Samstag, 7. Februar 2015

Nachrichtenverbreitung in Social Media: Internet-Gemeinde teilt Gewalt, Verbrechen, Zukunftssorgen

Darmstadt/Dresden, 6. Februar 2015. Worüber spricht das Web? Welche Themen werden am häufigsten geteilt? Und über welche Plattformen? Das untersuchen Forscher der TU Darmstadt und der TU Dresden in einer Langzeitstudie. Die Zahl der Nachrichten-Empfehlungen wuchs gegenüber 2013 auf mehr als das Doppelte. Am häufigsten geteilt: Berichte über Gewalt und Verbrechen – und ein zum Nachdenken anregendes Zeitgeist-Video aus dem Bielefelder Hörsaal-Slam.

Eines Tages werde ich alt sein, Baby, und an all die Geschichten denken, die ich hätte erzählen können“, so Poetry-Slammerin Julia Engelmann in ihrem Vortrag beim Bielefelder Hörsaal-Slam. Der Stern.de-Bericht über den technisch einfach produzierten, fünfminütigen Wortbeitrag wurde zur Lieblings-Geschichte, die die Internet-Nutzer 2014 weitererzählten: 288.092 „Likes“ bekam sie auf der Social-Media-Plattform Facebook – unangefochtene Spitze unter den insgesamt 476.000 Internet-Artikeln, die die Forscher im vergangenen Jahr auswerteten.

Für die Studie wurden im Jahr 2014 Artikel aus den beliebtesten 15 Internet-Seiten berücksichtigt, etwa 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Leserinnen und Leser gaben diese 476.000 Beiträge 75,4 Millionen Mal über Likes auf Facebook, 5,7 Millionen Mal über Tweets auf Twitter und 1,9 Millionen Mal über One ups auf Google+ weiter. Dabei setzten sich grundsätzliche Trends fort, die sich bereits seit 2012 in der Studie abzeichnen. „Twitter hat bei der Nachrichtenweitergabe an Boden verloren, während Facebook seinen Marktanteil ausbauen konnte“, so Professor Thorsten Strufe von der Fakultät Informatik der TU Dresden. Rund 91 Prozent der empfohlenen Nachrichten wurden über Facebook weitergereicht (2013: 84,8 Prozent), nur noch 6,9 Prozent über Twitter (2013: 12,4 Prozent) und beinahe konstante 2,6 Prozent über Google+ (2013: 2,8 Prozent). „Diese Entwicklung könnte zu einem Monopol für Facebook bei der Nachrichtenweitergabe in Sozialen Netzen führen“, sagt Professor Oliver Hinz, Fachgebietsleiter im Bereich Electronic Markets an der TU Darmstadt.
Trotz der deutlich unterschiedlichen Marktanteile: Rund 71 Prozent aller Artikel in den Top-15-Internet-Medien wurden über Facebook weitergeben, und fast 79 Prozent mindestens einmal über Twitter. „Das deutet darauf hin, dass über Twitter eher auch Nischenthemen diskutiert werden, während die ,Mainstream-Themen‘ über Facebook geteilt werden“, so Hinz.

Die Zahl der Empfehlungen hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Rund 83 Millionen Mal (2013: knapp 40 Millionen Mal) reichten Nutzerinnen und Nutzer Artikel weiter. Die beliebteste Quelle war mit 19,3 Millionen Empfehlungen die Website Bild.de, die das Angebot Spiegel Online (17 Millionen Empfehlungen) damit von Platz eins verdrängte. Zum ersten Mal schaffte es auch die Special-Interest-Seite Sport1.de unter die zehn bestplatzierten Internet-Medien. „Wie schon im Vorjahr haben wir für die zehn beliebtesten Internet-Medien eine Zunahme in der absoluten Zahl der Empfehlungen beobachtet“, sagt Benjamin Schiller, Mitarbeiter an der Professur Datenschutz und Datensicherheit der TU Dresden.
Obwohl Spiegel Online seinen Spitzenplatz einbüßte, ist die Seite in der Ressortauswertung bei drei von fünf Kategorien weiter vorn: Geht es um Nachrichten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, verbreiten Nutzerinnen und Nutzer am liebsten Meldungen von Spiegel Online. Bild.de ist führend im Bereich Sport, im Ressort Technik behauptete Heise.de seine Marktführerschaft aus dem Vorjahr.

Je nach Thema haben Nutzerinnen und Nutzer nicht nur ihre Lieblingsquellen für Nachrichten, die sie teilen, sondern auch starke Vorlieben für die gewählte Social-Media-Plattform, über die sie dies tun. Google+ wird mehr und mehr die Plattform der Wahl bei technikaffinen Nutzerinnen und Nutzern, stellten die Forscher in ihrer Studie fest. Twitter verliert hier weiter an Boden: „Wir erwarten, dass Google+ Twitter mit seiner Funktionalität und Zielgruppe angreift“, sagt Hinz.
Unter den am meisten über Facebook geteilten Berichten fanden sich vergleichsweise viele über Gewalttaten und Verbrechen; politische Themen liefen verstärkt über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Die kontinuierliche Datensammlung zur Studie „Development of the Social Network Usage in Germany since 2012“ begann Anfang 2012. Den Forschern der TU Darmstadt und der TU Dresden geht es vor allem darum, verlässliche Zahlen für die Nutzung der Sozialen Netzwerke zu gewinnen. Die reinen Nutzer-Statistiken seien wenig aussagekräftig, da viele User beispielsweise mehrere Accounts anlegten. Die wirkliche Nutzungs-Aktivität, die sich zum Beispiel am Teilen von Nachrichtenartikeln festmachen lasse, sei dagegen verlässlicher, so Oliver Hinz.


Gemeinsame Pressemitteilung der TU Darmstadt und der TU DresdenSilke Paradowski Kommunikation, Technische Universität Darmstadt

Eine Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 06.02.2015

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen