Freitag, 29. August 2014

Schmuddelwerbung ohne nachhaltige Wirkung

Helle Aufregung herrschte nach zahlreichen Medienberichten vergangene Woche im Schwarzwald Der Grund: Die Anzeige des Tourismusvereins Ferienland Schwarzwald im Bordmagazin einer Fluggesellschaft. Darin hieß es „Große Berge, feuchte Täler und jede Menge Wald" Und das neben der Silhouette einer sich räkelnden Frau mit Bollenhut. Und die war vom Deutschen Werberat beanstandet worden. Man habe die Firma zu einer Stellungnahme aufgefordert. Ferienland Schwarzwald versprach, diese umgehend zu schicken, so dessen Vize Hans-Peter Weis. Bis dahin werde man die Anzeige vorerst nicht weiterverbreiten. "Sicherlich ist die Anzeige frech, provokant und vielleicht frivol. Aber die Aufmerksamkeit gibt uns doch recht."


Inzwischen ist es zwar um die beanstandete Anzeige ruhig geworden, aber – wie in solchen Fällen üblich – ist sie für die Medien Anlass, die Problematik wieder einmal ganz allgemein in den Focus zu rücken. Und als Anhang eine ganze Liste von werbenden Anzeigen in Erinnerung zu bringen, die vom Deutschen Werberat als sexistisch oder lasziv beanstandet wurden. Weil man zum Beispiel halbnackte Frauen in dusseligen Posen sinnlose Botschaften an den Mann zu bringen versuchte. Zwar sieht das der Deutsche Werberat häufig nicht ganz so kritisch, aber wo er nach einer Anzeige beanstandend tätig wird, ist es wohlbegründet.


Aus der Beschwerdemenge lässt sich einiges ablesen. So nutzt die Bevölkerung in Deutschland diese Institution als Korrektiv. Mehr noch - in 43 Prozent aller zu entscheidenden Vorgänge setzten sich die Beschwerdeführer durch; sie wirken damit als wesentlicher Teil der freiwilligen Reinigungskraft der Werbebranche. Ein gutes (hohes) Drittel Werbekorrektur bescheinigt den Bürgern gleichzeitig ihre Kompetenz als Werbekritiker.


Ebenso bemerkenswert die herausragende Autorität des Werberats. Das Gremium setzt sich fast immer mit seinen Beanstandungen bei den betroffenen Unternehmen durch. Das ist keineswegs selbstverständlich: Es handelt sich bei den meisten Streitfällen um rechtlich einwandfreie Werbung, worauf die Firmen pochen könnten, aber aus werbeselbstdisziplinärer Räson darauf verzichten. Selbst die 4 Prozent Öffentlicher Rügen haben einen meist positiven Effekt: Die derart in öffentliche Debatte gezogenen Firmen werden in der Regel danach nicht mehr werbekritisch auffällig.


Insgesamt 95 Fälle und damit fast 50 Prozent machte der Bereich der geschlechterdiskriminierenden Werbung in den vergangenen Perioden aus. Konstant hoch bleibt danach innerhalb dieses Beschwerdemotivs der Vorwurf der Frauenherabwürdigung, -diskriminierung. Männerdiskriminierung ist dagegen noch ein Randphänomen bei der Verbraucherkritik.


Bei den Branchen vor dem Werberat gab es bezüglich der Eigenwerbung der Medien Konstanz: Sie lagen mit 22 Fällen auf Position 1, gefolgt von Elektronik/Telekommunikation mit 20 Fällen, Handel mit 19, Bekleidung/Mode mit 13, alkoholhaltigen Getränken (12), Lebensmitteln (ebenfalls 12) sowie Kfz und Kfz-Zubehör (11). Die übrigen Branchen waren einstellig.


Ohne hier näher auf die in den Anhängen der Berichte aufgeführten Beispiele einzugehen, werde ich doch an einen Fall erinnert, der sich im vergangenen Jahr in Nordhausen ereignete „Das Dekolleté von Nordhausen“ hieß es da am 12. August 2013 in „Spiegel online“ unter dem Titel „Sexistische Werbung“. Es ging dabei um eine Werbung in der „Kleine NZ“ am 05.Juni 2013, über die der „Spiegel“ schrieb (Auszug): „Zwei Brüste, ein zweideutiger Spruch, eine schlüpfrige Botschaft - fertig ist die erfolgreiche Werbeanzeige. Das denkt man sich offenbar auch beim lokalen Nachrichtenportal "nnz-online" in Nordhausen. Doch dann entdeckt die Gleichstellungsbeauftragte des thüringischen Städtchens das Motiv“ (Ende des Auszugs) Und Stefani Müller, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nordhausen, schrieb den beiden Herausgebern der "Kleinen Nordhäuser Zeitung" einen Brief (Auszug der nnz), „den wir gern einmal veröffentlichen wollen, weil es eben eine Anzeige der nnz betrifft, auf die sich Frau Müller aus dem Rathaus bezieht.

