Freitag, 26. Dezember 2014

Weihnachten in Zeiten der Flüchtlingproblematik

Auf den Hörgenuss des Weihnachtsoratoriums der Nordhäuser Kantorei in St. Blasii musste ich in diesem Jahr verzichten, Christel Laude ließ es mich mit ihrer Rezension wenigstens nachempfinden. Dafür hörte ich gestern die 1. Kantate dieses Werkes als Übertragung aus der Leipziger Nikolaikirche (und werde mir ganz sicher die weiteren Übertragungen der folgenden Kantaten nicht entgehen lassen).

Nachdem ich dann an Heiligabend an der Christvesper in St. Blasii teilnahm und gestern den Gottesdienst aus der Wiener Michaelskirche im TV verfolgte, mittags die Ansprache des Papstes und den Segen Urbi et orbi hörte und miterlebte, hielt ich mich weiter an die weihnachtlichen Programme im Fernsehen und gestaltete mir so den ersten Feiertag.

Unbeschwert aber verlief dieser 1.Feiertag trotzdem nicht. Einfach deshalb, weil in allen Ansprachen in den Gottesdiensten, der Bischöfe, und schließlich auch in der Ansprache des Bundespräsidenten die Flüchtlingsproblematik im Vordergrund stand, auch wenn die islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen in Dresden nicht immer „explizit“ genannt wurden. Wer das Weltgeschehen ernst nimmt, kann sich dieser Problematik auch und gerade an Weihnachten nicht entziehen. Und wenn man sonst keine Ablenkung hat – oder zu einer solchen Zuflucht nimmt – beeinflusst sie alle sonstigen Überlegungen.

Ich nehme das hier zum Anlass, an eine Passage in meinen vorhergegangenen Eintrag zu dieser Problematik anzuknüpfen, in der ich schrieb: „Und wenn ich lese, dass da ein Wissenschaftler (Werner Patzelt) bemüht werden musste, um in den gehaltenen Reden „an mehreren Stellen den Tatbestand der Volksverhetzung“ zu erkennen, dann zeigt sich daran meines Erachtens einmal mehr, dass man Pegida geradezu belauert, um Angriffspunkte dagegen zu entdecken.“ Das ist so nicht ganz richtig, wie ich einem Interview der „Deutschen Welle“ (DW) mit dem Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt entnehme. Dort nämlich heißt es, Patzelt ist Lehrender an der Technischen Universität in Dresden und erforscht die Entwicklungen der "Pegida" seit Beginn der Demonstrationen und begleitet sie mit seinen Studierenden wissenschaftlich. Und das ist natürlich etwas ganz anderes, als Pegida zu „belauern“.

Ich bin im übrigen sehr froh, auf dieses Interview gestoßen zu sein, weil es sehr sachlich und ausführlich auf Ursachen und Hintergründe eingeht. Bezeichnend dabei finde ich, dass der Begriff „Abendland“ gar nicht vorkommt (außer in der redaktionellen Einleitung), der ja zum Beispiel bei den „Gedanken zu Weihnachten: Wie können wir das Abendland retten?“ des TA-Chefredakteurs Paul-Josef Raue (25.12.) Hauptthema ist. Während sich also Raue müht, zu erklären, „warum Demonstranten in Dresden nicht dessen Rettung sind“, heißt es bei DW schon im Titel: „Patzelt: Ausdruck von Parteien- und Politikverdrossenheit“. Und das mit der Feststellung begründet (Auszug): „In Dresden geht tatsächlich ein Teil des Volkes auf die Straße - und nicht nur eine Horde von Rechtsextremisten. Da findet man alles von jungen Erwachsenen bis zu Rentnern, von der Mittelschicht bis zu den niedrigeren Schichten, von Leuten mit guter Bildung bis zu solchen mit einfacher Bildung. Von der politischen Mitte bis zum rechten Rand. Das ist im Grunde eine Volksbewegung der Politikerverdrossenen, bereichert um Demonstrationstourismus aus anderen Teilen Deutschlands.“(Ende des Auszugs). Und auf den Hinweis, dass mehrere Politiker sagen, man sollte sich mit den Argumenten der Demonstrierenden ernsthaft auseinander setzen, antwortet Patzelt (Auszug): „Im Übrigen haben jene Demonstranten, die man in Dresden vor die Kameras lockt, zunächst einmal einen recht hohen inneren Erregungspegel. Deswegen sind sie ja zu Pegida gekommen! Und natürlich handelt es sich bei ihnen meist um ganz normale Leute, die keinerlei Übung darin haben, über so komplexe Dinge wie Einwanderung oder Kulturwandel in sorgsam gewählten, differenzierten, alle Fettnäpfchen umsichtig vermeidenden Begriffen zu reden. Sie verwenden vielmehr genau jene Schlagworte und Redefloskeln, welche auch an ihrem Arbeitsplatz und in ihrem Freundeskreis verwendet werden - jene Art des Redens also, welche die Wächter politisch korrekten Diskurses dort sehr wirkungsvoll unterbinden, wo sie Macht haben, nämlich in der Medienöffentlichkeit und in der Politik. Bei den Pegida-Demonstrationen aber haben sie keinerlei Macht, denn dort sind normale und einfache Leute zu keinem anderen Zweck zusammen, als eben zu zeigen, dass es sie gibt - und ihre selbstdefinierten Interessen auch. Also äußert sich dort das - mehr oder minder gesunde beziehungsweise ungesunde – Volksempfinden.“ (Ende des Auszugs)

Das sind – wie ich betone – Auszüge (auch aus dem Gesamtzusammenhang gerissene), die aber meines Erachtens genügen, um erkennen zu lassen, dass es zumindest den Pegida-Demonstranten gar nicht um die Rettung des Abendlandes geht, sondern eben um ihre Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen. Und um Entscheidungen der Politik (zur Flüchtlingsproblematik) über die Köpfe derer hinweg, die meinen, bei Pegida für ihre Unzufriedenheit eine geeignete Plattform zu erkennen. (Das Interview bei DW am 24.12. sei zur Lektüre empfohlen). Je mehr man aber in Pegida „hineindichtet“, je länger hält man es am Leben. Was aber die Flüchtlingsproblematik betrifft, kann, ja, muss man wohl dem Trierer Bischof Stephan Ackermann zustimmen, der in seiner Weihnachtsansprache sagte, wer nur „halbwegs menschlich empfinde“, könne nicht unbeteiligt an der Seite stehen, wenn über 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht seien. In diesem Sinne wünsche ich den Lesern meines Blogs noch einen schönen 2. Weihnachtsfeiertag.

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