Montag, 14. April 2014

Matthäuspassion: Beeindruckende Einstimmung in die Karwoche

Das ist stets die Leidensgeschichte Jesu, wie sie im Matthäus-Evangelium (Kapitel 26) erzählt wird. Seit meiner Zeit als Ministrant in jungen Jahren begleitet mich diese Leidensgeschichte im Vorfeld des Osterfestes als Zeit der Besinnung und geistigen Einkehr. Und als ich am gestrigen Palmsonntag vor dem Bildschirm den festlichen Gottesdienst aus der Stiftskirche Klosterneuburg miterlebte, war das quasi die Fortsetzung im liturgischen Sinne, was ich am Abend zuvor in der Nordhäuser Kirche St. Blasii musikalisch erlebte: die Matthäuspassion. In
einer Aufführung, wie ich sie ergreifender und eindrucksvoller nicht erleben konnte. Am Schluss umarmten sich die beiden Dirigenten, die Kantore Michael Kremzow (Kantorei Nordhausen) und Oliver Stechbart (Kreiskantor Mühlhausen). Womit offenkundig wurde, dass sich bei ihnen damit eine Spannung löste, die sie begleitet haben mag über die Dauer der Aufführung. Und Genugtuung erkennen ließ über die ausgezeichneten Leistungen, zu denen sie die Mitwirkenden geführt hatten. Eine Spannung übrigens, die sich mir in ihrer Entstehung schon mitteilte, als ich knapp vor Beginn an den vor der
Kirchentür versammelten Mitwirkenden vorbei, die Kirche betrat.

Und während ich mich dann auf den beginnenden Ablauf konzentrierte, ließ ich mir einmal mehr bewusst werden, dass es sich bei dieser Matthäuspassion um das Werk eines der größten Musiker seiner Zeit handelt. Dabei hatte es Johann Sebastian Bach seiner Zeit mit seinen Kompositionen wirklich nicht leicht, öffentliche Akzeptanz und Anerkennung zu finden. Die Uraufführung der Matthäuspassion, die am 11. April 1727 in der Leipziger
Thomaskirche stattfand, muss wohl ein recht zurückhaltendes Echo gefunden haben. Weil es, wie berichtet wird, vom Leipziger Magistrat und auch vielen Besuchern dieser Uraufführung und anderen seiner Kompositionen damals als zu modern und unpassend für die Kirche erachtet wurde. Man kürzte ihm als Thomaskantor und Musikdirektor das Gehalt und untersagte ihm teilweise weitere Aufführungen.

Beirren ließ sich Bach dadurch nicht, es war ihm Anliegen, mit seiner Musik den Menschen den Weg zu Gott zu weisen. „Bey einer andächtigen
Musique ist allzeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart“, ist mir ein Satz von ihm aus einer Publikation erinnerlich. Trotzdem geriet er nahezu in Vergessenheit, bis ihn 100 Jahre später Felix Mendelssohn-Bartholdy mit der erneuten Aufführung der Matthäuspassion aus dieser Vergessenheit holte. Die unter zwischenzeitlich offener gewordenen Einschätzungen seiner Musik, danach geradezu eine Bach-Renaissance bewirkte, die bis heute anhält.

Und noch eine persönliche Bemerkung erlaube
ich mir: dominiert wird diese Matthäuspassion neben einigen Passionschorälen und Dichtungen von dem Kirchenlied „Oh Haupt voll Blut und Wunden...“, (ursächlich von Pfarrer Paul Gerhard), das sich mir eben schon als Ministrant ganz allgemein ins Gedächtnis einprägte. Als Beginn der Karwoche. War es damals der Textbeginn dieses Liedes, ist es heute mehr dessen Ausklang, der gestern auch vom Chor eindringlich besungen wurde: „Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir...“ womit ich in diesem Werk auch für mich ein ganz persönliches Anliegen erkenne.

Doch nun zur Aufführung selbst, deren Verlauf ich ja auch nur mit meiner eher bescheidenen Rhetorik beschreiben kann, angesichts der gesanglich und instrumental vorgetragenen Virtuosität und Eindringlichkeit der Mitwirkenden. Und das waren (der Reihenfolge des Ablaufes angenähert)), der Kinderchor der Ev. Grundschule Nordhausen mit dem Kinderchor an St. Blasii, die Nordhäuser Kantorei, der Bachchor Mühlhausen, das Weimarer Barockensemble. Und als Solisten Stephan H. Scherpe (Tenor und Recitator), Barbara-
Christina Steude (Sopran), Viola Kremzow (Alt), Stephan Heinemann und Gotthold Schwarz (Bassisten). Unter den bereits erwähnten Dirigenten Michael Kermzow und Oliver Stechbart, die sich die Leitung teilten: den ersten Teil dirigierte Michael Kremzow (während Oliver Stechbart den Kinderchor leitete), während letzterer den zweiten Teil des Werkes dirigierte.

Und das auf absolut überzeugende Weise, die sich entsprechend auf Chöre, Solisten, Orchester und schließlich auch stimmungsmäßig
auf die Zuhörer übertrug. Und damit auch erkennen ließ, mit welcher Sorgfalt sie zuvor das Werk mit den Mitwirkenden einstudiert hatten. Es harmonierte einfach alles. In einer Weise, die in seiner Gesamtheit überzeugte, die von Emotionalität erfüllt war und deren einzelne Parts – ob gesangliche oder instrumentale Solisten – ob Kinderchor, Bachchor oder Kantorei, sich so nahtlos an- und ineinander fügten, dass dieses Werk in seiner Darbietung einfach großartig, eindrucksvoll und nachhaltig wirkte. Es wäre an sich sogar mir möglich, einzelne Solis 
hervorzuheben - etwa und vor allem dem des Rezitators - aber auch den FlötistInnen, Geiger, der Cellistin und natürlich den GesangsolistInnen - nur verschmoz ja alles zu einer Gesamtleistung, in der jeder einzelne der Mitwirkenden Lob verdiente.

Eine Reminiszenz? Die eingangs erwähnte Spannung schien sich allmählich auch instrumentell auszuwirken: einem Geiger riss urplötzlich eine Saite seines Instruments. (Bild) Das wäre an sich noch nicht bemerkenswert.
Wohl aber die unmittelbare kollegiale Hilfe seines Nachbarn (ersten Geiger?), der sofort und unauffällig aushalf und Abhilfe schaffte.


Das Lob schließlich wurde allen Akteuren (stellvertretend den Leitern) auch in vielfältiger Form zuteil. Die Aufführung endete mit einem kurzen besinnlich wirkenden Glockengeläut. Man hätte es dabei belassen und auf händischen Applaus verzichten können.   

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