Sehr geehrte Herren,

ich muss mich über die Gestaltung Ihrer Titelseite beschweren. Sicher müssen Sie solche Großereignisse wie den Auftritt eines DSDS- Sternchens überdimensional bewerben. Ganz sicher müssen Sie den Abstieg im Niveau nicht noch beschleunigen, indem Sie mit einer orangefarbigen Anzeige Ihre Zeitung mit Hilfe frauenfeindlicher und sexistischer Worte und Motive „an den Mann“ bringen wollen.

Ich möchte Sie bitten, demnächst zu achten, keine Frauen herabwürdigende Texte und Bilder zu veröffentlichen.

Freundliche Grüße
Stefani Müller
Gleichstellungsbeauftragte


Darauf antwortete der Herausgeber der nnz wie folgt (Auszug): Sehr geehrte Frau Müller, wer den Sinn der Werbung nicht versteht und keinen Humor hat, der sollte in nächster Zeit vielleicht alle Medien meiden. Wenn Sie jedoch noch mehr lustige Werbung sehen wollen? Kein Problem -
hier gibt es weitere Vorlagen.

Fraglich ist darüber hinaus auch, ob Sie als Gleichstellungsbeauftragte der Stadtverwaltung Ihre Kompetenzen auf die freie Wirtschaft ausdehnen können? Ihre sicher notwendige Verantwortung in dieser sicherlich notwendigen Funktion sollte auf das Rathaus beschränkt bleiben, meint
Peter-Stefan Greiner, nnz-Redaktion (Ende des Auszugs).



Was diesen Vorgang aus der Liste der übrigen Beispielen heraushebt, ist die Reaktion der „Neuen Nordhäuser Zeitung“ auf die Rüge des Werberates: Dort nämlich sah man kein Fehlverhalten und wollte die fragliche Werbung weiterhin auf der Website belassen. Daraufhin sprach der Werberat eine öffentliche Rüge aus, die nicht nur der NNZ zuging, sondern auch der bundesweiten Presse. Im Wortlaut:
“Der Werberat ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Werbemotiv zu beanstanden ist, da es, insbesondere in Verbindung mit dem Slogan, Frauen auf ihre Körperlichkeit reduziere und suggeriere, sie müssten tun, was ein Mann von ihnen verlange. Zudem werde der Körper einer Frau mit einem Produkt (Zeitung) gleichgesetzt. Beides sei in kommerzieller Kommunikation nicht akzeptabel.”
Bei „Schreiben als Beruf“ war dazu am 26. November 2013 zu lesen (Auszug): „Wie sehr sich eine solche Rüge verbreitet, hängt dann einzig von den berichtenden Medien ab. In diesem Fall schrieb überregional nur die taz darüber. Selbst Spiegel Online, der als einziges überregionales Blatt im August über die Beschwerden geschrieben hatte, verfolgte die Geschichte nicht weiter. Ist eine Rüge, bei so wenig Widerhall in der Öffentlichkeit, dann nicht nur ein zahnloser Tiger? Katja von Heinegg vom Deutschen Werberat verneint:
“Die Rüge mit der einhergehenden Prangerwirkung stellt eine empfindliche Sanktion dar, denn [die Unternehmen, Anm. d. Red.] investieren in ihr positives Image nicht unerhebliche Betriebsmittel. Gerügte Unternehmen werden erfahrungsgemäß selten ein zweites Mal werbeauffällig.”

Tatsächlich ist die betreffende Anzeige mittlerweile von der Website der NNZ verschwunden (Ende des Auszugs). Das aber scheint die einzige (stillschweigende) Reaktion in dieser Angelegenheit zu sein. Mein Interesse an dem ganzen Vorgang begründet sich übrigens aus dem Umstand, dass ich die nnz zwei Jahre zuvor für den Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung vorschlug. Die nunmehrige Erinnerung an die danach eingetretene Entwicklung kann mich nicht freuen, scheint aber dem Zeitgeist zu entsprechen. Und das finde ich schade.

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