Auf
den Hörgenuss des Weihnachtsoratoriums der Nordhäuser Kantorei in
St. Blasii musste ich in diesem Jahr verzichten, Christel Laude ließ
es mich mit ihrer Rezension wenigstens nachempfinden. Dafür hörte
ich gestern die 1. Kantate dieses Werkes als Übertragung aus der
Leipziger Nikolaikirche (und werde mir ganz sicher die weiteren
Übertragungen der folgenden Kantaten nicht entgehen lassen).
Nachdem
ich dann an Heiligabend an der Christvesper in St. Blasii teilnahm
und gestern den Gottesdienst aus der Wiener Michaelskirche im TV
verfolgte, mittags die Ansprache des Papstes und den Segen Urbi et
orbi hörte und miterlebte, hielt ich mich weiter an die
weihnachtlichen Programme im Fernsehen und gestaltete mir so den
ersten Feiertag.
Unbeschwert
aber verlief dieser 1.Feiertag trotzdem nicht. Einfach deshalb, weil
in allen Ansprachen in den Gottesdiensten, der Bischöfe, und
schließlich auch in der Ansprache des Bundespräsidenten die
Flüchtlingsproblematik im Vordergrund stand, auch wenn die
islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen in Dresden nicht immer
„explizit“ genannt wurden. Wer das Weltgeschehen ernst nimmt,
kann sich dieser Problematik auch und gerade an Weihnachten nicht
entziehen. Und wenn man sonst keine Ablenkung hat – oder zu einer
solchen Zuflucht nimmt – beeinflusst sie alle sonstigen
Überlegungen.
Ich
nehme das hier zum Anlass, an eine Passage in meinen vorhergegangenen
Eintrag zu dieser Problematik anzuknüpfen, in der ich schrieb: „Und
wenn ich lese, dass da ein Wissenschaftler (Werner Patzelt) bemüht
werden musste, um in den gehaltenen Reden „an mehreren Stellen den
Tatbestand der Volksverhetzung“ zu erkennen, dann zeigt sich daran
meines Erachtens einmal mehr, dass man Pegida geradezu belauert, um
Angriffspunkte dagegen zu entdecken.“ Das ist so nicht ganz
richtig, wie ich einem Interview der „Deutschen Welle“ (DW) mit
dem Politikwissenschaftler Werner
J. Patzelt entnehme. Dort nämlich heißt es, Patzelt ist Lehrender
an der Technischen Universität in Dresden und erforscht die
Entwicklungen der "Pegida" seit Beginn der Demonstrationen
und begleitet sie mit seinen Studierenden wissenschaftlich. Und das
ist natürlich etwas ganz anderes, als Pegida zu „belauern“.
Ich
bin im übrigen sehr froh, auf dieses Interview gestoßen zu sein,
weil es sehr sachlich und ausführlich auf Ursachen und Hintergründe
eingeht. Bezeichnend dabei finde ich, dass der Begriff „Abendland“
gar nicht vorkommt (außer in der redaktionellen Einleitung), der ja
zum Beispiel bei den „Gedanken zu Weihnachten: Wie können wir das
Abendland retten?“ des TA-Chefredakteurs Paul-Josef Raue (25.12.)
Hauptthema ist. Während sich also Raue müht, zu erklären, „warum
Demonstranten in Dresden nicht dessen Rettung sind“, heißt es bei
DW schon im Titel: „Patzelt: Ausdruck von Parteien- und
Politikverdrossenheit“. Und das mit der Feststellung begründet
(Auszug): „In Dresden geht tatsächlich ein Teil des Volkes auf die
Straße - und nicht nur eine Horde von Rechtsextremisten. Da findet
man alles von jungen Erwachsenen bis zu Rentnern, von der
Mittelschicht bis zu den niedrigeren Schichten, von Leuten mit guter
Bildung bis zu solchen mit einfacher Bildung. Von der politischen
Mitte bis zum rechten Rand. Das ist im Grunde eine Volksbewegung der
Politikerverdrossenen, bereichert um Demonstrationstourismus aus
anderen Teilen Deutschlands.“(Ende des Auszugs). Und auf den
Hinweis, dass mehrere Politiker sagen, man sollte sich mit den
Argumenten der Demonstrierenden ernsthaft auseinander setzen,
antwortet Patzelt (Auszug): „Im Übrigen haben jene Demonstranten,
die man in Dresden vor die Kameras lockt, zunächst einmal einen
recht hohen inneren Erregungspegel. Deswegen sind sie ja zu Pegida
gekommen! Und natürlich handelt es sich bei ihnen meist um ganz
normale Leute, die keinerlei Übung darin haben, über so komplexe
Dinge wie Einwanderung oder Kulturwandel in sorgsam gewählten,
differenzierten, alle Fettnäpfchen umsichtig vermeidenden Begriffen
zu reden. Sie verwenden vielmehr genau jene Schlagworte und
Redefloskeln, welche auch an ihrem Arbeitsplatz und in ihrem
Freundeskreis verwendet werden - jene Art des Redens also, welche die
Wächter politisch korrekten Diskurses dort sehr wirkungsvoll
unterbinden, wo sie Macht haben, nämlich in der Medienöffentlichkeit
und in der Politik. Bei den Pegida-Demonstrationen aber haben sie
keinerlei Macht, denn dort sind normale und einfache Leute zu keinem
anderen Zweck zusammen, als eben zu zeigen, dass es sie gibt - und
ihre selbstdefinierten Interessen auch. Also äußert sich dort das -
mehr oder minder gesunde beziehungsweise ungesunde –
Volksempfinden.“ (Ende des Auszugs)
Das
sind – wie ich betone – Auszüge (auch aus dem Gesamtzusammenhang
gerissene), die aber meines Erachtens genügen, um erkennen zu
lassen, dass es zumindest den Pegida-Demonstranten gar nicht um die
Rettung des Abendlandes geht, sondern eben um ihre Unzufriedenheit
mit den politischen Verhältnissen. Und um Entscheidungen der Politik
(zur Flüchtlingsproblematik) über die Köpfe derer hinweg, die
meinen, bei Pegida für ihre Unzufriedenheit eine geeignete Plattform
zu erkennen. (Das Interview bei DW am 24.12. sei zur Lektüre
empfohlen). Je mehr man aber in Pegida „hineindichtet“, je länger
hält man es am Leben. Was aber die Flüchtlingsproblematik betrifft,
kann, ja, muss man wohl dem Trierer Bischof Stephan
Ackermann
zustimmen, der in seiner Weihnachtsansprache sagte, wer nur „halbwegs
menschlich empfinde“, könne nicht unbeteiligt an der Seite stehen,
wenn über 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht seien. In diesem Sinne wünsche ich den Lesern meines Blogs noch einen schönen 2. Weihnachtsfeiertag.
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