Gerade
noch rechtzeitig vor Erreichen der kostenlosen 20-Artikel-Grenze, die
man in der Internet-Ausgabe der WELT abrufen kann, erwischte ich
unter dem Stichwort „Massenverblödung“ einen Artikel, in dem
eingangs festgestellt wird (Zitat): „Das Wissen der Deutschen
erodiert.“ (Zitatende). Und schon da frage ich mich, ob man im
Zusammenhang mit genau diesem Thema eine solche Wortwahl treffen
muss?Stellt sich der Autor damit nicht auf ein Podest, von dem
herunter er argumentiert?
Mein
eigenes Wissen etwa ist längst erodiert, wenn es um die Kenntnis und
den Umgang mit einem Großteil der neuen Medien geht. Meine
Kenntnisse reichen gerade soweit, wie ich die für meine Tätigkeit
am Rechner benötige. Und ich sehe auch insofern recht alt aus etwa
gegenüber meinen Enkeln oder Schulkindern im allgemeinen, wenn es um
Kenntnisse und Begriffe geht, die den Kids heutzutage im digitalen
Zeitalter und im praktischen Umgang mit der digitalen Technik
geradezu selbstverständlich sind.
Und
nun lese ich also, dass etwa in Neukölln etwa 40 Prozent der
Jugendlichen keinen Abschluss hat. „Dabei haben wir aus unserer
Geschichte gelernt, dass Dummheit tödlich sein kann“ heißt es zur
Einleitung in diesem Artikel. Wobei der Autor mit Dummheit
Unwissenheit und nicht etwa Mangel an Intelligenz meint .
Nun
verstehe ich nicht, warum als Beleg für die Verdummung junger
Menschen der Teil einer Stadt herangezogen wird, in dem bekanntlich
überwiegend Einwohner mit Migrantenhintergrund wohnen. Und ich
denke, sinnvoller wäre es zu untersuchen (wenn das bisher nicht
schon geschehen ist), wie sich ein steigender Anteil von Migranten
und deren Kinder auf die einheimischen Bewohner und deren Kinder auch
in der schulischen Bildung auswirkt. Und warum. Mir scheint, hier
wird wieder einmal bewusst eine Entwicklung und Situation mit
negativen Auswirkungen – hier im Bildungswesen – zur Grundlage
düsterer Prognosen gemacht und verallgemeinert.
Gerade
berichtet „Deutschlandradio“ dass die
Bundesländer einer Studie zufolge Fortschritte in ihren
Bildungsangeboten gemacht haben (Auszug): „Besonders bei den
Betreuungsbedingungen für Kinder und im Kampf gegen Schul- und
Ausbildungsabbrüche verzeichnet der von der Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft vorgestellte Bildungsmonitor 2014 Verbesserungen.
Außerdem wurde positiv hervorgehoben, dass Professoren mehr Geld zur
Forschung bereit gestellt werde und sich das Fachkräfteangebot
gebessert habe. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft
bewertete im Auftrag der Initiative die Bildungspolitik der
Bundesländer. Dabei schnitt Sachsen am besten ab, gefolgt von
Thüringen und Bayern.“ (Ende des Auszugs). Soweit ich die Szenerie
überschauen kann – als Vater dreier längst erwachsener Töchter –
gibt es nicht wenige Defizite im bundesdeutschen Bildungswesen. Dass
sich darüber aber „das gebildete Deutschland abschafft“, wie es
im Titel des WELT-Artikels heißt, halte ich eher für die Erodierung
einer seriösen Berichterstattung. Mit der die Redaktion dem Anspruch
des gebildeten Deutschlands auf verantwortungsvolle Berichterstattung
kaum gerecht wird.
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