Touristen
zieht es in heimische Betten: Die Reiseregion Südharz Kyffhäuser
verzeichnete im vergangenen Jahr 557.000 Übernachtungen von Gästen aus
dem In- und Ausland. Das sind 3,1 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.
Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. Die
NGG Thüringen beruft sich dabei auf Angaben des Statistischen
Bundesamtes, das die Beherbergungszahlen der deutschen Reisegebiete
ausgewertet hat. NGG-Geschäftsführer Jens Löbel spricht von einer
„starken Bilanz – die jedoch nur mit dem starken Engagement der
Beschäftigten überhaupt möglich ist“.
Allein
im Landkreis Nordhausen beschäftigt das Gastgewerbe nach Angaben der
Arbeitsagentur rund 900 Menschen. „Allerdings fehlen hier zunehmend
Fachkräfte – auch, weil die Branche ein waschechtes Image-Problem hat“,
ist Löbel überzeugt. Ein Hauptgrund: immer extremere Arbeitszeiten. Zwar
gehöre das Arbeiten am Abend oder am Sonntag für Hotelfachleute und
Kellner fest zum Job. „Aber in den vergangenen Jahren sind die Schichten
deutlich länger und die Erholungszeiten kürzer geworden. Das macht
nicht jeder ewig mit“, so der Geschäftsführer der NGG-Region Thüringen.
Löbel
kritisiert insbesondere die Forderungen von Unternehmern, das
Arbeitszeitgesetz zu lockern. „Geht es nach dem Deutschen Hotel- und
Gaststättenverband (Dehoga), dann sollen 13-Stunden-Arbeitstage bald zum
Normalfall werden. Aber hier steht die Gesundheit der Beschäftigten auf
dem Spiel. Nicht umsonst gibt es gesetzliche Grenzen“, so Löbel. Das
Arbeitszeitgesetz schreibt eine Regelarbeitszeit von acht Stunden
täglich vor. In Ausnahmefällen kann sie auf zehn Stunden ausgedehnt
werden.
Nach
einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
steigt das Unfallrisiko nach der achten Arbeitsstunde exponentiell an.
Und wer oft im Schichtdienst arbeitet, der hat ein erhöhtes Risiko, am
Herzen oder an Diabetes zu erkranken.
„Die
guten Übernachtungszahlen und steigende Umsätze zeigen, wie groß der
Einsatz der Beschäftigten in der Gastronomie und Hotellerie ist“, sagt
Löbel. Im Kreis Nordhausen arbeiteten gerade gelernte Fachkräfte „längst
am Limit“. Die dürfe man nicht mit „Horror-Arbeitszeiten“ verprellen.
Schon jetzt falle es der Branche schwer genug, Schulabgänger für eine
Ausbildung zu gewinnen.
Die
NGG warnt davor, das Gastgewerbe zum „Vorreiter für ausufernde
Arbeitszeiten“ zu machen. Bei einer aktuellen Branchenumfrage der
Gewerkschaft gaben 81 Prozent der Befragten an, ihre Arbeitsbelastung
habe in den letzten Jahren zugenommen. Fast jeder Zweite muss demnach in
der Freizeit für den Betrieb einspringen.
Dabei
betreffen ungewöhnliche Arbeitszeiten auch viele andere
Wirtschaftsbereiche. Bundesweit arbeitet mittlerweile jeder vierte
Beschäftigte regelmäßig am Wochenende, so der aktuelle Mikrozensus. Das
sind rund neun Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und
700.000 mehr als noch im Jahr 2010. In der Hotellerie und Gastronomie
liegt die Quote der Wochenendarbeiter sogar bei 86 Prozent, hat die
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermittelt. Hinzu
komme die Arbeit auf Abruf, von der im Gastgewerbe jeder Vierte
betroffen ist. „Wenn der Chef per WhatsApp in letzter Sekunde die
Dienste verteilt, dann können Beschäftigte ihren Alltag kaum planen“,
kritisiert Löbel.
Statt
längere Arbeitszeiten zu fordern, sollten Hoteliers und Gastronomen die
Branche attraktiver machen: „Das fängt bei einer guten
Ausbildungsqualität an und reicht bis zur Bezahlung nach Tarifvertrag.
Und wenn das Personal Spaß an der Arbeit hat, dann kommen die Gäste auch
gern wieder.“
Jens LöbelGeschäftsführer der
NGG-Region Thüringen
NGG-Region Thüringen
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