Nordhausen hat mit der
Eröffnung des Bürgerhauses am Samstag mit der neuen Stadtbibliothek
„Rudolf Hagelstange“ ein modernes, kulturelles Zentrum
geschaffen, das in Thüringen seinesgleichen sucht. Und entsprechend
bezeichnete Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in ihrem
Grußwort im Festakt am Freitag im Ratssaal die neue Bibliothek als
Leuchtturm in der großen Bibliothekslandschaft in Thüringen. Die
interessierte Bürgerschaft hatte am Samstag anlässlich der
offiziellen Eröffnung dieses Bürgerhauses erste Gelegenheit, sich
in der neuen, großzügig gestalteten Bibliothek umzusehen. Die
Zukunft wird zeigen, wie sich das kulturelle Leben in der Bibliothek
gestalten und von den Bürgern genutzt werden wird.
Es mag Zufall sein, dass es
genau auch an diesem Samstag im
Kunsthaus Meyenburg in literarischer
Hinsicht mit der Lesung durch den Sänger und Künstler des Erfurter
Zughafens Ryo Takeda einen absoluten Höhepunkt gab. Wem der Name Ryo
Takeda in Nordhausen bisher kein Begriff war, dürfte schon eine
Vorstellung bekommen, wenn er erfährt, dass in der Terminliste des
Künstlers unter dem Motto: „Takeda liest“ Städte wie Kassel,
Köln, München, Basel oder auch Rostock stehen. Sein Auftritt im
Kunsthaus nicht nur als beiläufiger Abstecher, spricht für das
kulturelle Image der Stadt Nordhausen. Die Ankündigung dieser
Veranstaltung war aber auch so umfangreich und anschaulich, dass Ryo
Takeda von einem informierten Publikum im Kunsthaus empfangen und von
der Leiterin des Kunsthauses, Susanne Hinsching, begrüßt und
eingeführt wurde. Zugleich stellte die Veranstaltung die Finissage
der Sonderausstellung „tiefgrün bis zartbitter“ von Gerd
Mackensen dar.
Entsprechend der Ankündigung
legte sich Ryo Takeda Bücher des japanischen Autors Haruki Murakami
zurecht, aus denen er die besten Kurzgeschichten las, darunter seine
wohl bekannteste Erzählung "Wie ich eines schönen Morgens im
April das 100%ige Mädchen sah". Und er zeigte sich souverän:
fremden Texten beim Vorlesen Leben einzuhauchen, vor und für seine
Zuhörer. In einer einfühl- und mitteilsam Art, die gleichermaßen
unterhaltend wie spannend wirkt. Selbst da, wo die Handlung gar keine
Spannung in sich birgt. Damit vermag er seine Zuhörer sehr schnell
und zunehmend auf sich zu fixieren. Wobei er sein Metier so gut
beherrscht, dass er darüber auch die Wirkung seines Vortrags auf
seine Zuhörer einzuschätzen vermag. Und die Inhalte einiger der
vorgelesenen Kurzgeschichten bedurften schon eines Interpreten wie
Takeda, um auch da noch spannend zu wirken, wo die Handlung verflacht
oder in keine Pointe mündet. Wie etwa in der Geschichte über das
systematische Abbrennen von Scheunen. Oder dem unspektakulären
Ausklingen zwischenmenschlicher Beziehungen. Und offenbar hatte er
einen Autor gewählt, bei dem diese, seine Vortragskunst besonders
gut zum Ausdruck kam. Haruki Murakami eben, einen japanischen Autor,
dem er sich
offensichtlich besonders verbunden fühlt. Keiner wäre
wohl deshalb als Interpret prädestinierter als Takeda, sagt er doch
von sich selbst, dass er als Halbjapaner ein Stück japanische
Identität in sich trägt (seine Mutter ist Japanerin, Pianistin, und
begleitet des öfteren ihren Sohn musikalisch am Klavier.) Und dazu
gehört wohl auch seine Art natürlicher duldsamer Höflichkeit, die
er gegenüber Spätankömmlingen oder auch einer Zuhörerin gegenüber
zeigte, deren Handyklingeln durchaus unpassend wirkte. Ohne sich
darüber aus seinem Konzept bringen zu lassen. Er beherrscht einfach
die Szenerie und gefiel in seiner Art des Vorlesens ebenso wie in der
Kommunikation nach Ende des offiziellen Teiles, etwa mit
AutogramminteressentInnen. Als Vorlesekapazität, aber auch als
sympathischer Mensch und Künstler wird Ryo Takeda sicher nicht nur
mir in bester und nachhaltiger Erinnerung bleiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen