Samstag, 26. April 2014

Ulrike Heise empfiehlt sich im Kunsthaus Meyenburg

Nachdem ich gestern in einem meiner Einträge die Vernissage zur Ausstellung der Nordhäuser Künstlerin Ulrike Heise mehr einführend erwähnte, besuchte ich also danach noch einmal die Ausstellung, um die Bilder und Grafiken der Künstlerin eingehender zu betrachten, auf mich wirken zu lassen und bestätigt zu finden, was Kunsthistorikerin Susanne Hinsching, Leiterin des Kunsthauses Meyenburg, in ihrer Laudatio zur Kunst Ulrike Heises ausgeführt hatte. Und nun versuche ich, das Gesehene und gestern Gehörte in Übereinstimmung zu bringen.

Susanne Hinsching hatte in der Begrüßung von Gästen und der Künstlerin bemerkt, dass sie mit Ulrike Heise auch persönlich eine lange gemeinsame Tätigkeit „hier im Kunsthaus Meyenburg“ verbindet: sie als Leiterin des Kunsthauses, die Künstlerin als ehrenamtliche Mitarbeiterin. Es kann also schon deshalb nicht weiter verwundern, wenn nun die Werke der Künstlerin im zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit der Ausstellung „Die Kunst ist weiblich“ in den Ausstellungsräumen des Kunsthauses gezeigt werden. Und ich mich hier auch nur darauf beziehe

Gerade dieser Umstand aber ist es auch, der es mir klüger erscheinen lässt, statt eigener Eindrücke das wiederzugeben, was ich tags zuvor als Mitschnitt der Laudatio Susanne Hinschings mitgenommen hatte. Was weiß nämlich ich schon – trotz Rundgangs durch die Ausstellungen - ob es wirklich eine speziell weibliche Sicht in der Kunst gibt, die hier favorisiert ist?

Die Vita Ulrike Heises kann hier sicher übersprungen werden, die Künstlerin ist bekannt und geschätzt. Und sie ist sowohl Malerin und Grafikerin, wie die Laudatorin feststellte. Denn gerade die grafischen Techniken waren und sind es, deren Ergründung, Vertiefung und Vervollkommnung sie besonders interessieren. Eine ihrer bevorzugten grafischen Techniken ist die Radierung, die sie sowohl als klassischen s/w-Druck, als auch in Kombination mit Aquatinta verwendet. „Ihr Ziel in der künstlerischen Arbeit, die sie zwar nur als Hobby betreibt, ist es, einen Rhythmus zu finden, der dem eigenen Naturell entspricht“, führte Hinsching dazu aus.

In ihren früheren Arbeiten, so Hinsching weiter, überwiegen noch
die realistischen Tendenzen, wie in den detailgetreuen Darstellungen – z.B. der Blasii-Türme – aus dem Jahr 1994 oder des „Torhäuschens“ 1996 zu erkennen ist. Je länger sie sich aber mit der Technik beschäftigte, desto freier und mutiger wurde der Umgang mit der Radiernadel. Das sieht man sowohl bei den Landschaftsmotiven – wie dem „Warttürmchen“ 2006 -, das neben der filigranen Ausführung eine besonders ausdrucksstarke Grundstimmung vermittelt, als auch an den figürlichen Darstellungen.

In ihrer jüngsten Aquatinta erkennt man besonders gut den großen künstlerischen Entwicklungsprozess, den Ulrike Heise vollzogen hat. Die „Bergwelt bei Klausen“(Südtirol) aus dem Jahr 2013 zeigt, wie die Künstlerin mit der grafischen Technik jetzt geradezu spielt und wie sie die faszinierende Bergwelt auf der Druckplatte eingefangen hat. Die Künstlerin taucht diese
kleine Landschaft in ein kühles Blau, das aber aus vielen Farbschattierungen besteht und so die Stimmung von Weite und Unendlichkeit suggeriert.

Ihre Bilder, so die Laudatorin weiter, sowohl in Figuren als auch Landschaften, zeigen Ulrike Heises besondere Fähigkeiten, im scheinbar alltäglichen Motiv den besonderen Reiz zu erkennen. Dieses Gespür, die Anregungen, die die reale Welt bietet, aufzunehmen und in die Kunst umzusetzen, verdankt sie nicht zuletzt ihrem Lehrer, Prof. Helmut Hellmessen in Frankfurt am Main.

