Mittwoch, 24. Dezember 2014

Pegida polarisiert

Meinen vorläufig letzten Eintrag zu „Pegida“ am 16. Dezember hatte ich mit dem Bemerken geschlossen, dass ich weiter auf die „Erleuchtung“ durch Politik und/oder Medien zum eigentlichen Sinn und Zweck von Pegida warte. Die mir bisher versagt blieb. Seitdem habe ich weiter viel Zeit damit zugebracht, durch die Medienangebote im Internet zu surfen, um schließlich doch herauszufinden, wo ich diese Demonstrationen (Initiative oder auch Bewegung) in unserem abendländischen Deutschland einzuordnen habe. Inzwischen hat es die Presse aufgegeben, den Gründer dieser Bewegung (Lutz Bachmann) als „mehrfach vorbestraft“ zu bezeichnen, scheinbar in der anfänglichen Annahme, dass das allein genügen würde, ihn und damit die ganze Initiative in die Bedeutungslosigkeit zu verweisen. So einfach also ist das nicht.


Schlauer bin ich trotz allen Surfens noch immer nicht geworden. Stattdessen scheint mir, als würde jeder – Politiker oder Kommentator – der eine Meinung äußert, sofort eine Vielzahl unterschiedlicher und widersprüchlicher verbaler Reaktionen auslösen, die oft genug wenig freundlich sind. Wobei sich diese Reaktionen meist nicht für oder gegen Pegida richten, sondern gegen den, der seine Meinung dazu äußert. Selbst der CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Kauder, löste nach einem Interview in der WELT viel Kritik aus, obwohl er doch im Grunde nur feststellte, dass Demonstrationen wie Pegida in Dresden, in einer Demokratie eben zulässig und normal sind. Solange sie friedlich verlaufen.


Was der doch sehr wortgewandte und clevere CDU-Mann weiter äußerte, gab dann u.a. dem Kommentator der ZEIT (Yassin Musharbash) offensichtlich willkommene Gelegenheit, Kauders Aussagen zu analysieren und nach ihrem Aussagegehalt zu untersuchen. Was sich bei Kauder immerhin auf intellektueller Ebene abspielt, vollzieht sich in Dresden sehr viel simpler im volkstümlichen Bereich: Reporter vor Ort bemühen sich um Aussagen von oft unbedarften Pegida-Demonstranten, die man dann in den Redaktionen analysiert und zerpflückt, um sie dann je nach Interessenlage zu nutzen. Wen wundert's dann, dass diese Demonstranten die „Lügenpresse“ meiden? Tatsächlich zeigt auch eine repräsentative Umfrage  von YouGov für ZEIT ONLINE, dass zum Beispiel 47 Prozent der Befragten die Aussage unterstützten, dass die Medien einseitig berichten und von der Politik gelenkt werden? Und am stärksten das Misstrauen in die Medien im Osten ist?. Dort halten laut der Umfrage 55 Prozent die Presse für einseitig und gelenkt und nur 34 Prozent halten sie für objektiv und unabhängig.


Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit einmal mehr an eine Einschätzung des Journalismus zu DDR-Zeiten in der „Thüringer Allgemeine“ (3. Nov.) von Hanno Müller (Auszug): „Journalisten gehörten in der DDR zu denen, die mit am besten über den Zustand der Gesellschaft und die Machtverhältnisse im Bilde sein sollten. Sie sind täglich vor Ort, kennen interne Parteiberichte, wissen, wo der Schuh drückt . In den Zeitungen bzw. Rundfunk- oder Fernsehbeiträgen aber überwiegt die heile Welt – es sei denn, die Partei selbst meint, man könne doch mal mit dosierter Selbstkritik den Siegeszug des Sozialismus voranbringen.“ (Ende des Auszugs). Wie sollten dann die Bürger glauben, Journalisten im Osten würden seitdem eigenverantwortlich denken und handeln gelernt haben, wenn man das auch den Politikern der LINKEN nicht zugesteht? („In wissenschaftlichen Arbeiten über den DDR-Journalismus ist später zu lesen, Leser und Zeitungsmacher befänden sich in einer Art „opportunistischen Tateinheit“. Alle machen mit, weil sie es nicht anders kennen.“).


Und nun also die jüngste Dresdner Montagsdemonstration: mehr Bürger als je zuvor nahmen daran teil. Und wohl auch mehr Reporter als je zuvor. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich lesen sich die Berichte. Und sehr viel mehr als von den Gegendemonstrationen. Die in ihren Absichten doch viel einfacher und klarer sind. Bei Pegida aber konnte man sich einmal mehr austoben. Und das tat man dann auch. Mit der Konsequenz – und in Volkes Meinung wohl nicht ganz unbegründet - eben als „Lügenpresse“, „gelenkt“ und „tendenziös“ eingeschätzt zu werden. Pegida polarisiert eben, ohne selbst „klare Kante“ zu zeigen (zeigen zu können). Und wenn ich lese, dass da ein Wissenschaftler (Werner Patzelt) bemüht werden musste, um in den gehaltenen Reden „an mehreren Stellen den Tatbestand der Volksverhetzung“ zu erkennen, dann zeigt sich daran meines Erachtens einmal mehr, dass man Pegida geradezu belauert, um Angriffspunkte dagegen zu entdecken. Und wenn der gleiche Wissenschaftler im Ergebnis der gehaltenen Reden feststellt, dass man bei den Angriffen auf Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (beide CDU) merkte, „wie gigantisch die Kluft zwischen vielen auf der Straße und unserem politischen System ist“ zeige das eine Spaltung zwischen „Die da oben“ und „Wir hier unten“, die bedrückend sei. Und auch das zeigt doch, dass es bei Pegida gar nicht so vordringlich gegen eine mögliche Islamisierung des Abendlandes geht.


Man kann diese Diskrepanzen innerhalb Pegida selbst und der Gegendemonstranten und der bürgerlichen Gesellschaft, ja sogar der Kirche, fast beliebig fortsetzen und kommt doch zu keinen Ergebnis. Wenn Vertreter der Kirche im Singen von Weihnachtsliedern durch Pegida-Demonstranten eine Instrumentalisierung sehen und kritisieren, dann meine ich, dass das Weihnachtslieder-Gedudel in Kaufhäusern und Einkaufscentren eine sehr viel schlimmere Instrumentalisierung ist, weil die auf reinen Kommerz abzielt. Und sich Jahr für Jahr wiederholt.

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