Sonntag, 27. April 2014

Bockwurst oder Spaghetti – das schien hier die Frage

Eigentlich heißt das Stück „Hamlet stirbt...und geht danach Spaghetti essen“, nur gibt es in der Kantine des Theaters in Kratzebühl , in dem die öffentliche Generalprobe des für die tags darauf stattfindende Premiere des „Hamlet“ von William Shakespeare spielt, nur Bockwurst.
Zwar sind zunächst alle damit zufrieden, doch die Premierefeier soll zu keiner Bockwurstorgie mutieren, es sollte doch etwas anderes, es sollten Spaghetti sein.

Und diese Generalprobe ist also Thema dieses Schwanks, mit der sich die Nordhäuser „Silberdisteln“ im Theater unterm Dach mit der 5. Premiere ihres Theaterlebens dem Publikum vorstellen. In der Vorschau dazu hieß es schon, dass sich damit diesmal wirklich alles um die Bretter dreht, die die Welt bedeuten. Denn nachdem die theaterbegeisterten Senioren sich in den vergangenen Jahren mit Theater-Klassikern beschäftigt haben, nehmen sie ihre Zuschauer diesmal mit zu einem witzigen Blick hinter die Kulissen des kleinen Stadttheaters Kratzebühl. „Hamlet stirbt … und geht danach Spaghetti essen“ heißt also die Farce von Jürgen Eick, Martin Meier-Bode und Jens Neutag, die die „Silberdisteln“ in der Regie von Anja Eisner auf die Bühne des Theaters unterm Dach brachten.

Ihr ist ganz allgemein, aber besonders zu danken, dass sie die „Silberdisteln“ in den vergangenen Jahren unter ihre Fittiche nahm. Unter ihrer Regie haben sie ihre Stoffe bei den großen Theaterklassikern gefunden, und setzen sich nun humorvoll mit dem Theater selbst auseinander. Gleich dem Prinzen Hamlet, der eine Schauspielertruppe engagierte, um aufzudecken, was im Staate Dänemark faul war, vertrauen die lebenserfahrenen Spieler der entlarvenden Kraft des Theaters. Indem sie genüsslich den Finger in jede absurde Wunde des
Theaters Kratzebühl legen, zeigen sie viel mehr als die Probleme eines Theaters. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: „Die Wirklichkeit ist unsere Lehrmeisterin und bleibt immer theatralischer als das Theater“.

Nichtsdestotrotz war ihnen Anja Eisner Lehrmeisterin genug, um sie auch in ihrer schauspielerischen Darstellung ausdrucksstark und überzeugend werden zu lassen. Erstaunlich finde ich ebenso ihre Textsicherheit, die - soweit erkennbar - kaum der Hilfe der Soufleuse bedarf. Lediglich in ihrer gesanglichen Chordarbietung ließen sie einige Wünsche offen.

Nach einer der jüngeren Premieren des großen Theaters Nordhausen mit seinem ja schon fast programmierten Publikumserfolg hatte ich mich an frühere Zeiten erinnert und formuliert, wo denn die Zeiten hin sind, in denen Inszenierungen auf der großen Bühne – gewollt oder ungewollt – die Zuschauer polarisierten? Man muss weit zurückdenken und manchmal
wünschte ich mir, wieder einmal eine Aufführung zu erleben, die das Publikum nicht einhellig begeistert. Sondern erkennen lässt, ob und inwieweit es überhaupt (noch) kritikfähig ist.

In der gestrigen „Silberdistel“- Premiere wurde mir quasi eine Antwort zuteil: Regisseur Magnus (Wolf-Dieter Schwarzenau) will eine „authentische“, also moderne Fassung des „Hamlet“ auf die Bühne bringen und stimmt seine Darstellerin Julia (Ute Schneider) darauf ein. Da aber meldet sich Frau Apfel (Margot Hattenhauer) mit Frau Becker, (Elsa Rumpf) ihrer rechten Hand, die unter Hinweis auf die von ihnen vertretenen Abonnenten gegen jegliche Experimente sind. Sie fordern einen klassischen Hamlet und haben damit auch die Intendantin Johanna John (Margot Arendt) auf ihrer Seite, die im Falle von Experimenten um die Besucherzahlen bangt. Zwar versucht Regisseur Magnus, sich gegen die „Versklavung der Kunst durch Spießbürgertum“ mit seinen Vorstellungen durchzusetzen, mit mäßigem Erfolg allerdings, wie offensichtlich wird. Im Theater geht es derweilen bunt durcheinander, zeitweilig
gehen die Lichter aus, weil die Techniker streiken und nach Bockwürsten verlangen. Und nachdem auch zuvor noch der Lokaljournalist (Wolfgang Hartmann) mehr durch Ungeschicklichkeit als durch Profilierungsstreben den Ablauf beeinträchtigte, bemühen sich Regisseur und Intendantin angesichts des Durcheinanders die Probe und damit die anstehende Premiere zu retten.


Schließlich erscheint „Magnus Gedankenstimme“ und Moderatorin (Marlis Aschhoff) auf der Bühne und organisiert eine Ringsendung, innerhalb der aus vielen Aufführungsstätten des „Hamlet“ Moderatoren berichteten, wie klassisch oder auch modern dort die Aufführungen inszeniert wurden: von der
Urfassung bis zu Old Shatterhand oder auch dem Bayerischen „Kini“ (König) gab es da alles nur Erdenkliche zu hören. Nachdem sich die Szenerie beruhigt hatte, wandte man sich also wieder der eigenen Inszenierung zu, bei der dann wohl die „Abonnentenkrake“ Apfel obsiegte. Und nach dieser Generalprobe wartet das Spaghettigericht. Langanhaltender Applaus lohnte die gelungene Aufführung. Wohl mehrheitlich von Angehörigen, Verwandten und Freunden der DarstellerInnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen