Eigentlich heißt das Stück „Hamlet
stirbt...und geht danach Spaghetti essen“, nur gibt es in der
Kantine des Theaters in Kratzebühl
, in dem die öffentliche Generalprobe des für die
tags darauf stattfindende Premiere des „Hamlet“ von William
Shakespeare spielt, nur Bockwurst.
Zwar sind zunächst alle damit
zufrieden, doch die Premierefeier soll zu keiner Bockwurstorgie
mutieren, es sollte doch etwas anderes, es sollten Spaghetti sein.
Ihr
ist ganz allgemein, aber besonders zu danken, dass sie die
„Silberdisteln“ in den vergangenen Jahren unter ihre Fittiche
nahm. Unter ihrer Regie haben sie ihre Stoffe bei den großen
Theaterklassikern gefunden, und setzen sich nun humorvoll mit dem
Theater selbst auseinander. Gleich dem Prinzen Hamlet, der eine
Schauspielertruppe engagierte, um aufzudecken, was im Staate Dänemark
faul war, vertrauen die lebenserfahrenen Spieler der entlarvenden
Kraft des Theaters. Indem sie genüsslich den Finger in jede absurde
Wunde des
Theaters Kratzebühl legen, zeigen sie viel mehr als die
Probleme eines Theaters. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: „Die
Wirklichkeit ist unsere Lehrmeisterin und bleibt immer theatralischer
als das Theater“.
Nichtsdestotrotz
war ihnen Anja Eisner Lehrmeisterin genug, um sie auch in ihrer
schauspielerischen Darstellung ausdrucksstark und überzeugend werden
zu lassen. Erstaunlich finde ich ebenso ihre Textsicherheit, die - soweit erkennbar - kaum der Hilfe der Soufleuse bedarf. Lediglich in ihrer
gesanglichen Chordarbietung ließen sie einige Wünsche offen.
Nach
einer der jüngeren Premieren des großen Theaters Nordhausen mit
seinem ja schon fast programmierten Publikumserfolg hatte ich mich an
frühere Zeiten erinnert und formuliert, wo denn die Zeiten hin sind,
in denen Inszenierungen auf der großen Bühne – gewollt oder
ungewollt – die Zuschauer polarisierten? Man muss weit zurückdenken
und manchmal
wünschte ich mir, wieder einmal eine Aufführung zu
erleben, die das Publikum nicht einhellig begeistert. Sondern
erkennen lässt, ob und inwieweit es überhaupt (noch) kritikfähig
ist.
In
der gestrigen „Silberdistel“- Premiere wurde mir quasi eine
Antwort zuteil: Regisseur Magnus (Wolf-Dieter Schwarzenau) will eine
„authentische“, also moderne Fassung des „Hamlet“ auf die
Bühne bringen und stimmt seine Darstellerin Julia (Ute Schneider)
darauf ein. Da aber meldet sich Frau Apfel (Margot Hattenhauer) mit
Frau Becker, (Elsa Rumpf) ihrer rechten Hand, die unter Hinweis auf
die von ihnen vertretenen Abonnenten gegen jegliche Experimente sind.
Sie fordern einen klassischen Hamlet und haben damit auch die
Intendantin Johanna John (Margot Arendt) auf ihrer Seite, die im
Falle von Experimenten um die Besucherzahlen bangt. Zwar versucht
Regisseur Magnus, sich gegen die „Versklavung der Kunst durch
Spießbürgertum“ mit seinen Vorstellungen durchzusetzen, mit
mäßigem Erfolg allerdings, wie offensichtlich wird. Im Theater geht
es derweilen bunt durcheinander, zeitweilig
gehen die Lichter aus,
weil die Techniker streiken und nach Bockwürsten verlangen. Und
nachdem auch zuvor noch der Lokaljournalist (Wolfgang Hartmann) mehr
durch Ungeschicklichkeit als durch Profilierungsstreben den Ablauf
beeinträchtigte, bemühen sich Regisseur und Intendantin angesichts
des Durcheinanders die Probe und damit die anstehende Premiere zu
retten.
Schließlich
erscheint „Magnus Gedankenstimme“ und Moderatorin (Marlis
Aschhoff) auf der Bühne und organisiert eine Ringsendung, innerhalb
der aus vielen Aufführungsstätten des „Hamlet“ Moderatoren
berichteten, wie klassisch oder auch modern dort die Aufführungen
inszeniert wurden: von der
Urfassung bis zu Old Shatterhand oder auch
dem Bayerischen „Kini“ (König) gab es da alles nur Erdenkliche
zu hören. Nachdem sich die Szenerie beruhigt hatte, wandte man sich
also wieder der eigenen Inszenierung zu, bei der dann wohl die
„Abonnentenkrake“ Apfel obsiegte. Und nach dieser Generalprobe
wartet das Spaghettigericht. Langanhaltender Applaus lohnte die
gelungene Aufführung. Wohl mehrheitlich von Angehörigen, Verwandten
und Freunden der DarstellerInnen.
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