Hochinteressanter
Vortrag von Dr. Hannelore Pientka
Man
musste nicht ‚über sieben Brücken gehen‘, um zur
Auftaktveranstaltung der neuen Reihe „Kultur im Pfarrhaus“ zu
gelangen, die auf Initiative des neuen Pfarrers Jochen Lenz und
Familie Pientka ins Leben gerufen wurde. Doch kaum einer weiß, dass
dieser Hit der Gruppe „KARAT“ oder nachgesungen von Peter Maffay
sehr viel mit Märchen gemein hat, wenn man sich mit Inhalt und
Gestehung dieses Liedes befasst. Genau dies benutzte Frau Dr. Pientka
gewissermaßen als Anknüpfungspunkt, um die psychologischen und
psychischen Aspekte der Märchen zu beleuchten. Schon die Zahl
„Sieben“ spielt eine große Rolle in den frühen Mythen und den
Märchen. Erinnert sei als Beispiel nur an die „sieben Geißlein“
oder die „sieben
Zwerge“ oder die „sieben Raben“. Wie heißt
es in dem Lied „sieben dunkle Jahre musst Du überstehn“ bis „Du
einmal auch der helle Schein wirst“. Dieses Bild in verschiedener
Form begegnet uns auch im Märchen. Oft müssen Gefahren gemeistert
werden wie im „Tapferen Schneiderlein“, eigentlich ein
„Kraftzwerg mit großer Klappe“, der nach dem Erschlagen von
sieben Fliegen sich gut vermarktet und dann mit sehr viel Pfiffigkeit
und Chuzpe Abenteuer besteht und am Ende belohnt wird. Oder denken
wir an das „Aschenputtel“ – heute würde man sagen ‚eine
graue Maus‘- die mehrfach „Linsen aus der Asche“ puhlen musste
– ein Bild für die „dunklen Jahre“ – bis der Prinz sie
heiratet, sie gewissermaßen der „helle Schein“ wird. Jetzt steht
sie mit Schmuck und königlichem Kleid im Rampenlicht. Auch das
Verlassen des Elternhauses, der Heimat – oft beinahe ein Trauma für
den Betreffenden – findet man in vielen Märchen. Sie gehen oft
unfreiwillig, mit Schmerzen, auch wenn sie nach bestandenen
Abenteuern als „Sieger“ hervorgehen. Auch hier finden sich wieder
Parallelen zu dem Text der „Sieben Brücken“. Der Autor Helmut
Richter musste mit 11 Jahren seine Heimat in den Sudeten verlassen,
einer von geschätzten 12 Millionen, die im Ergebnis des 2.
Weltkriegs in Richtung Westen zogen mit wenig Hoffnung auf einen
neuen Anfang, aber viel Wehmut über das Zurückgelassene. Auch er
„wünschte sich sein Schaukelpferd zurück“ – das er nicht
mitnehmen konnte und das er noch im Alter von 42 Jahren, als er
diesen Text schrieb, vermisste. Frau Pientka brachte in ihren
Ausführungen einen eindrucksvollen Beweis, dass Märchen auch in
dieser schnelllebigen, von digitalen Medien beherrschten Zeit wichtig
und vor allem aktuell sind. Auch heute erfahren Vertriebene,
Migranten traumatische Erlebnisse und auch deren Kinder brauchen
Geborgenheit und Hilfe in der Sozialisierung, im Bestehen und in der
Integration in diese in Sprache und Kultur für sie fremde Welt. Dass
das Thema „Märchen in psychologischer Hinsicht“ aktuell ist,
beweisen nicht nur die mehr als erwartete Anzahl an Interessenten und
die anschließende Diskussion, sondern auch Bitten und Anfragen zu
weiteren Vorträgen zu dieser Thematik. Insgesamt eine gelungene
Auftaktveranstaltung zur Reihe „Kultur im Pfarrhaus“. Es sind
vorerst monatlich verschiedene Veranstaltungen geplant – von
Konzerten, Filmvorführungen, Vorträgen bis zu Galerien. Wie Pfarrer
Lenz abschließend sagte, die Reihe wendet sich an alle Bürger und
man ist für Ideen offen.
Dr.
Wolfgang R. Pientka
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