Freitag, 19. Dezember 2014

Arme Journalisten?

Die Berichterstattung der Medien zu Pergida ist etwas abgeflaut – wohl bis kommenden Montag – und obwohl es aktuell sehr viel andere wichtigere Vorgänge in der Welt gibt, bleibe ich noch einmal – und wohl nicht das letzte Mal – bei Pegida hängen. Weil ich Art und Weise der bisherigen Berichterstattung zu Pegida mit einer Problematk in Verbindung bringe, auf die in den vergangenen Tagen u.a. die „Deutsche Welle“ die Weltöffentlichkeit aufmerksam machte: auf Journalisten, die sich weltweit unter Druck gesetzt sehen.

Die Bilanz ist schlimm: 119 Entführungen von Journalisten hat die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) im zu Ende gehenden Jahr gezählt - 37 Prozent mehr als 2013. Und schon damals hatte es deutlich mehr Fälle gegeben als im Vorjahr. Die Zahl der Journalisten und Bürgerjournalisten, wie etwa Blogger, die vor Drohungen, Gewalt oder staatlichen Repressalien ins Ausland fliehen mussten, hat sich seit 2013 sogar mehr als verdoppelt. 66 Medienvertreter, etwas weniger als im vergangenen Jahr, wurden 2014 wegen ihres Berufs getötet, hinzu kommen noch 19 Bürgerjournalisten und elf Mitarbeiter von Journalisten.

Das ist ohne allen Zweifel schrecklich. Nun unterscheidet sich investigativer und seriöser Journalismus in Syrien, im Gazastreifen, der Türkei oder einem anderen Land ganz sicher nicht von dem in Deutschland: er soll grundsätzlich verantwortbar und glaubwürdig, also wahr sein. Und er soll sich tunlichst auf Fakten gründen. Ich verkenne nicht die Problematik, die sich in vielen Ländern damit verbindet. Umso mehr frage ich mich allerdings angesichts der Art und Weise, wie allein hier über Pegida berichtet wird, wo die Fakten, die Hintergründe und letztlich also die Glaubwürdigkeit bleibt?

Und ich denke, der Journalismus in Deutschland hat sich meilenweit von der Berufsethik der Presse entfernt, dass es nur dem Festhalten an den Grundsätzen der Demokratie und der gesellschaftlichen wie politischen Toleranz zuzuschreiben ist, dass das, was heutzutage - und immer unter Hinweis auf die Berichterstattung zu Pegida - als Journalismus bezeichnet wird, ohne größere Vorbehalte hingenommen wird. Deren Glaubwürdigkeit hier nicht weiter erörtert werden soll. Wenn man demgegenüber in anderen Ländern weniger tolerant ist und dort die journalistische Arbeit sehr viel kritischer wahrgenommen und beurteilt wird, kann ich das nicht verurteilen. Wohl aber die Konsequenzen für die dafür verantwortlich gemachten Journalisten. Immerhin aber prägen die die öffentliche, gesellschaftliche Meinung. Unabhängig von den Redaktionen, die ihre Berichte ja bewerten und öffentlich machen. Und oft genug ihre Verantwortung auf ihre (Bürger-) Reporter und Zuarbeiter abwälzen.

Richtig scheint zu sein, dass man in Ländern, in denen Demokratie und Toleranz gegenüber jeglichen journalistischen Erscheinungen toleriert und gelebt wird, auch Mangel an Glaubwürdigkeit hinnimmt, während man das in anderen Ländern nicht einfach akzeptiert. Oder gar verfolgt. Wer sich Journalist nennt. übernimmt keine Privilegien, sondern Verantwortung. Und mancherorten ist das eben auch mit Risiko verbunden.

Interessant finde ich ja die Berichterstattung zu Pegida schon deshalb, weil sich dazu nahezu die gesamte deutsche Presse engagiert. Und das Internet ermöglicht, die Berichterstattung der einzelnen Zeitungen zu vergleichen. Wenn ich dabei auf einen Kommentar stoße, dessen Titelzeile kurz und bündig lautet: „Mit "Pegida"-Anhängern diskutieren? Nein.“ („Aachener Nachrichten“ am 16.12.) und gleichzeitig kritisiert wird, dass die Gründer dieser Bewegung zu keinem Interview bereit sind, und Reporter vor Ort in Dresden übereinstimmend darüber klagen, dass Demonstranten nicht mit ihnen reden wollen, dann wird allein an diesem Beispiel schon die ganze Widersprüchlichkeit deutlich, in die Journalisten mangels Fakten geraten. Dabei scheint es sie nicht weiter zu treffen, wenn sie mit „Lügenpresse“ und ähnlichen Schimpfworten bedacht werden. Nicht weniger aufschlussreich sind die Leserkommentare zu einen „offenen Brief“ der ZEIT unter dem Titel „Bürgerrechtler, warum schweigt ihr?“ Es sind mehr als 200, und die Presse kommt dabei gar nicht gut weg.

Ich erinnere mich auch bei dieser Gelegenheit unwillkürlich an die selbstkritische Meinung der Chefredakteurin des WDR, Sonia Seymour Mikich in der Broschüre „Wozu noch Journalismus?“ (Auszug): „Seien wir doch ehrlich, Journalisten stehen nicht mehr oben auf der Hit-Liste geschätzter und vorbildhafter Zeitgenossen. Außerhalb des Medien-Biotops, nämlich in der Wirklichkeit, ist der Blick auf unseren Berufsstand eher unfreundlich und es wird nicht feinfühlig unterschieden zwischen den Genres. Wir alle sind „die Medien“. Betrüblich aber wahr: Die Mitmenschen unterstellen, wir seien allesamt nur noch getrieben von guten Quoten, Auflagen, Klickzahlen. Dass wir Fehler schönreden, gern hart austeilen, aber ein gläsernes Kinn haben, wenn es um Kritik an uns selber geht. Dass wir Weltmeister im Ätzen und Besserwissen sind...Viele Nutzer bekritteln – nicht grundlos – den Mangel an Tiefgang, an Persönlichkeiten, an Meinungsfreude. Sie erleben intellektuelles Versagen beim Deuten großer Zusammenhänge und geringe Lust am Einmischen. Und merken an, dass Feuerwehrleute, Lehrer, Briefträger oder Ärzte höhere Vertrauenswerte vorweisen können als „die“ Journalisten.“ (Ende des Auszugs).


Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Verwunderlich nur, wie ich finde, dass Journalisten, oder solche, die vorgeben, es zu sein, sich trotzdem noch hoch angesehen wähnen. Aber wie schon weiter oben bemerkt: hierzulande spielt sich alles im friedlichen Bereich ab, man toleriert sie. Nicht in vielen anderen Ländern, wie gerade die „Deutsche Welle“ aktuell berichtete.

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