In
den vergangenen Jahrzehnten hat die Zahl der Singles in Deutschland
immer mehr zugenommen. Zwischen 1993 und 2009 ist der Anteil der
Menschen ohne Partner im Alter bis zu 60 Jahren um 8,5 Prozent
gestiegen. Die Ursachen dafür hat der Heidelberger Soziologe Jan
Eckhard auf Basis der für Deutschland repräsentativen Daten des
Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im DIW Berlin näher ergründet.
Unterschiedliche sozialwissenschaftliche Theorien zum Singledasein
wurden dabei empirisch überprüft. Eine überraschend große Rolle
für die zunehmende Zahl der Singles spielen demnach „demografische
Engpässe“ auf dem sogenannten „Partnermarkt“.
„Für
die Männer und Frauen einiger Geburtsjahrgänge besteht ein
gravierendes Unterangebot an möglichen künftigen Partnerinnen oder
Partnern“, sagt Eckhard. „Dies hat dazu geführt, dass diese
Männer und Frauen im Laufe ihres Lebens sehr viel häufiger ohne
Partner lebten als Menschen älterer Generationen.“ Außerdem
trugen unter anderem die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und
der Anstieg der Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren dazu bei, dass
immer mehr Menschen immer häufiger alleine leben. Die Studie wurde
in der letzten Ausgabe der Zeitschrift für Soziologie
veröffentlicht.
Für seine Untersuchung hatte Jan Eckhard die
SOEP-Daten von mehr als 20.000 Männern und Frauen ausgewertet, die
jährlich wiederholt befragt worden waren zu Partnerschaften
innerhalb und außerhalb des eigenen Haushalts, Einkommen,
beruflicher Position, Familiengeschichte und weiteren Faktoren.
Anhand statistischer Analysen dieser Daten überprüfte der Soziologe
mehrere Theorien zu den Ursachen der Partnerlosigkeit.
Die
Analyse der SOEP-Daten zeigt: Eine überraschend große Rolle für
die zunehmende Zahl der Singles spielen „demografische Engpässe“
auf dem „Partnermarkt“. Beispielsweise kamen Mitte der 1960er
Jahre besonders viele Kinder zur Welt – die geburtenstarken
Jahrgänge. Anschließend sanken die Geburtenzahlen so stark ab, dass
in den nachfolgenden Jahrgängen bis zu 40 Prozent weniger Kinder
geboren wurden. Da sich – wie bereits mehrere frühere Studien
belegt haben – Männer bei der Partnersuche meist auf die zwei bis
vier Jahre jüngeren Frauen, die Frauen sich umgekehrt auf die zwei
bis vier Jahre älteren Männer konzentrieren, kann dies zu Engpässen
bei der Partnersuche führen: Die vielen Männer aus den
geburtenstarken Jahrgängen „konkurrieren“ um die wenigen Frauen
aus den zahlenmäßig kleineren Jahrgängen.
Auch
gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen begünstigen das
Singleleben. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende
Erwerbstätigkeit von Frauen. „Durch das eigene Einkommen der
Frauen verliert die traditionelle Versorgungsfunktion einer Beziehung
an Bedeutung“, sagt Jan Eckhard. „Beziehungen, die nicht
funktionieren, werden nicht mehr wie in der Vergangenheit aus rein
finanziellen Gründen aufrecht erhalten.“ Das weit verbreitete
Bild, dass vor allem beruflich erfolgreiche „Karrierefrauen“ ohne
Partner leben, würden die SOEP-Daten jedoch nicht bestätigen. Jan
Eckhard: „Die Entscheidung für ein Singledasein ist unabhängig
von der beruflichen Position der Frauen. Ausschlaggebend ist viel
mehr, ob die Frauen überhaupt ein eigenes Einkommen haben.“
Dass
Frauen immer öfter ohne Partner leben, liegt teilweise auch an der
immer häufigeren Erfahrung, als Kind einer allein erziehenden Mutter
aufzuwachsen. Eckhard erklärt diesen Unterschied durch den
sogenannten „Transmissionseffekt“. Darunter versteht man in der
Familiensoziologie, dass die Frauen Verhaltensmuster und
Bewältigungsstrategien ihrer allein lebenden Mütter lernen können
und somit gut auf ein Leben ohne Partner vorbereitet sind.
Eine
weitere Ursache dafür, dass die Partnerlosigkeit in der
Vergangenheit zugenommen hat, ist bei beiden Geschlechtern die
Zunahme der Arbeitslosenzahlen ab Beginn der 90er Jahre. Die Zahl der
Arbeitslosen stieg seit 1990 von unter 2,5 Millionen auf zeitweilig
4,5 Millionen in den Jahren 2003 – 2006. Der Anteil der Singles im
Alter zwischen 20 und 35 Jahren erhöhte sich in diesem Zeitraum um
12 Prozent. „Schlechte Arbeitsmarktchancen verlangen ein höheres
Maß an Flexibilität und lassen eine gemeinsame Zukunftsplanung in
einer stabilen Partnerschaft oft nicht zu“, erklärt Jan
Eckhard.
STICHWORT SOEP
Das Sozio-oekonomische
Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende
multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW
Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter
dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern
gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom
Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend
Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 25.000 Befragte in knapp
15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft
über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und
Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt
werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends,
sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen
besonders gut analysiert werden. Mehr als 500 Forscherinnen und
Forscher im In- und Ausland nutzen die SOEP-Daten für ihre Studien.
Bis heute sind mehr als 7.000 Veröffentlichungen auf Basis der
SOEP-Daten erschienen.
Eine
Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 12.02.2015
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