Unter diesem Aspekt finde ich im
„Spiegel“ eine Kolumne von Jan Fleischhauer mit dem Titel: „Warum
viele Deutsche Putin bewundern“, in der es eingangs heißt
(Auszug): „Mit Putin geht es vielen Deutschen wie mit den Russen
auf dem Kudamm: Man lächelt über den Männlichkeitskult und das
Blingbling, aber in dem Spott verbirgt sich auch Bewunderung für
eine Art zu leben, die man sich selber nicht mehr traut.“(Ende des
Auszugs).
Nun weiß ich nicht, wie es Russen auf
dem Kudamm geht und ich habe keine Ahnung, ob wirklich viele Deutsche
Putin bewundern. Aber immerhin kann ich mich selber nach dieser
Aussage fragen, ob ich mich zu den „vielen Deutschen“ zählen
kann oder muss, die Putin bewundern. Und ich kann diese Frage
verneinen. Als junger Mensch hab' ich mal Hitler bewundert und sah
keinen Grund, es nicht zu tun, schon weil unser damaliger Pfarrer oft
genug nach dem Sonntagsgottesdienst seine Soutane mit der
NSKK-Uniform wechselte und zur Versammlung ging. Das ist lange, lange
her und heute vermag ich dem einen und anderen Menschen, den ich für
wert halte, Achtung und Respekt zeigen oder entgegenbringen, mehr
aber auch nicht.
Wenn aber der Autor im Spiegel im
Verhältnis vieler Deutscher gegenüber Putin Bewunderung sieht, sei
ihnen das unbenommen. Nur meine ich, man müsse das nicht auf einen
so hohen Sockel heben, denn in einer Zeit, in der sich viele und
immer mehr Deutsche nur noch aus der Anonymität heraus äußern,
darf man schon Zweifel an ihrer wirklichen Meinung oder Einstellung
im gesellschaftlichen Umgang haben. Umso mehr, als von denen, die
Putin angeblich bewundern, sich wohl noch keiner ein Bild von ihm
gerahmt an die Wand gehängt hat.
Unter diesem Gesichtspunkt aber kann
man wohl auch und eher vermuten – und ich tue es hier einmal –
dass man hierzulande allen Menschen insgeheim Bewunderung oder
Sympathie entgegenbringt, die etwas tun, oder eine Auffassung äußern,
zu der man sich selbst nicht (offen) traut: Thilo Sarrazin, Gabriele
Pauly oder Bernd Lucke scheinen mir dafür Beispiele zu sein. Während
es bei Sarrazin „nur“ um dessen offen geäußerte Meinung geht,
gründeten Pauly die Freie Union und Lucke die Alternative für
Deutschland (AfD) immerhin Parteien, um im großen Konzert der
Politik mitzuspielen. Man bewundert bzw. bewunderte sie vielfach und
trat sogar ihren Parteien bei, soweit man sich mit ihren Programmen
anfreunden konnte. Dann aber meinte man, unter deren Führung eigene
Vorstellungen entwickeln zu können (zu müssen). Und bewirkte doch
nur Unruhe und Zerwürfnisse. Von der Freien Union hört man längst
nichts mehr und von der AfD hört und liest man, dass der
Führungsstil Luckes manchen Vorständler zu autoritär sei. Doch ist
man immerhin um Konsens bemüht. Es muss sich offenbar immer erst
jemand finden, der sich auf den Gründerstuhl setzt. Und alsbald
finden sich Leute mit der Säge. Solange er (noch) nicht Macht
besitzt wie Putin.
Aber zurück zum Kremlchef: was ich in
meiner ganz persönlichen, unmaßgeblichen Meinung für
„aufschlussreich“ finde, ist bzw. war seine Äußerung „dass
die Europäer, zuallererst die Deutschen“, die Aufnahme der Krim in
die Russische Föderation verstünden. Russland habe bei der
deutschen Wiedervereinigung den „unaufhaltbaren Wunsch der
Deutschen nach einer nationaler Einheit“ eindeutig unterstützt.
„Ich bin mir sicher, dass ihr uns nicht vergessen habt“, sagte
Putin nach einem Bericht in der FAZ. Er erwarte, dass die Bürger
Deutschlands den Wunsch der Russen, die Einheit wiederherzustellen,
unterstützen. Meiner Auffassung nach hätte es kein Glasnost und
keine Wiedervereinigung gegeben, wenn damals Wladimir Putin statt
Michail Gorbatschow an der Spitze der Sowjetunion gestanden hätte.
Es ist alles eine Frage der Dialektik. Und Putin scheint jedenfalls
darin ein Meister zu sein. Verdient er darüber, von vielen Deutschen
bewundert zu werden?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen