Kreis Nordhausen: Neuer Mindestlohn
bringt 533.000 Euro Extra-Kaufkraft pro Jahr
Der
Mindestlohn steigt ab Januar um 35 Cent auf jetzt 9,19 Euro pro Stunde –
und mit ihm der Verdienst von 2.110 Menschen im Landkreis Nordhausen.
So viele Beschäftigte arbeiten hier derzeit zum gesetzlichen
Lohn-Minimum. Auch die Wirtschaft im Kreis profitiert: Die Kaufkraft
wächst durch das Mindestlohn-Plus in diesem Jahr um rund 533.000 Euro.
Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit und
beruft sich auf eine aktuelle Analyse des Pestel-Instituts aus Hannover,
das die Auswirkungen der Mindestlohn-Entwicklung regional untersucht
hat.
„Mal
ins Kino oder Essen gehen. Und auch mal etwas Neues für den Haushalt
anschaffen – fast jeder Euro, den Mindestlohn-Beschäftigte am Monatsende
extra haben, fließt in den Konsum. Und einen Großteil davon geben sie
vor Ort aus“, sagt Jens Löbel von der NGG-Region Thüringen. Denn wer zum
untersten Lohn arbeite, könne nichts auf die hohe Kante legen. Für den
Gewerkschafter ist der gesetzliche Mindestlohn aber auch nach der
aktuellen Erhöhung zu niedrig: „Selbst für eine Vollzeitkraft ist es
extrem schwer, mit dem Mindestlohn klarzukommen. Gerade dann, wenn auch
noch Kinder im Haushalt leben. Und bei steigenden Mieten sowieso“, so
Löbel. Die NGG fordert deshalb ein deutlich stärkeres Mindestlohn-Plus.
Erst in einer Größenordnung von mehr als zwölf Euro pro Stunde werde die
Lohnuntergrenze „langsam armutsfest“.
NGG-Geschäftsführer
Löbel sieht bei den Löhnen „Luft nach oben“ und die Arbeitgeber in der
Pflicht: „In Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Bäckerhandwerk gehen
trotz guter Wirtschaftslage selbst Fachkräfte oft nur mit dem
gesetzlichen Minimum nach Hause.“ Messlatte sei aber nicht der
Mindestlohn, sondern der Tariflohn. Löbel prangert die zunehmende
Tarifflucht als Hauptgrund dafür an, „dass seit Jahren viel zu viele
Menschen im Niedriglohnsektor gefangen sind“ und fordert die Unternehmen
auf, sich zu Tarifverträgen zu bekennen: „In den Tarifverträgen der NGG
sind meist deutlich höhere Löhne, auch in den unteren Lohngruppen,
vereinbart. Und wer nach Tarif zahlt, der hat auch zufriedenere
Mitarbeiter, die sich im Job engagieren.“
Löbel
betont, dass von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns seit 2015
rund vier Millionen Menschen profitiert haben. Allerdings werde dieser
gesetzliche Anspruch viel zu wenig kontrolliert, weil die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit nach wie vor nicht ausreichend personell
ausgestattet sei. „Es gibt viel zu viele Schlupflöcher: Arbeitszeiten
werden nicht korrekt erfasst oder Überstunden nicht bezahlt, um den
Mindestlohn massenhaft zu umgehen. Das ist ein Skandal“, kritisiert der
Gewerkschafter und fordert die Beschäftigten auf, ihre
Januar-Lohnabrechnung genau zu kontrollieren.
Bei
seiner Einführung 2015 lag der gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro
pro Stunde. Nach dem Mindestlohngesetz steigt er alle zwei Jahre. Wie
hoch das Plus ist, hängt insbesondere von der Entwicklung der
Tarifverdienste ab. Die NGG war die erste Gewerkschaft, die sich für die
Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns stark gemacht hat.
Zusatz-Info
Ein Euro mehr beim Mindestlohn brächte dem Kreis 4,3 Millionen Euro zusätzliche Kaufkraft
Nach
Berechnungen des Pestel-Instituts hätte ein höherer Mindestlohn starke
Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft: Würde der gesetzliche
Mindestlohn um einen weiteren Euro – auf dann 10,19 Euro – steigen, wäre
damit allein im Landkreis Nordhausen ein Anstieg der Kaufkraft um 4,3
Millionen Euro im Jahr verbunden. Denn davon würden dann sogar rund
5.400 Menschen profitieren – nämlich neben den bisherigen
Mindestlohnempfängern auch die Beschäftigten, die derzeit für einen
Stundenlohn arbeiten, der nur knapp oberhalb des gesetzlichen
Mindestlohns liegt.
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