaus zurechne.
Und auf den ich noch eigens eingehen werde. Bei der Gelegenheit aber
auch erinnere, dass es im Begegnungszentrum Nord seit vielen Jahren
einen Lesekreis um die frühere Lehrerin Carla Buhl gibt, der sich
großer Beliebtheit erfreut. Ich muss gestehen, dass ich bisher erst
ein Mal an einen Lesenachmittag teilnahm, vor der Dominanz der Frauen
aber retirierte.
Ich besuchte also am Freitag erstmals das Bürgerhaus. Und war
überwältigt. Weil sich da eine lichte Welt öffnet, die schon das
Verweilen im Erdgeschoß interessant erscheinen lässt. Der Anlass
allerdings war die Übergabe des großformatigen Gemäldes
„Flussauf“des Künstlers Gerd Mackensen durch die Vertreter
der
EVN, die dieses Bild käuflich erwarben und es dem Bürgerhaus als
Dauerleihgabe überlassen (die Zeitungen berichteten ausführlich).
Es ist eines der herausragenden Bilder in diesem Haus und meines
Erachtens nur etwas der allgemeinen Aufmerksamkeit entrückt.
Getrennt von ihm durch einen Lichthof, der es wiederum besonders
effektvoll erscheinen lässt. Und damit in einem sogar notwendigen
sinnvollem Abstand der Betrachtung, wenn man
dem Gemälde gegenüber
steht.
Einen sehr viel augenfälligeren Platz nimmt dagegen das Bild des
Künstlers Klaus Dieter Kerwitz seitlich des Zugangs zum Ratssaal
ein. Dazu, und der weiter zu erwartenden Kunst im Bürgerhaus ist in
Anlehnung an die offizielle Verlautbarung der Stadt Nordhausen zu
lesen, dass zu den zeitgenössischen Werken, die im Kunsthaus gezeigt
werden, das 2,40 Meter mal 1,20 Meter große Tryptichon „Sequenzen
einer Stadt“ des Nordhäuser Künstlers Klaus-Dieter Kerwitz
gehört, der es der Stadt für das Bürgerhaus geschenkt hat.
Zu
den Kunstwerken, die darüber hinaus im Bürgerhaus ihren Platz
finden werden, zählt jeweils eine Grafik der Mäzenin Ilsetraut
Glock: „Hommage á E. A. Poe“ und von Heinz Scharr: „Abstrakte
Landschaft“. Hinzu kommt ein Holzrelief der Nordhäuserin Tura
Jursa mit der Ansicht des Rathauses und der Nikolaikirche, ebenfalls
ein Geschenk.
In den Büros der Mitarbeiterinnen der
Bibliothek finden weitere Grafiken aus der städtischen
Kunstsammlung
ihren Platz u.a. von Günter Groh und Horst Janssen.
Das
Bürgerhaus wird künftig auch Platz bieten für
Wechselausstellungen. Derzeit schon gibt es im
Bibliotheks-Lesebereich eine Sonderausstellung mit Fotographien von
Roland Obst zum Seniorentheater „Silberdisteln“.
Gegenüber
des neuen Ratssaals sind zwölf Arbeiten des französischen Künstlers
Patrick Degli Esposti zum Thema „Arthur Rimbaud“ zu sehen. Der
Künstler stammt – wie auch Rimbaud - aus Nordhausens Partnerstadt
Charleville Meziéres und hat diese Werke 1994 anlässlich der 15.
Jahrestages der Städtepartnerschaft mit Nordhausen erstmals in
Nordhausen ausgestellt.
Bleibt mir noch zu bemerken, dass mich am Samstag die Neugier
erneut zum Bürgerhaus trieb, wollte ich doch zur
allgemeinen
Bürgerhaus-Eröffnung wissen, wie groß der Andrang zur
„Besitzergreifung“ des Hauses durch die Bürger sein würde. Nach
all den Diskussionen, Kritiken und Lästerungen seitens vieler
Kommentatoren in der Internetzeitung. Und auch sonst in Gesprächen
zu diesem Bauwerk, vielfach als Betonklotz, Prunk- und Protzbau
bezeichnet. Und stellte fest, dass sich dieser Andrang doch sehr in
Grenzen hielt. Dr. Klaus Zeh, Nordhäuser Oberbürgermeister,
assistiert von Hannelore Haase, Kulturdezernentin der Stadt, begrüßte
die Besucher und stand interessierten Besuchern Rede und Antwort.
Dabei bleibt mir einmal mehr festzustellen, dass die vom OB gezeigte
Bürgernähe noch von keinem seiner Vorgänger in dieser
offenherzigen Weise praktiziert wurde. Soweit zu sehen war, waren
viele Besucher auch gekommen, um sich ihren Bibliotheksausweis gleich
am ersten Tag in einen neuen umtauschen zu lassen.
Eigentlich hätte auch Inge Klaan an die Seite des
Oberbürgermeisters gehört, die ja maßgeblichen Anteil am Entstehen
dieses Bürgerhauses hat. Und dafür viel Kritik einstecken musste.
Ihr aber hätte man dann sicher unterstellt, sie wolle sich als
Landtagskandidatin empfehlen. Ich übernehme das hier bildlich, denn
ich habe sie hier als Faltblatt vor mir und muss nicht lange
überlegen, warum mir bei Betrachtung ihres Bildes die Bemerkung
eines Reporters (Sigi Heinrich?) anlässlich der
Leichtathletik-Europameisterschaften einfällt: er bemerkte
angesichts einer Läuferin über 800 Meter (ihr Name sei aus
Höflichkeit verschwiegen), sie könne vielleicht einen
Schönheitswettbewerb gewinnen, nicht aber die 800 Meter. In
übertragenem Sinne halte ich für durchaus möglich, dass Inge Klaan
nicht nur das eine, sondern auch ihre Wahl in den Landtag gewinnen
könnte. Am 14. September wird man zumindest letzteres erfahren.
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