Ulrike Heise arbeitet gern nach der Natur, diese dient ihr aber mehr als Anregung oder Inspiration. Ihre Motivwahl ist wie die Darstellungsweise breitgefächert, sie reicht in der Grafik von heimischen oder mediterranen Landschaften – wie dem „Ölbaum“ - über Figürliches, z.B. den „Schutzengeln“ bis hin zu Blumendarstellungen, wie
„a rose for sarah“. Diese Aquatinta, die sie Sarah Kirsch gewidmet hat, erzielt durch den Einsatz der wenigen, aber expressiven Farben eine besonders ausdrucksstarke Wirkung. Seit 2011 ist Ulrike Heise auch an der Dichterstätte Sarah Kirsch und am Projekt „Kirche Limlingerode“ aktiv.

Ihre Darstellungsweise – insbesondere bei den figürlichen Motiven – ist sehr expressiv und zieht den Betrachter ganz in ihren Bann. Bei der Aquatinta-Radierung „Drachen“ löst die Künstlerin sich von den realen Vorgaben und erzielt durch die abstrahierenden Formen gepaart mit expressiver Farbigkeit in Rot und Gelb eine besonders intensive Wirkung. Diese Arbeit besteht eigentlich aus rein geometrischen Formen und wirkt auf den ersten Blick abstrakt. Erst beim genauen Hinsehen erkennt man dann den Drachen.

Ulrike Heise präsentiert in dieser Ausstellung einen kleinen Querschnitt durch ihr gesamtes Schaffen. Dazu gehören neben den Druckgrafiken großformatigere Gemälde, die besonders durch die Farbe entstehen und leben. Man kann durchaus sagen, dass bei ihren Gemälden oftmals die Farbe Träger der Bildstimmung ist.

Es geht ihr aber nicht um die Wiedergabe der natürlichen Farben ihrer dargestellten Motive. Farbe ist für sie die Entsprechung ihrer fiktiven Bildwelt. Und so formt sie die Figuren aus den der Bildstimmung entsprechenden Farben und Formen.

Besonders bei ihren Gemälden hat sich Ulrike Heise von bekannten Künstlern inspirieren lassen, wie z.B. Otto Modersohn – bei den Gemälde „Winterlandschaft“, Paula Modersohn-Becker oder Edvard Munch. Ulrike Heise steht aber zu diesen Vorbildern und nennt diese Werke
dann liebevoll „Meine Paula M.“ oder – ganz unverkennbar und täuschend echt: „Mein Picasso“!
Besonders faszinierend ist auch das zweiteilige Gemälde „Bergwelt Südtirol!“ aus dem Jahr 2013, das eine sehr farbintensive Bergwelt zeigt, die aus blauen und pinkfarbenen Farbflächen bestehen und mich an die Werke von Jawlensky oder Kandinsky erinnern, führte die Kunsthistorikerin dazu aus. Sowohl die Farbigkeit als auch die Heißluftballons, die durch das Bild schweben, nehmen den Betrachter mit auf eine Reise in eine andere, vielleicht ideale
Welt.

Obwohl der Bezug zur Realität in allen ihren Werken immer sichtbar bleibt, spiegeln sie diese nur indirekt wieder. So begegnen sich in Ulrike Heises Bildern Wirklichkeit und Fiktion, Traum und Realität auf ungewöhnliche Weise.

Susanne Hinsching schloss ihre Laudatio mit ihrem Lieblingszitat von Pablo Picasso „weil ich denke, dass diese Worte auch auf das Leben und die Kunst von Ulrike Heise zutreffen: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“.


Ich habe diese Ausführungen der Kunsthistorikerin Susanne Hinsching in dieser Ausführlichkeit u.a. deshalb wiedergegeben, weil sie mir für das Motto der Ausstellung „Werkspuren“ angemessen erscheinen, weil sie das Thema des Gesamtkomplexes der Ausstellung, wonach die Kunst weiblich ist, weit besser wiedergeben, als ich das vermöchte. Und weil es mir Anliegen ist, einmal herauszustellen, wie sorgfältig und intensiv sich Susanne Hinsching mit einer Ausstellung wie dieser und den Exponaten darin beschäftigt, um danach in eine Laudatio zu fassen, was sie dabei erkennt, erfasst und formuliert, um es ihren Zuhörern in verständlicher Art vorzutragen. Ich meine, es gehörte mal gewürdigt. Hier auch als Anregung, um die Ausstellung zu besuchen. Dabei erinnere ich mich erneut an ihre Laudatio anlässlich der Ausstellung „Die Kunst ist weiblich“: Dass man nämlich nicht zwischen der Kunst von Frauen und Männern unterscheiden sollte, sondern nur zwischen guter und schlechter Kunst! Das Kunsthaus Meyenburg zeigt und empfiehlt gute Kunst.  

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