Freitag, 18. April 2014

Sehnsucht nach dem starken Mann?

Unter diesem Aspekt finde ich im „Spiegel“ eine Kolumne von Jan Fleischhauer mit dem Titel: „Warum viele Deutsche Putin bewundern“, in der es eingangs heißt (Auszug): „Mit Putin geht es vielen Deutschen wie mit den Russen auf dem Kudamm: Man lächelt über den Männlichkeitskult und das Blingbling, aber in dem Spott verbirgt sich auch Bewunderung für eine Art zu leben, die man sich selber nicht mehr traut.“(Ende des Auszugs).

Nun weiß ich nicht, wie es Russen auf dem Kudamm geht und ich habe keine Ahnung, ob wirklich viele Deutsche Putin bewundern. Aber immerhin kann ich mich selber nach dieser Aussage fragen, ob ich mich zu den „vielen Deutschen“ zählen kann oder muss, die Putin bewundern. Und ich kann diese Frage verneinen. Als junger Mensch hab' ich mal Hitler bewundert und sah keinen Grund, es nicht zu tun, schon weil unser damaliger Pfarrer oft genug nach dem Sonntagsgottesdienst seine Soutane mit der NSKK-Uniform wechselte und zur Versammlung ging. Das ist lange, lange her und heute vermag ich dem einen und anderen Menschen, den ich für wert halte, Achtung und Respekt zeigen oder entgegenbringen, mehr aber auch nicht.

Wenn aber der Autor im Spiegel im Verhältnis vieler Deutscher gegenüber Putin Bewunderung sieht, sei ihnen das unbenommen. Nur meine ich, man müsse das nicht auf einen so hohen Sockel heben, denn in einer Zeit, in der sich viele und immer mehr Deutsche nur noch aus der Anonymität heraus äußern, darf man schon Zweifel an ihrer wirklichen Meinung oder Einstellung im gesellschaftlichen Umgang haben. Umso mehr, als von denen, die Putin angeblich bewundern, sich wohl noch keiner ein Bild von ihm gerahmt an die Wand gehängt hat.

Unter diesem Gesichtspunkt aber kann man wohl auch und eher vermuten – und ich tue es hier einmal – dass man hierzulande allen Menschen insgeheim Bewunderung oder Sympathie entgegenbringt, die etwas tun, oder eine Auffassung äußern, zu der man sich selbst nicht (offen) traut: Thilo Sarrazin, Gabriele Pauly oder Bernd Lucke scheinen mir dafür Beispiele zu sein. Während es bei Sarrazin „nur“ um dessen offen geäußerte Meinung geht, gründeten Pauly die Freie Union und Lucke die Alternative für Deutschland (AfD) immerhin Parteien, um im großen Konzert der Politik mitzuspielen. Man bewundert bzw. bewunderte sie vielfach und trat sogar ihren Parteien bei, soweit man sich mit ihren Programmen anfreunden konnte. Dann aber meinte man, unter deren Führung eigene Vorstellungen entwickeln zu können (zu müssen). Und bewirkte doch nur Unruhe und Zerwürfnisse. Von der Freien Union hört man längst nichts mehr und von der AfD hört und liest man, dass der Führungsstil Luckes manchen Vorständler zu autoritär sei. Doch ist man immerhin um Konsens bemüht. Es muss sich offenbar immer erst jemand finden, der sich auf den Gründerstuhl setzt. Und alsbald finden sich Leute mit der Säge. Solange er (noch) nicht Macht besitzt wie Putin.


Aber zurück zum Kremlchef: was ich in meiner ganz persönlichen, unmaßgeblichen Meinung für „aufschlussreich“ finde, ist bzw. war seine Äußerung „dass die Europäer, zuallererst die Deutschen“, die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation verstünden. Russland habe bei der deutschen Wiedervereinigung den „unaufhaltbaren Wunsch der Deutschen nach einer nationaler Einheit“ eindeutig unterstützt. „Ich bin mir sicher, dass ihr uns nicht vergessen habt“, sagte Putin nach einem Bericht in der FAZ. Er erwarte, dass die Bürger Deutschlands den Wunsch der Russen, die Einheit wiederherzustellen, unterstützen. Meiner Auffassung nach hätte es kein Glasnost und keine Wiedervereinigung gegeben, wenn damals Wladimir Putin statt Michail Gorbatschow an der Spitze der Sowjetunion gestanden hätte. Es ist alles eine Frage der Dialektik. Und Putin scheint jedenfalls darin ein Meister zu sein. Verdient er darüber, von vielen Deutschen bewundert zu werden?

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