Meinen
vorläufig letzten Eintrag zu „Pegida“ am 16. Dezember hatte ich
mit dem Bemerken geschlossen, dass ich weiter auf die „Erleuchtung“
durch Politik und/oder Medien zum eigentlichen Sinn und Zweck von
Pegida warte. Die mir bisher versagt blieb. Seitdem habe ich weiter
viel Zeit damit zugebracht, durch die Medienangebote im Internet zu
surfen, um schließlich doch herauszufinden, wo ich diese
Demonstrationen (Initiative oder auch Bewegung) in unserem
abendländischen Deutschland einzuordnen habe. Inzwischen hat es die
Presse aufgegeben, den Gründer dieser Bewegung (Lutz Bachmann) als
„mehrfach vorbestraft“ zu bezeichnen, scheinbar in der
anfänglichen Annahme, dass das allein genügen würde, ihn und damit
die ganze Initiative in die Bedeutungslosigkeit zu verweisen. So
einfach also ist das nicht.
Schlauer
bin ich trotz allen Surfens noch immer nicht geworden. Stattdessen
scheint mir, als würde jeder – Politiker oder Kommentator – der
eine Meinung äußert, sofort eine Vielzahl unterschiedlicher und
widersprüchlicher verbaler Reaktionen auslösen, die oft genug wenig
freundlich sind. Wobei sich diese Reaktionen meist nicht für oder
gegen Pegida richten, sondern gegen den, der seine Meinung dazu
äußert. Selbst der CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker
Kauder, löste nach einem Interview in der WELT viel Kritik aus,
obwohl er doch im Grunde nur feststellte, dass Demonstrationen wie
Pegida in Dresden, in einer Demokratie eben zulässig und normal
sind. Solange sie friedlich verlaufen.
Was
der doch sehr wortgewandte und clevere CDU-Mann weiter äußerte, gab
dann u.a. dem Kommentator der ZEIT (Yassin Musharbash) offensichtlich willkommene Gelegenheit, Kauders
Aussagen zu analysieren und nach ihrem Aussagegehalt zu untersuchen.
Was sich bei Kauder immerhin auf intellektueller Ebene abspielt,
vollzieht sich in Dresden sehr viel simpler im volkstümlichen
Bereich: Reporter vor Ort bemühen sich um Aussagen von oft
unbedarften Pegida-Demonstranten, die man dann in den Redaktionen
analysiert und zerpflückt, um sie dann je nach Interessenlage zu
nutzen. Wen wundert's dann, dass diese Demonstranten die
„Lügenpresse“ meiden? Tatsächlich zeigt auch eine
repräsentative Umfrage von
YouGov für ZEIT ONLINE, dass zum Beispiel 47 Prozent der Befragten
die Aussage unterstützten, dass die Medien einseitig berichten und
von der Politik gelenkt werden? Und am stärksten das Misstrauen in
die Medien im Osten ist?. Dort halten laut der Umfrage 55 Prozent die
Presse für einseitig und gelenkt und nur 34 Prozent halten sie für
objektiv und unabhängig.
Ich
erinnere mich bei dieser Gelegenheit einmal mehr an eine Einschätzung
des Journalismus zu DDR-Zeiten in der „Thüringer Allgemeine“ (3.
Nov.) von Hanno Müller (Auszug): „Journalisten gehörten in der
DDR zu denen, die mit am besten über den Zustand der Gesellschaft
und die Machtverhältnisse im Bilde sein sollten. Sie sind täglich
vor Ort, kennen interne Parteiberichte, wissen, wo der Schuh drückt
. In den Zeitungen bzw. Rundfunk- oder Fernsehbeiträgen aber
überwiegt die heile Welt – es sei denn, die Partei selbst meint,
man könne doch mal mit dosierter Selbstkritik den Siegeszug des
Sozialismus voranbringen.“ (Ende des Auszugs). Wie sollten dann die
Bürger glauben, Journalisten im Osten würden seitdem
eigenverantwortlich denken und handeln gelernt haben, wenn man das
auch den Politikern der LINKEN nicht zugesteht? („In
wissenschaftlichen Arbeiten über den DDR-Journalismus ist später zu
lesen, Leser und Zeitungsmacher befänden sich in einer Art
„opportunistischen Tateinheit“. Alle machen mit, weil sie es
nicht anders kennen.“).
Und
nun also die jüngste Dresdner Montagsdemonstration: mehr Bürger als
je zuvor nahmen daran teil. Und wohl auch mehr Reporter als je zuvor.
Entsprechend vielfältig und unterschiedlich lesen sich die Berichte.
Und sehr viel mehr als von den Gegendemonstrationen. Die in ihren
Absichten doch viel einfacher und klarer sind. Bei Pegida aber konnte
man sich einmal mehr austoben. Und das tat man dann auch. Mit der
Konsequenz – und in Volkes Meinung wohl nicht ganz unbegründet -
eben als „Lügenpresse“, „gelenkt“ und „tendenziös“
eingeschätzt zu werden. Pegida polarisiert eben, ohne selbst „klare
Kante“ zu zeigen (zeigen zu können). Und wenn ich lese, dass da
ein Wissenschaftler (Werner Patzelt) bemüht werden musste, um in den
gehaltenen Reden „an mehreren Stellen den Tatbestand der
Volksverhetzung“ zu erkennen, dann zeigt sich daran meines
Erachtens einmal mehr, dass man Pegida geradezu belauert, um
Angriffspunkte dagegen zu entdecken. Und wenn der gleiche
Wissenschaftler im Ergebnis der gehaltenen Reden feststellt, dass man
bei den Angriffen auf Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin
Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich
(beide CDU) merkte, „wie gigantisch die Kluft zwischen vielen auf
der Straße und unserem politischen System ist“ zeige das eine
Spaltung zwischen „Die da oben“ und „Wir hier unten“, die
bedrückend sei. Und auch das zeigt doch, dass es bei Pegida gar nicht so vordringlich gegen eine mögliche Islamisierung des Abendlandes geht.
Man
kann diese Diskrepanzen innerhalb Pegida selbst und der
Gegendemonstranten und der bürgerlichen Gesellschaft, ja sogar der
Kirche, fast beliebig fortsetzen und kommt doch zu keinen Ergebnis.
Wenn Vertreter der Kirche im Singen von Weihnachtsliedern durch
Pegida-Demonstranten eine Instrumentalisierung sehen und kritisieren,
dann meine ich, dass das Weihnachtslieder-Gedudel in Kaufhäusern und
Einkaufscentren eine sehr viel schlimmere Instrumentalisierung ist,
weil die auf reinen Kommerz abzielt. Und sich Jahr für Jahr
wiederholt.
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