Freitag, 6. Februar 2015

Zur Einheit nach 25 Jahren Wiedervereinigung

Die Feierlichkeiten anlässlich der 25. Wiederkehr der Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik im November 2014 ist längst wieder Geschichte. Nach Formen und Inhalten der damaligen Veranstaltungen durfte man annehmen, dass die Wiedervereinigung nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich in der Vorstellung der Menschen, vornehmlich der Ostdeutschen, inzwischen vollzogen ist. Und sich ihre Bereitschaft zum politischen Engagement verstärkt auch in den kommunalen Bereichen zeigt. Auch wenn in Studien der verschiedensten Art noch immer hartnäckig unterschieden wird zwischen West- und Ostdeutschland.


Schon deshalb freute es mich , als ich unlängst in der SZ las, dass die Deutschen wichtige Entscheidungen in ihrer Kommune nicht mehr nur ihren gewählten Vertretern im Rathaus überlassen wollen. Drei von vier Bürgern wünschen sich einer neuen Studie zufolge, mitreden zu können, bevor ihr Gemeinderat wichtige Entscheidungen trifft. Und mehr als zwei von drei Befragten würden sogar gerne direkt - etwa per Bürgerentscheid - über wichtige Fragen in ihrer Gemeinde mitentscheiden wollen.(SZ vom 02.02.). Das lässt meines Erachtens auf eine einheitliche Auffassung in West- und Ostdeutschland schließen. Zumindest wird von keinen entsprechenden Unterschieden berichtet.
Gern würde ich mir hier weitere Auszüge aus diesen Bericht „zu Gemüte führen“, wenn ich nicht fast zur gleichen Zeit im Internet auf einen Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung gestoßen wäre, in dem jetzt nach 25 Jahren der Stand der "inneren Einheit" untersucht und der Frage nachgegangen wird , was die Menschen in Ost und West unter einer "guten" politischen Ordnung verstehen. Und was dies zukünftig für die Sozialwissenschaft bedeutet.Darin heißt es, (Auszug): „Wer glaubt, ein Vierteljahrhundert des Zusammenlebens müsste Ressentiments zwischen Ost- und Westdeutschen abgetragen haben, den belehrte eine große Tageszeitung unlängst eines Besseren. Dort hieß es, "der" Osten Deutschlands wittere beim Blick auf "den" Westen "im Inneren eine verkommene und verlogene Gesellschaft, in der […] die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer würden. Eben genau so, wie es die Marxisten schon immer gesagt hatten. Das, was die westliche Gesellschaft ausmacht, Freiheit, Demokratie, Pluralismus, Marktwirtschaft, wird als bedrohlich oder wenigstens sehr anstrengend angesehen. […] Bei der Freiheit […] hat sich für die Ostdeutschen auch schnell gezeigt, dass sie zwar eine so schöne Seite wie Reisefreiheit bietet, aber eben auch Selbstverantwortung verlangt. Und erst die Demokratie mit ihrem zeitaufwändigen Ausgleich verschiedener Interessen! Dann der Pluralismus mit seinen Zumutungen. Und schließlich: Wer es mit der Marktwirtschaft ernst meint, sieht sich rasch als Neoliberaler verunglimpft. […] Es sind die alten Vorbehalte gegen eine Gesellschaft, die den Menschen nimmt, wie er ist".
Das ist nun wieder ein so negatives Urteil über die Stimmungslage der Ostdeutschen, die geradezu bestürzend ist. Die aber in diesem Beitrag so ausführlich begründet und erläutert wird – und die ich aus meiner Froschperspektive nicht nachvollziehen kann - dass ich mich erst einmal näher damit befassen muss, bevor ich überhaupt zu einer Abwägung der angebotenen Argumente kommen kann. Sollte man sich aber überhaupt damit auseinandersetzen?
Ein Beispiel: Da geht es um die Uneinigkeit bei der Bewertung der deutschen politischen Kultur. Für deren Unterschiedlichkeit es zwei Gründe geben soll: Zum einen fehlt es an objektiven Maßstäben, die angeben, wann ein Unterschied als relevant gilt. Deswegen entzünden sich an Prozentsatzdifferenzen hitzige Debatten. Um nur einen Aspekt politischer Kultur herauszugreifen: Deutet eine Diskrepanz von 8,5 Prozentpunkten bei der Verbreitung geschlossener rechtsextremer Weltbilder zwischen Ost und West auf eine tiefe Kluft, oder ist sie kaum der Erwähnung wert? Derartige Interpretationsspielräume nähren "politischen Zweckoptimismus oder aber Zweckpessimismus". Aus diesem Grund ist die Kontroverse um die "innere Einheit" der Bundesrepublik "bis heute […] geprägt von den politischen Positionen der Beteiligten“. Zeitungskommentare - wie der aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ - rufen dies von Zeit zu Zeit ins Gedächtnis.
Zum anderen unterstellt die Sozialwissenschaft seit geraumer Zeit, es gebe so etwas wie eine typisch ostdeutsche und eine typisch westdeutsche Sicht der Dinge. Um einen Eindruck von der "inneren Einheit" Deutschlands zu erhalten, wird daher seit 1989/1990 immer nur der politisch-kulturelle Abstand zwischen Ost und West vermessen, ohne deren innerer Verfasstheit auch nur einen Blick zu schenken. Das wäre allerdings wichtig, würden doch Friktionen innerhalb des Ostens und innerhalb des Westens die These "zweier politischer Kulturen" widerlegen.

Das mag genügen, um die Problematik darzustellen. Wobei ich mich frage, ob man sich überhaupt so tiefgreifend mit Ursache und Wirkung der jüngeren Geschichte befassen sollte? Oder es genügt, das persönliche Verhältnis zu seinen Mitmenschen zum Maßstab zu nehmen? Ich behaupte ja bei jeder Gelegenheit, meinen Kopf vornehmlich anzustrengen, um ihn intakt zu halten, wenn schon meine Beine nicht mehr so recht mitmachen wollen. Und es schon deshalb sinnvoller ein könnte, mir mehr Gedanken über die hinter mir liegenden Zeiten zu machen? Die politisch und gesellschaftlich interessant genug waren. Also auch eine Art Vergangenheitsbewältigung. Ich muss auch darüber nachdenken.  

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