Freitag, 5. Dezember 2014

Banditen in Zeiten des Umbruchs

Um es vorweg zu nehmen: ich erlebte Jacques Offenbachs Operette „Die Banditen“ diesmal nicht als Premiere, sondern in der zweiten, also einer „normalen“ Aufführung dieser Reihe. Und damit einem Publikum, das sich doch merklich von dem der Premiere unterschied. Also weniger gesellschaftlich wohl aber kulturell ambitioniert. Und am Schluss der Aufführung einen
eher verhaltenen Applaus. Der aber wohl mehr der Länge dieser Operette von drei Stunden zuzuschreiben war als dem Handlungsablauf selbst. Der nämlich führte mitunter zu Heiterkeitsäußerungen und auch zu gelegentlichen Szenenablaus.


Ich nehme auch vorweg, dass ich während der Aufführung an die Verfilmung „Das Wirtshaus im Spessart“ denken musste, in der das Räubertum noch einigermaßen „traditionell“ ausgeübt wurde. Mit einen vermeintlichen Müllersburschen, der
sich noch seiner „Räubertaten“ rühmte. In der Nordhäuser Inszenierung von Toni Burkhardt erinnerte nur die auf Plakaten und dem Cover zum Programm abgebildete verlassene, offenbar irgendwann ausgeraubte Kutsche an (straßen-)räuberische Zeiten.


Aber auch „Die Banditen“ in der Nordhäuser Theateraufführung lebten noch in dieser Erinnerung. Und hätten diese Tradition gern fortgeführt, wie sie ihrem Chef Falsacappa (Alexander Günther) klar zu machen versuchten. Weil sie sich davon mehr Beute erhofften. Waren sie doch unzufrieden mit dem, was ihnen ihr Banditenhandwerk derzeit einbrachte. Und das versuchten eine Abordnung der Banditen ihrem Hauptmann zögerlich beizubringen.


Und nun also ging es um das weitere Geschehen. Choreographie, musikalische Gestaltung, Gesang und schauspielerische Leistung der Akteure waren jederzeit des
Beifalls wert. Der Handlungsablauf ließ  allerdings erkennen, dass sich ihr Banditentum an der italienisch-spanischen Grenze total im Umbruch befand. Und ihre Bewaffnung – von Pistolen der ersten Generation bis zu modernen Maschienenpistolen - wie auch die Kostüme der Weiblichkeit ließen erkennen, dass man sich in Zeiten des modischen Aufbruchs befand.


Während die Banditen noch rauben und plündern wollten, schwebte Falsacappa und Pietro, seinen Stellvertreter (Thomas Kohl) neue, den
gesellschaftlichen und politischen Veränderungen angepasste Einnahmequellen vor, die sie erschließen wollten. Und während sie bedauerten, von staatlichen Zuschüssen ausgeschlossen zu sein, sondierten sie schon Möglichkeiten von Panzergeschäften und Auslandseinsätzen. Solche Visionen und eingestreute Anspielungen auf moderne Vorgänge in Politik, Regierung und Wirtschaft wiederholten sich in der Folgezeit in ironischer, sarkastischer oder auch anzüglicher Weise. Und erheiterten damit das Publikum.


Während also das "Banditenmanagement" in die Zukunft sieht, spielt sich das Leben der Mitglieder noch banditengemäß ab, allerdings schon „anstandsorientiert“, denn zu benehmen wussten sie sich schon. Und die Tochter Falsacappas, Fiorella (Katharina Poschmann) erweist sich dazu als recht menschenfreundlich und verliebt sich in den Schokoladenfabrikanten Fragoletto (Anja Daniela Wagner), einen zuvor auf ihr Betreiben freigelassenen Gefangenen, der zu ihrem Namenstag freiwillig zur Bande zurückkehrt, nur um in ihrer Nähe zu sein. Ganz
zum Unwillen des Vaters. Der ihm aber eine Bewährung als Mitglied der Bande einräumt. Sein Einstand wird gebührend gefeiert und vor der Polizei versteckt man sich.


In der Folgezeit gerät der Prinz von Mantua (Marian Kalus) ins Visier der Banditen. Und nachdem dieser seine ihm noch unbekannte Braut, die Prinzessin von Granada (Désirée Brodka)erwartet, entwickelt sich ein Verwechslungs- und Intrigenspiel, bei dem Fiorella in die Rolle der Prinzessin schlüpft. Im
Motel „Los Bandidos“ soll die Braut von Gesandten des Prinzen empfangen und auf ihrem Weg nach Mantua begleitet werden. Dort sollen der Begleitung der Prinzessin 3 Millionen ausgezahlt werden, um die allein es Falsacappa geht. Und was sich in der Folge abspielt, ist schon sehenswert, bei denen die Banditen als Bedienstete des Motels verkleidet, den weiteren Verlauf einleiten und mitbestimmen. Die Polizei wird über die wahren Identitäten getäuscht und ebenso die Umgebung des Prinzen. Alles verläuft zwar nach Vorstellungen Falsacappas, an die 3 Millionen aber kommt er nicht. Die nämlich hat Antonio (Paul Enke), der Finanzminister des Prinzen gar nicht mehr in seinem Portefeuille. Und um das zu verschleiern, stimmt er ein Klagelied auf Politik und Gesellschaft an, das wiederum Bezüge zur Gegenwart hat und recht ironisch wirkt. Heiterkeit und Beifall aus dem Publikum sind das Echo auf die etwas langatmig wirkende Elegie. Mätressen, die bis dahin das
Leben des Prinzen verschönten, werden entlassen, um der Braut, die da kommt, Platz zu machen. Und dann erkennt er in der angeblichen Braut Fiorella, die ihm früher schon vor der Gefangenschaft bei den Banditen bewahrte.


Nun entwirrt sich langsam das Intrigenspiel und offenbart die wirklichen Zusammenhänge. Bei denen zwar von den 3 Millionen keine Rede mehr ist, Stattdessen amnestiert der Prinz die Räuber um Fiorellas willen. Durch die Wirren geläutert, gibt Falsacappa seine
Banditenführung auf, um fortan „wie die Politiker“ im großen Maßstab zu räubern.


So jedenfalls verstand ich in großen Zügen diese Operette, die meines Erachtens mitunter nahe am Klamauk vorbeischrammte, aber dann doch immer wieder ins heitere, humoristisch verbrämte Gleis zurückfand. Auffällig – wie oben bemerkt - dass die gesamte Ausstattung und Kostümierung der Akteure samt der Waffen der Banditen teils der Zeit entlehnt sind, in der die Handlung spielt, teils aber auch durchaus der Gegenwart zugeordnet sind. Und die Polizei
eher an die Schweizergarde des Vatikans erinnert, als an Gesetzeshüter. Das überdimensionierte Schweizer Messer des Polizeihauptmanns Bramarbasso (Florian Kontschak) tut ein übriges dazu. Und schließlich lassen die Bezüge zur Gegenwart in den Gesprächen, Dialogen und Anzüglichkeiten der Akteure erkennen, dass man sich in Zeiten des Umbruchs befand. Banditen sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren. Eine recht unterhaltsame Aufführung, in der die Akteure oftmals in unterschiedlichen Rollen erscheinen und stets überzeugend wirken. Allen wird ein enormes Maß an Konzentration und Spielfreudigkeit abverlangt, das sie auch bringen. Eine Operette, die "ankommt", allerdings mit zunehmender Länge recht anstrengend wirkt.


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